Süperunterwegs - "El Chepe" Mexikos letzte Bahnreise

Von Jannis Carmesin

Weil Mexikos Norden stereotyp für trockene Wüstenlandschaft, Migrantenschicksale und Drogenhandel an der US-Grenze steht, verirren sich nur wenige Touristen in die Gegend – und verpassen so eine charmante Zugfahrt durch eine der spektakulärsten Szenerien des Landes.


Reisetipp - El Chepe
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Der Grund meiner Reise ist alt, langsam und stinkt gewaltig nach verbranntem Diesel. Als Mexikos letzter Personenzug "El Chepe", ein charmantes Ungetüm mit schnaufender Lok und weichen Polstersitzen, um sechs Uhr morgens aus der Provinzhauptstadt Chihuahua rollt, ist es noch eiskalt und stockdunkel. Halb wach, halb dösend, beobachte ich den Sonnenaufgang. Mühsam klettert die Sonne über den Horizont und beleuchtet eine karge Landschaft, die sich für die nächsten drei Stunden kaum verändern wird: bis zum Horizont nur hellgelbe Büsche und Gräser, hin und wieder eine verfallene Siedlung und hier und da ein paar wenige Pick-Up-Trucks.


Reisetipp - El Chepe
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Aussicht auf eine der vielen atemberaubenden Landschaften

Es ist die karge Einleitung einer Tour durch spektakuläre Landschaften: Aus dem staubigen Chihuahua tuckert der Chepe hoch in die Berge und dann runter in Richtung Pazifikküste, bis er nach 16 langen Stunden in Los Mochis zum Halten kommt. Auf dem Weg durchfährt er verschiedene Klima- und Landschaftszonen und vor allem: die "Barrancas del Cobre", die Kupferschluchten, größer und tiefer als der bekannte Grand Canyon in den USA. Einen guten Blick auf die Schluchten hat man von der Aussichtsplattform in Divisadero, wo der Zug planmäßig einen zwanzigminütigen Stopp macht.

Creel, den wegen der Nähe zu vielen Sehenswürdigkeiten klassischen ersten Ausstieg entlang der Strecke, überspringe ich und fahre stattdessen weiter nach Bahuichivo, von wo aus mich ein Kleinbus in das Dörfchen Urique bringt. Urique liegt an einem strahlend blauen Fluss an der tiefsten Stelle eines 1900 Meter tiefen Canyons. Wenn hier nicht gerade der jährliche Ultramarathon stattfindet, nimmt kaum ein Tourist die lange Reise auf sich. Dabei gibt es entlang des Flusses viele interessante Wanderrouten und einen atemberaubenden Sonnenuntergang, der die Spitzen des Canyons jeden Abend grell-orange färbt. Man sollte sich aber immer über die aktuelle Sicherheitslage informieren: Die Gegend um Urique war in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz des Kampfes zwischen zwei Drogenkartellen. Die Zugfahrt im Chepe selbst gilt hingegen als sicher.


Stand: 19.11.2015, 10.00 Uhr