Omara Portuondo: Diva ohne Starallüren
International ist Omara Portuondo erst durch den Buena Vista Social Club richtig bekannt geworden. In Kuba wird die 73-jährige Künstlerin hingegen nicht für Son, Bolero und Guaracha geliebt, sondern für ein Genre, das herzlich wenig mit dem Kubaklischee zu tun hat - dem "Filin".
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Omara Portuondo
Der Bücherverkäufer vor dem "Habana Libre" reißt den Mund auf als er sieht, wer da in den wartenden Reisebus einsteigen will: "Omara", seufzt er, geht zwei schnelle Schritte vor, um ihr galant die Hand zu küssen. Omara Portuondo nimmt sich Zeit, um ein Paar Sätze mit dem Mann auszutauschen. Als sie sich umdrehen will, um in den wartenden Bus mit den Musikern zu steigen, der sie nach Matanzas bringen soll, bittet der Mann noch um ein Autogramm. Geduldig wendet sich die kubanische Sängerin dem Fan wieder zu, kramt in ihrer Tasche nach einem Stift und setzt ihr Autogramm auf die Innenseite eines aufgeklappten Buchdeckels, den der schnauzbärtige Mittvierziger ihr entgegenhält. Zeit für die Fans, die sie auf der Straße ansprechen, nimmt sich Omara Portuondo gern und oftmals mehr als ihrem Management lieb ist. Resolut winkt Omara dann schon mal ab, wenn Carmen Romero einschreiten will, da der Zeitplan drückt. Das Publikum geht vor und ihre kubanischen Fans hat die Sängerin in letzter Zeit vernachlässigt.
Internationaler Erfolg dank Buena Vista Social Club
Über die Stadtgrenzen von Havanna ist sie kaum mehr heraus gekommen, seitdem ihre internationale Karriere im Rahmen des Buena Vista Social Club Erfolges neuen Drive erhielt. Matanzas hat die alte Dame schon seit sieben Jahren nicht mehr besucht und das Konzert in der Hafenstadt nahe den Stränden von Varadero ist überfällig. "Ich fühle mich meinem Publikum in Kuba verpflichtet. Es will wissen, was wir machen, wenn wir im Ausland sind und das Konzert heute ist ein Vorgeschmack auf die Europa-Tournee", so die sympathische Sängerin. Das Programm des Abends hat sie gemeinsam mit ihrem Management ausgesucht und einige Stücke der neuen CD werden genauso dabei sein, wie Material aus den 60er Jahren, der großen Zeit des "Filin".
Durchbruch für Filin
Groß geworden mit dem kubanischen Blues Dem hat sie ihren Stempel aufgedrückt. Als Omara Ende der vierziger Jahre ihre ersten musikalischen Gehversuche an der Seite ihrer älteren Schwester Haydee versuchte, war es der blinde Pianist Frank Emilio Flynn, der ihr Talent entdeckte und sie förderte. Gemeinsam mit Flynn, Cesar Portillo de la Luz und José Antonio Mendez traten sie als "Los Loquibambia" auf und verhalfen einem neuen Genre zum Durchbruch - dem "Filin". Bolero, Bossa Nova und amerikanischer Jazz verschmolzen mit einem ordentlichen Schuss Cubanismo und relativ schnell wurde der neue Musikstil populär. Die gesanglichen Qualitäten der beiden Schwestern, beeindruckten. Die haben ihre Gesangsausbildung vom Vater erhalten, weil das Geld zum Besuch eines Konservatoriums nicht reichte: "Meine Eltern hatten früh unser künstlerisches Talent entdeckt und uns so gut es ging gefördert", erinnert sich Omara Portuondo an ihre Kindheit. Ihr Vater Bartalomé war nicht mehr als ein Gelegenheitssänger, hauptberuflich war er Baseballspieler, der auch im kubanischen Nationalteam in Erscheinung getreten war. Nur in seinem Stadtviertel Cayo Hueso war der großgewachsene Schwarze auch als Sänger bekannt. Oft sang er im Duett mit Omaras Mutter Esperanza, einer Tochter reicher spanischer Eltern, berichtet Orlando. Der ehemalige Nachbar der Famile wohnt immer noch einige Türen entfernt von Omaras Elternhaus im Cayo Hueso und von Zeit zu Zeit schaut Omara bei ihm vorbei. Die Ehe zwischen der weißen Frau aus gutem Hause und dem schwarzen Sportler verstieß gegen die Konventionen.
Familie
Die Eltern von Esperanza brachen mit ihrer Tochter den Kontakt und nie hat Omara ihre Großeltern zu Gesicht bekommen. Rassentrennung war Usus in Kuba und auf der Straße mussten sich ihre Eltern manchmal ignorieren, berichtet Omara, um mit einer Handbewegung das traurige Thema zu beenden. Anders als andere Musiker ihrer Generation hatte die leidenschaftliche Rumbatänzerin jedoch keine Probleme ihre Karriere in Kuba zu starten. Weder die Hautfarbe noch die Dominanz der Männer in der Musikbranche, erwiesen sich als Hürden für ihre schillernde Karriere. "Andere Frauen, wie María Teresa Vera und Rita Montaner, die ich sehr verehre, hatten den Boden bereitet", so die sympathische Diva. Stücke wie "Veinte Años" von María Teresa Vera gehören auch deshalb zum festen Repertoire der bescheiden auftretenden Künstlerin. Von ihnen scheint sie sich Neugier und Experimentierfreudigkeit abgeschaut zu haben. Kaum ein kubanisches Genre, das Omara nicht ausgelotet hat, und als sie mit Edith Piaf in Havanna auf der Bühne stand, versuchte sie es auch mit dem französischen Chanson. Damals, Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre, hatten Omara, Haydee, Elena Burke und Moraima Secada den Durchbruch längst geschafft. Als Cuarteto D'Aida waren sie überaus erfolgreich und auch der Abgang von Haydee Portuondo sollte daran nichts ändern. Die entschied sich anlässlich eines Konzertes in Miami in den USA zu bleiben. Für Omara ein schwerer Schlag, aber die Entscheidung ihrer Schwester hat sie immer respektiert. "Der Kontakt ist nie abgerissen und wir telefonieren miteinander", sagt sie ohne weitere Details zum schwesterlichen Verhältnis preiszugeben.
Botschafterin der Revolution
Botschafterin der Revolution Omara hatte sich für die kubanische Revolution entschieden und in den sechziger und siebziger Jahren wurde sie zu deren Botschafterin. Auftritte bei der Expo, im gesamten Ostblock, in Europa und Lateinamerika machten sie international bekannt - ohne allerdings den bahnbrechenden Erfolg zu haben, den ihr der Buena Vista Social Club schließlich beschied. Mehr zufällig wurde sie ins Studio gebeten, steuerte einen Bolero bei und verließ wenig später die Sessions in Richtung Vietnam, wo sie auftreten sollte. Über den späten internationalen Erfolg der Sängerin freut sich auch Abel Acosta, Vizekulturminister Kubas.
Für ihn ist Omara Portuondo nicht einfach eine von vielen Künstlern, sondern "Teil der kubanischen Identität". In die Hall of Fame der kubanischen Musik hat der Chefkritiker der kubanischen Musikpresse, Helio Orovio, sie längst gehoben. Gleich neben Benny Moré, dem Übervater des Son, hat er ihr einen Stuhl reserviert. "Das sie mit ihren 73 Jahren immer noch bei Stimme ist und die Tonleitern mühelos hoch und runtergleiten kann, ohne abzustürzen, ist unglaublich", so der in die Jahre gekommene Mann mit dem schütterem Haupthaar. Davon konnte sich auch das Publikum im Teatro Sauto in Matanzas überzeugen. Der imposante mit Deckenmalereien verzierte Saal des klassizistischen Theaters bildete eine perfekte Kulisse für das Zwiegespräch zwischen Omara und ihrem kubanischen Publikum Das reagierte recht verhalten auf die Stücke des neuen Albums "Flor de Amor". Das weist dank Co-Produzent Alê Siqueira eine brasilianische Note auf. Die Idee zu der kubanisch-brasilianischen Fusion hatte Manager Daniel Florestano, und Omara, die gemeinsam mit Nick Gold die Stücke für das Album aussuchte, war einverstanden. Doch das verwöhnte kubanische Publikum will der Sängerin bei ihrer musikalischen Stippvisite an die Copa Cabana nicht so recht folgen. Erst als die ersten Takte von "Veinte Años" erklingen, erhebt sich das Gros des Publikums im ausverkauften Saal und intoniert den Refrain. Und als Omara zu guter Letzt endlich Station in den sechziger Jahren macht und die alten Stücke des Cuarteto D'Aida anstimmt, geht ein Raunen durch den Saal. Wie elektrisiert reagiert das Publikum auf die alten Klassiker. Jede Modulation in der Stimme, die mit einer Leichtigkeit zwischen den Extremen pendelt als wäre die Tonleiter nach oben wie unten offen, wird gebannt verfolgt. Und als Omara ansetzt die Stimmen ihrer damaligen Partnerinnen Elena Burke und Moraima Secada zu imitieren, hängt der ganze Saal an den Lippen der stimmgewaltigen alten Dame. Am Ende des kleinen Ausflugs in die goldenen Jahre des "Filin" steht das Publikum applaudierend im Saal und zollt der "Novia del Filin", der Braut des Gefühls, Tribut. Auf dem Programm für ihre Konzerte in Europa steht der "Filin" jedoch nicht. Den singt sie nur auf Nachfrage. Schade, denn erst beim "Filin" lotet die Diva das ganze Spektrum ihrer Stimme aus - ein Genuss, den man sich nicht entgehen lassen sollte.
Diskografie (Auswahl) |
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The Essential (Union Sqre, 2006) |
Buena Vista Social Club presents Omara Portuondo (World Circuit, 2002) |
Veinte Anos. Best of Omara Portuondo (Edenways, 2000) |
Palabras (Intuition, 1997) |
Stand: 23.05.2013, 11.58 Uhr
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