CD der Woche - Chaleur Humaine Neon Vague

Von Johannes Paetzold

Héloise Letissier feiert zur Zeit riesige Erfolge als Christine and the Queens. Auf ihrem Erstlingswerk "Chaleur Humaine" präsentiert sie einen ausbalancierten Mix aus elektronischen Beats, neonfarbenen Synthesizermelodien und zarten Nouvelle Chansons.


Cover: Christine and the Queens: "Chaleur Humaine"
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Cover: Christine and the Queens: "Chaleur Humaine"

Sie ist zierlich, klein, hat lange glatte Haare, ein markantes Profil - wunderschön wie eine junge Francoise Hardy. Und sie ist gerade mal in ihrem Mittzwanzigern: Héloïse Letissier, der perfekte französische Popstar. Ihr Debütalbum hat in Frankreich bereits doppelten Platinstatus. Und beim wichtigsten französischem Musikpreis, den Victoires de la Musique, war sie gerade die große Abräumerin. Als einzige Künstlerin gewann Christine dort gleich zwei Preise: als beste Sängerin und für das bestes Video zu "St. Claude".

Drag Queens als Geburtshelfer

Christines Leben war von Beginn an von der Kunst geprägt. Sie lernte früh Klavier spielen, nahm Tanzunterricht, den sie aber wegen einer Verletzung wieder abbrechen musste. Daraufhin studierte sie Schauspiel in Lyon und Paris. Vor vier Jahren erschien ihre erste EP, dem kurzen Werk folgten zwei weitere. Nun erscheint ihr Debütalbum, mit dem sie in Frankreich riesige Erfolge feiert. Dabei kam die Entscheidung, so Christine, nur zufällig. In London lernte sie eine Gruppe Drag Queens kennen, die sie zur Musik bekehrten. Mit dem Bandnamen "Christine and the Queens" huldigt sie diesem Schlüsselmoment ihrer musikalischen Laufbahn.

Everybody‘s French Darling

Im Frühjahr geht Christine mit ihren Queens auf Headliner Tournee durch Frankreich. Alle Konzerte sind restlos ausverkauft. Die Karten für den Auftritt im renommierten Pariser Olympia waren innerhalb von zwei Stunden vergriffen. Auf der Bühne wird Héloïse Letissier eben auch zu Christine. "Eine exzellente Performerin, ihr gehört die Bühne, sie nimmt das Publikum bei jeder ihrer Bewegungen mit", schreibt das französische Magazin "Les Inrocks" über sie. Tanz, Schauspiel, Popstar - auf der Bühne kommen alle diese Talente zusammen. Ihr Album ist ebenso erfolgreich in der Schweiz und in Belgien. Nun wird es auch in Deutschland und Großbritannien veröffentlicht, im Sommer dann in den USA. Und Christines Name glänzt längst über die Musikhemisphäre hinaus. Zeitschriften wie Elle, Paris Match und Gala haben die Künstlerin für sich entdeckt.

Spiel mit den Geschlechtern

Musikalisch überzeugt Christine mit Songs, die den neuen französischen Chanson als Bezugspunkt haben. Aber obwohl der Nouvelle Chanson in Christines Heimatstadt Nantes Anfang der 1990er geboren wurde, hebt sie sich sehr klar von Genregrößen wie Benjamin Biolay oder Coralie Clement ab. Die dunklen, leicht surrealistischen Texte lehnen sich an ihr Popidol, den frühen David Bowie an. Genau wie Bowie spielt sie mit den Geschlechtern, erweist ihren Drag Queens eine Hommage mit dem Song "It" - "I'm a man now" singt sie da. Christine gibt uns das, was an Pop einmal so aufregend war. Ambiguität, Künstlichkeit, Spiel mit den Geschlechtern, Zerbrechlichkeit gemischt mit exaltiertem pathetischem Selbstbewusstsein auf der Bühne.

Eine junge Meisterin


Mit ihren jungen Jahren ist Christine bereits eine ausgefuchste Komponistin und Arrangeurin, die nahtlos zwischen Englisch und Französisch in ihren Texten oszilliert. Und mit ihren Queens wunderbare Call-and-Response-Passagen entwirft. "Chaleur Humaine" ist geprägt von minimal ausgestatteten Songs, die auf einem Elektrobett daher gleiten. New Wave Einflüsse sind in Songs wie "Ugly Pretty" deutlich hörbar. Die menschliche Hitze des Albumtitels interpretiert sie sehr rational in ihren Liedern voller textlicher Tiefe, aber auch einer gewissen Distanz. Diese Lieder erreichen unser Herz.


Stand: 23.02.2015, 00.00 Uhr