CD der Woche - Low Fidelity Future Roots

Von Adrian Nowak

Tom Fire schickt dubbige Grooves mit Pop-Appeal auf dezenten Dubsteprampen in die Global-Pop-Zukunft. Auf seinem zweiten Album trifft sich die Familie: Winston McAnuff aus Jamaika, Soom-T aus Glasgow und die Brasilianerin Flavia Coelho, mit der Tom Fire auch bei "Big Up! Berlin" auftritt.


Tom Fire: Low Fidelity
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Tom Fire: Low Fidelity

Er war ausgelaugt. Seit seinem erfolgreichen Solo-Debüt "The Revenge" von 2011 war Tom Fire viel unterwegs, nebenbei produzierte er Remixe und arbeitete viel im Hintergrund. Als er sich wieder in seinem Pariser Studio an Solomaterial machte, musste er erst mal eine neue Klangfarbe finden. Er experimentierte mit härteren, elektronischen Sounds etwa aus dem Dubstep. So richtig zufrieden war er aber erst, als er diese Experimente mit seinen musikalischen Wurzeln verbunden hat.

Vom Konservatorium in den Club

Camille Ballon, wie Tom Fire bürgerlich heißt, kommt aus Angers im Westen Frankreich. Seine Eltern sind Musiker und Klassikliebhaber. Statt einer großen Plattensammlung gibt es zuhause zahlreiche Partituren, Camille begeistert sich schon als Kind für Musik, lernt Klavier und Kontrabass. Er entdeckt mit 10 Jahren den Jazz, zwei Jahre später experimentiert er schon am Atari. Als Teenager verdient er sich sein Taschengeld als Barpianist, spielt in Orchestern und tourt schon als 18-jähriger mit verschiedenen Musikern aus den Bereichen Chanson, Rock und Electro. Neben diesen Stilen faszinieren ihn auch urbane Clubsounds zwischen Reggae, HipHop und Breakbeats. Zu dieser Zeit zieht er nach Paris, eine Stadt, in der Musiker aus aller Welt zusammenkommen.

Global Pop Mekka

In der Global-Pop-Hauptstadt wird er Teil eines Künstlerkollektivs rund um das Label Chapter Two und arbeitet als Musiker und Tontechniker mit Künstlern wie der Chanson-HipHop-Gruppe Java um Akkordeonist Fixi, dem Rapper und Blues-Barden Lëk Sèn aus dem Senegal oder Reggaeveteranen Winston McAnuff. Auf "Low Fidelity" hört man eine Mischung aus instrumentalen Tracks und Vocalstücken. Wieder klingen die Songs melodiös und freundlich, nur die Beats kommen kantiger und weniger organisch daher. "Hoo Ver" verbindet Dubstepelemente mit verspielt-hypnotischen Synthienmelodien, "Original" mischt hektischen Juke mit Ragga-Samples, und auf "Tomorrow" ist verträumter Deep House zu hören.

Reggae, Rap und Radiohits

Tom Fire versammelt wieder eine bunte Mischung aus jungen Talenten und verdienten Veteranen, unter anderem die kanadische Singer-Songwriterin Melissa Laveaux, den Jamaikaner Winston McAnuff und Flavia Coelho. Die Brasilianerin begleitet Tom Fire auch oft bei seinen intensiven Live-Shows. Auf "No Ceu" verbindet sie einen sanft gesungenen Chorus mit melodiös gerappten Strophen. Interessant ist auch der Auftritt des jamaikanischen Sängers und Produzenten Linval Thompson. Statt wummernden Bässen hört man hier ein leichtfüßiges Klavier auf einem HipHop-Beat und dazu einen sozialkritischen Text über die harten Lebensbedingungen in Jamaika. Besonders gut verstanden hat sich Tom Fire mit der in Schottland lebenden Rapperin und Sängerin Soom T., die hier gleich zwei Mal vertreten ist. In Songs wie "Take A Walk" und "Good Love" mischt sie Pop-Hooks mit quirligen Raps, in denen man ihre indischen Wurzeln heraushört.



Stand: 14.11.2015, 00.00 Uhr