Studiogast - Ade Bantu: "Ich will christliche und muslimische Rapper zusammenbringen"
Gerade wurde die Präsidentschaftswahl in Nigeria verschoben. Auf den Straßen wird gegen korrupte Politiker protestiert. Und Boko Haram terrorisiert den Norden des Landes. Der Musiker Ade Bantu steuert dem drohenden Chaos mit kreativen Projekten entgegen.
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Ade Bantu mit Globalista-Moderator Keno Mescher
Wie präsent ist die Bedrohung von Boko Haram in Lagos?
Die physische Bedrohung in Lagos ist nicht unbedingt allgegenwärtig. Aber man hat immer so ein mulmiges Gefühl, dass doch etwas passieren kann. Die Situation ist nicht nur im Nordosten des Landes schlimm. Es gab zum Beispiel auch schon Anschläge in Abuja, der Hauptstadt von Nigeria in der Mitte des Lande In Lagos selbst gab es bis jetzt noch keine Anschläge, aber es gibt sehr viel Polizeipräsenz zum Beispiel an den Flughäfen und wichtigen Brücken. Man bekommt die Spannung alltäglich mit und liest jeden Tag in den Zeitungen von neuen Angriffen und Toten. Für mich ist es schon fast wie ein Wochenendritual: Du weißt schon, wenn du die Sonntagszeitung kaufst, gibt es wieder eine Meldung von 20, 40, 50 oder sogar 100 Toten. In dieser Situation fühlt man sich einfach ohnmächtig. Und die Regierung bekommt die Sache auch nicht in den Griff.
Setzen sich nigerianische Musiker politisch ein, gerade auch vor der Wahl?
Die Kinder von Fela Kuti (Afrobeatlegende, Anm. d. Red.), Femi und Seun Kuti, machen Protestmusik, sie setzen die Tradition ihres Vaters fort. Ihre Musik ist aber nicht gerade populär in Nigeria. Afrobeat wird nicht oft in den Radios gespielt. Vielleicht mal spät abends oder als Sendungsfüller. Deshalb ist es schwer einzuschätzen, welchen Einfluss ihre Musik auf die Menschen hat. Trotzdem ist es so, dass es Künstler gibt, die auch politische Musik machen - aber nicht so offen wie die Kutis oder ich. Bei mir hat es vielleicht auch etwas mit meinem Hintergrund zu tun. Weil ich lange in Deutschland gelebt habe, bringe ich vielleicht auch eine andere Tradition der Protestmusik mit. Was in Nigeria noch dazukommt: Viele junge Künstler und Künstlerinnen sind abhängig von Sponsoren. Es gibt hier auch keine richtige Struktur in der Musikindustrie, keine richtigen Labels. Deswegen sind die Musiker sehr vorsichtig, weil sie Angst haben potenzielle Geldgeber zu verärgern. Sie sind immer vorsichtig, wie weit sie sich aus dem Fenster lehnen. In der Radiolandschaft spiegelt sich das natürlich auch wieder - da wird einfach nur oberflächliche Dance Music gespielt. Popmusik spiegelt deswegen in Nigeria nicht die gegenwärtigen Probleme der Gesellschaft wider.
Du veranstaltest in Lagos die Konzertreihe Afropolitan Vibes. Wie kam es dazu?
Ich bin vor sechs Jahren nach Nigeria zurückgekehrt. Ich habe damals mein Zentrum von Köln nach Lagos verlagert. Als ich ankam, habe ich gemerkt, dass hier Plattformen für alternative Musik fehlen. Ich habe dann eine Konzertreihe mit Gleichgesinnten ins Leben gerufen, um eine Szene für alternative Musik aufzubauen. Das habe ich vor zwei Jahren mit meiner 13-köpfigen Band angefangen. Wir laden Gäste ein, proben mit den Musikern und machen dann eine dreistündige Show. Das Publikum ist da jetzt mittlerweile sehr offen geworden. Das ist schön, wir betreiben da so eine Art "Edutainment": Wir bilden und unterhalten die Leute zur gleichen Zeit. Afropolitan findet immer am gleichen Ort statt. Es ist eine alte Gefängnisanlage - die wurde von den britischen Kolonialherren erbaut. Mittlerweile heißt es Freedom Park. Wo unsere Bühne jetzt steht, wurden früher Menschen hingerichtet. Unser Motto: Aus Leid wird Leben.
Du gibst dort auch Workshops - was vermittelst du dort?
Ich habe ein Projekt mit christlichen und muslimischen Rappern gemacht. Was mir wichtig war: Einen Dialog zwischen den beiden Religionen über Musik anstoßen. Rap ist eine Jugendkultur und das CNN der Straße. Ich wollte damit christliche Rapper und muslimische Rapper zusammenbringen. Wir sind dann auf eine Reise gegangen. Von Lagos nach Kano, eine der wichtigsten Städte im Norden von Nigeria. Da haben wir dann zusammen ein Album gemacht. Es gab auch Konzerte, wo wir einige der Songs vorgestellt haben. Es war vor allem interessant zu sehen, wie das Publikum damit umgeht. Es gab ziemlich großen Zuspruch. Das hat uns motiviert zu sagen, man muss diesen Dialog immer wieder anstoßen. Bei einem anderen Projekt gehen wir in benachteiligte Stadtviertel, vor allem in Lagos. Da bieten wir dann Workshops in den Bereichen Tanz, Musik und Theater an. Die drei Kunstformen fusionieren wir und organisieren ein öffentliches Spektakel, Performances auf Märkten oder auf der Straße. Damit wurden wir auch nach Durban zu der Weltklimakonferenz eingeladen.
Stand: 14.02.2015, 12.00 Uhr
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