Syrischer Rap-Pionier Murder Eyez "HipHop bedeutet für mich Revolution"

Von Johanna Esch

Abdul Rahman war in seiner Heimat ein Star. Als Murder Eyez war er einer der bekanntesten und ersten Rapper Syriens. Vor drei Jahren ist er aus Aleppo geflogen. Ein Interview über die Silvesterübergriffe in Köln, den Bürgerkrieg in Syrien und sein neues Leben in Deutschland.


Abdul Rahman aka Murder Eyez neben Moderatorin Johanna Esch
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Abdul Rahman aka Murder Eyez neben Moderatorin Johanna Esch.


Du hast in einer viel beachteten Videobotschaft zu Silvester-Übergriffen in Köln Stellung bezogen. Warum?

Vor allem, weil mir die Frauen leidgetan haben. Ich möchte aber auch sagen, dass Syrer damit nichts zu tun haben. Es ist nicht so, dass wir aus der Wüste gekommen wären und vorher noch nie Frauen gesehen hätten. Wir kommen aus einem zivilisierten Land. Auch wenn es jetzt zerstört ist. Außerdem habe ich eine Nachricht für diese Leute: Wenn du schlecht sein möchtest, stiehlst und solche Sachen machst, geh‘ zurück in dein Land! Denn diese Leute, diese wenigen Leute, zerstören den Ruf und die Zukunft von tausend anderen. Ich möchte allen sagen: Wir sind dagegen und wir kämpfen an eurer Seite.

Du sagst in dem Video: "Wir müssen uns an die Gesetze und die Lebensweise in Deutschland halten." Gibt es Sachen, die komplett neu für dich gewesen sind, als du hierhin kamst?

Ja. Zum Beispiel Homosexualität. Ich bin im Mittleren Osten aufgewachsen und dort ist so etwas absolut verboten. Die ganze Gesellschaft hat diese Leute angegriffen, sie wurden ausgestoßen. Diese Denkweise hatte ich am Anfang dadurch auch. Ich hatte keine anderen Erfahrungen gemacht. Aber als ich hierhin kam, lernte ich Homosexuelle kennen. Ich sah, wie sie Obdachlose und Flüchtlinge unterstützen und wie sie Kleidung spenden. Das hat mich beeindruckt. Und mein Verhalten und meine Einstellung komplett geändert. Sie haben meinen vollen Respekt.

Dein neuer Song heißt "Syrian Speech". Worum geht es?

Der Song handelt von drei Themen: Die Situation in Syrien, die Reaktion der Welt darauf, und vor allem ist er gegen die radikale islamistische Bewegung, die den wahren Islams zerstören. Das Stück ist gegen Terroristen und gegen jeden, der im Namen der Religion tötet und Verbrechen begeht.

2013 bist du aus Syrien nach Deutschland gekommen. Wie kam es zu deiner Flucht?

Am Anfang sind wir von Gegend zu Gegend gezogen. Der Krieg hat uns verfolgt und wurde größer. Ich habe gesehen, wie viele Menschen getötet wurden - durch Attentate, Bomben oder Heckenschützen. Das geschah im Namen von verschiedenen Seiten. Ich sage nicht, das nur eine Seite daran Schuld ist. Es war nicht leicht. Ich habe das alles miterlebt. Ich habe Leichen auf den Straßen liegen gesehen, wir konnten sie wegen der Heckenschützen noch nicht mal von dort wegholen. Diese ganzen Erinnerungen verfolgen mich noch bis heute jeden Tag. Manchmal sehe ich irgendeinen Mist auf der Straße und dann kommt alles zurück. Ich wollte auch weg, um nicht selbst zwischen die Fronten zu geraten und für eine bestimmte Seite im Krieg zu kämpfen. Ich möchte nicht meine Leute, meine Freunde oder Verwandten töten oder von ihnen getötet werden. Es ist ein schmutziger Kampf, und ich will da nicht mitmachen.

Du bist einer der HipHop-Pioniere Syriens. Wie war die HipHop-Szene dort vor dem Krieg?

In Syrien bin ich berühmt. Ich bin vermutlich der älteste Rapper in Syrien. Ich habe angefangen, als es noch kein Internet gab, keine Computer, nichts. Man könnte sagen, dass ich den Weg geebnet habe. Ich wurde verhaftet. Wegen HipHop. Sie sagten: “Du machst Teufelsmusik.” Ich bin aufgetreten und sie meinten: "Dieser Mann macht satanische Veranstaltungen und lädt dazu ein, Satan zu verherrlichen." Aber ich habe weitergemacht. HipHop bedeutet für mich Revolution.

Jetzt bist du in Deutschland. Was können wir hier in Zukunft von dir erwarten?

Ich habe einige Pläne. Ich bin natürlich nicht hierhin gekommen, um mich zu Hause zu verkriechen. Alles, was ich brauche, ist eine kleine Chance. Ich werde meine Pläne und Projekte verfolgen - in Musik, Grafik und Videos. Ich möchte Orientalisches und Europäisches miteinander vermischen. Ich werde mit meinen deutschen Freunden zusammen arbeiten, um etwas Neues zu schaffen. Wenn man Kulturen zusammenbringt, kann Großartiges dabei herauskommen.