Seu Jorge: Origineller Samba-Funk
Mit seinen brummigen Bariton hat der Sänger und Songwriter Seu Jorge aus Rio de Janeiro den brasilianischen Samba-Funk der 60er und 70er auf originelle Weise wiederbelebt. Als Filmstar hat er sich ein zweites Standbein aufgebaut.
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Seu Jorge
Vom Straßenkind zum gefeierten Musik- und Filmstar - die Vita des Samba-Musikers aus Rios Vorort Belford Roxo hört sich wie eine Abenteuergeschichte an. 1970 geboren, schlägt er sich als Halbstarker zunächst mit Gelegenheitsjobs durch. Er verdingt sich als Reifenflicker, Uhrmacher, Schreiner oder Laufbursche, steuert abends immer wieder die Funk-Discos an, die im Rio der Achtziger die Tanzwütigen in ihren Bann ziehen. Schon früh ist dem Burschen klar: Eines Tages will er Sambista sein.
Ein schwerer Schicksalsschlag
Als Sänger in den Bars von Rios Nordzone hat Jorge schon zum Sprung in den Musikbusiness angesetzt, als die Tragödie passiert. Sein Bruder wird bei einem Scharmützel mit der Polizei in der Bäckerei des Viertels getötet. Daraufhin zerfällt die Familie und er hat kein Dach mehr über dem Kopf. Jahrelang irrt er durch die Straßen von Rio. Der Klarinettist Paulo Moura entdeckt ihn und seine charakteristische, bärbeißige Stimme, die trotz aller Bitterkeit nie die Freude am Gesang verloren hat, schließlich für eine musikalische Revue, die sehr erfolgreich wird. Ermutigt durch den Erfolg gründet Seu Jorge die Gruppe Farofa Carioca, in der Samba, Reggae, Rap und Funk zu einem einmaligen Musiktheater verwoben werden.
Sänger und Schauspieler
Ihre CD "Moro No Brasil" wird international beachtet und Jorge findet Eingang sowohl in die Samba- als auch die HipHop-Szene Rios. Mit Mario Caldato, dem Produzenten der Beastie Boys, nimmt er sein erstes Solo-Album in Angriff: Auf "Carolina" feiert er den Samba in seinen verschiedensten Ausprägungen - mal funky, mit lärmenden Blechbläsern mal in intimer, bittersüßer Straßenpoesie. Doch der Komponist, Sänger, Gitarrist, Poet und Produzent hat noch ein weiteres Eisen im Feuer: Das Zelluloid. Er schreibt nicht nur Filmmusikern für die berühmtesten Regisseure Brasiliens, sondern steht auch selbst vor der Kamera. Seine bekannteste Rolle ist wohl die des Mané in "Cidade de Deus" ("City Of God"), Fernando Meirelles' harter Milieustudie aus den Favelas von Rio.
Weg zum Weltstar
Nach seinem zweiten Solo-Album CRU, 2004 mit dem Franzosen Jerome Pigeon aufgenommen, entwickelt sich der Sambista zum Weltstar. Die Konzertstrecke in den USA ist ausverkauft, er kann Stars wie Bill Murray für seine Musikvideos gewinnen und die europäische Fachpresse feiert Jorge als den neuen Helden populärer brasilianischer Musik. 2008 erscheint América Brasil O Disco und erlaubt dem Sänger eine zweijährige Tournee rund um den Globus.
Sei Jorge & Almaz
2010 folgt der nächste Geniestreich: Seu Jorge & Almaz. Das Album besteht ausschließlich aus Cover-Versionen: Vorwiegend von brasilianische In-Tunes von Tim Maia, Paula Lima, oder Baden Powell, aber auch Welthits von Kraftwerk oder Michael Jackson finden sich in der Liste. Die meisten dieser Stücke stammen aus den siebziger Jahren und werden von Seu Jorge und Almaz kräftig mit Space-Appeal aufgeladen und gegen den Strich gebürstet. Mit sphärischer Percussion, einem geradezu geisterhaft grummelnden Bass, schwebenden Gitarrenakkorden und unwirklichen Hall-Effekten zaubert die Formation berückende Space-Balladen hervor.
Songs die Geschichten erzählen
Bereits ein Jahr später folgt Músicas para Churrasco Vol.1 (übersetzt: Songs für Grillpartys), auf dem Seu Jorge die Hörer mitnimmt in den Alltag der Favelas: Jeder Song lebt von einem oder mehreren Individuen, die der Sänger mit viel Ironie, aber auch viel Liebe beschreibt. Man fühlt sich wie in einem Wohnblock mit vielen verschiedenen Mietparteien. Es ist ein Konzeptalbum, wie eine Telenovela im Songformat, und die Fortsetzung erscheint 2015. Brasiliens Musikprominenz ist sich einig: Niemand hat die Vergangenheit des Samba mit der Straßenkultur von heute so authentisch, so integer zusammengeführt wie diese erstaunliche Musiker-Schauspieler-Persönlichkeit.
Seu Jorge im Netz
Titel | Jahr |
---|---|
Músicas Para Churrasco Vol. II | 2015 |
Músicas Para Churrasco Vol. I | 2012 |
Seu Jorge e Almaz | 2010 |
América Brasil | 2007 |
The Life Aquatic Studio Sessions | 2005 |
Cru | 2004 |
Stand: 08.12.2015, 11.58 Uhr
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