Der Soundtrack von... - Bitty McLean Goldkehle des britischen Reggae

Reggae-Sänger Bitty McLean erzählt von seinen musikalischen Einflüssen, von der prägenden Zeit der britischen Soundsystems in den 80er Jahren und von einem ersten Job bei UB40.


Bitty McLean - Corner Stone_Teaser
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Bitty McLean aka Delroy McLean wuchs in Birmingham auf, studierte in Liverpool Tontechnik und arbeitete später für die Reggae-Band UB40. Seinen Spitznamen "Bitty" bekam er, da er der jüngste und kleinste in der Familie war.

Sein Vater hatte ein Soundsystem in Birmingham. Auch Bitty McLean sang bereits als Teenager bei unterschiedlichen Soundsystems.

Zu seinen musikalischen Inspirationen gehören Altmeister Charlie Parker am Saxofon und US-Soul-Legende Curtis Mayfield.

Kurz nach seiner Zeit bei UB40 landete Bitty 1993 seinen ersten Hit "It Keeps Raining", der in die Top 10 der britischen Charts einstieg. Seitdem veröffentlichte er acht Alben, zwischen Reggae, Soul und Lovers Rock.

2004 brachte er sein Album "On Bond Street" raus, bei dem er alte Riddims vom jamaikanischen Treasure Isle-Label mit seinem ganz persönlichen modernen Sound mixte - ein Rocksteady-Rivival war geboren.

Sein letztes Album "The Taxi Sessions" entstand in Zusammenarbeit mit Sly and Robbie.

Wer bist du?

Ich heiße Bitty McLean. Ich bin in Birmingham geboren. Ich bin Sänger, Songwriter und Tontechniker. Musik ist meine Karriere.

Was ist deine erste Erinnerung an Musik?


Jimmy Cliff 2015
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Jimmy Cliff (2015)

Meine erste Erinnerung an Musik hat mit meinem Vater zu tun. Der legte bei uns zu Hause Musik auf seinem Soundsystem auf. Ich sah wie er sich seine Plattensammlung anschaute, und Musik für eine Party vorbereitete. Das war oft Freitag -oder Samstagabend. Ich erinnere mich auch noch an die Valve-Verstärker, die großen Lautsprecher und die Plattenspieler. Damals war ich vielleicht drei oder vier. Er legte zu Hause Jazz und RnB auf. Künstler wie Louie Jordan, Fats Domino und Wynonie Harris. Und er spielte auch viel Ska, Jimmy Cliff und Owen Gray. Also das, was in Jamaika angesagt war. Und er spielte amerikanischen RnB, aus seiner Teenagerzeit. Diese Musik legte er auch auf Parties auf.

Welches Album hast du dir zuerst gekauft?

Das erste Album, dass ich gekauft habe war "Confrontation" von Bob Marley. Das kam nach Bob Marleys Tod raus. Ich glaube 1982. Ich war damals auf Klassenfahrt und hatte 10 Pfund Taschengeld dabei. Unterwegs ging ich an einem Plattenladen vorbei und sah im Schaufenster "Confrontation". Das ganze Geld, das ich für die Klassenfahrt gespart habe, hab ich für die Platte ausgegeben. Ich wollte sie vor allem wegen dem Song "Trench Town". Den hatte ich vorher im Radio gehört. Alle dachten ich bin verrückt. Anfang der 80er Jahre waren 10 Pfund viel Geld. Und ich hatte danach kein Geld mehr um mir Süßigkeiten oder andere Sachen zu kaufen. Aber ich war trotzdem überglücklich. Bis heute Liebe ich diese Platte: "Confrontation".

Wie wichtig waren die Soundsystems damals?

Soundsystems waren damals ein wichtiger Einfluss für alle Künstler. Als ich 12 war, stand ich immer neben dem Soundsystem und hoffte, dass ich einen oder zwei neue Songs singen darf. Es gab Hunderte junger Kids, die das gleiche machten. Es gab sehr viele Soundsystems. Es war ein Trend. Wenn du nicht selbst Teil von einem Soundsystem warst, dann kanntest du jemanden, der bei einem Soundsystem ist. Vielleicht deinen älteren Bruder oder seinen Kumpel. Es war ein Teil unserer Nachbarschaft.

Wenn du eine Zeitmaschine hättest, die dich zu einem historischen Musikereignis bringen könnte, wohin würdest du reisen?

Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, würde ich gern ein Konzert mit allen Motown Stars auf einmal sehen. Das wäre eine Show für die Ewigkeit. Marvin Gaye, die Temptations, Supremes und Smokey Robinson - alle an einem Abend. Das wäre der Wahnsinn. Charlie Parker hätte ich auch gerne gesehen. Denn ich liebe einfach das Saxofon als Instrument. Das ist ein Instrument, dass ich gerne spielen würde. Charlie Parker ist ein Künstler, dessen Platten man von vorne bis hinten durchhören kann. Du musst nicht weiterskippen. Er hat dieses natürliche Feeling. Beim Bepob ging es um diesen rauen Sound. Es war eine andere Zeit. Denn damals spielten die Musiker einfach drauflos. Man konnte im Nachhinein nichts mehr ändern. Man spielte einfach auf eine raue und direkte Art. Es ist toll sowas zu hören, Musiker wie John Coltrane oder Charlie Parker.

Welchen Soulsänger magst du besonders?

Curtis Mayfield höre ich mir immer gerne an, er inspiriert mich einfach, wenn ich etwas schreiben will. Oder auch wenn ich mir einfach nur Gedanken über Musik mache. Curtis Mayfield war einer der größten Songwriter aus den USA. Und leider sehr unterschätzt. Mayfield und die Impressions haben mein Songwriting sehr beeinflusst. Sie hatten einfache Texte, die aber sehr wirkungsvoll waren. Ich mag alles von Curtis, vor allem das Lied "Choice Of Colours".

Was waren deine ersten Schritte im Musikgeschäft?


UB40
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UB40

Meine Karriere im Musikgeschäft begann als Tontechniker. Ich habe das zwei Jahre lang studiert, einer meiner Dozenten war Alan Caves. Der hatte vorher mit UB40 gearbeitet. Er brachte mir viel bei und erkannte mein Potential. Ich war immer im Studio, und habe schnell gelernt. Nach dem Studium gingen viele zum Radio, ich arbeitete im PA bereich. Ich stellte Equipment zusammen für Gruppen wie Simply Red, Metallica und UB40, das sie dann auf Tour mitgenommen haben. Doch ich wollte eigentlich was anderes machen. Also ging ich nochmal zu Alan, und er rief UB40 an. Sie waren gerade auf der Suche nach einem Assistenten für ihr Studio. Er empfiehl mich weiter und dann habe ich da drei Jahre gearbeitet. Von 1990 bis 1993. Das war mein erster Job im Musikgeschäft. Als Tontechniker.

Gibt es eine bestimmte Erinnerung an die Zeit mit UB40?

Ich habe viele schöne Erinnerungen an die Zeit mit UB40. Ich habe zum Beispiel den Background Gesang auf ihrem Nummer eins Hit "I Cant Help Falling In Love" gesungen. Während der Aufnahme Session haben erst Ali und Robin Cambell gesungen. Dann meinten sie: "Hey wir brauchen eine dritte Stimme. Bitty wie geht die? Ich sang es vor und dann schickten sie mich in die Gesangskabine. Der Song wurde zu einem Welthit."

Welche Platte hat dein Leben verändert?

Welche Platte mein Leben verändert hat? Das ist eine schwere Frage. Ich denke das wäre wohl einer meiner eigenen Songs: "It Keeps Raining". Im Original ist das Stück von Fats Domino. Ein Stück, dass mein Vater in seiner Plattensammlung hatte und dass ich als Kind oft gehört hatte. Ich habe den Song im Dezember 1992 aufgenommen. Als er dann im Juli offiziell raus kam, war er nach fünf Wochen in den britischen Top Ten und lief überall. "It Keeps Raining" hat für mich alles verändert.

Was ist das Besondere an dem Treasure Isle-Sound?

Der Sound von Treasure Isle Records ist einzigartig. Für mich ist es eines der besten Labels aus Jamaika. Studio One ist am bekanntesten, doch Treasure Isle hatte einen besseren Sound, und die Musiker waren kreativer. Sie spielten sehr diszipliniert. Das hört man, wenn man Treasure Isle-Produktionen mit Aufnahmen von anderen Produzenten aus der Zeit vergleicht - zum Beispiel mit Studio One oder Prince Buster. Bei den Sessions ging es sehr streng zu, denn der Chef von Treasure Isle, Duke Reid, war früher Polizist. Und er ballerte sogar im Studio mit seiner Knarre herum. Aber ich glaube das sorgte dafür, dass die Musiker es nicht wagten Fehler zu machen. Sie wussten, wenn sie bei Reid im Studio sind, dann müssen sie Hits einspielen. Und das haben sie getan.

Welches Konzept hatte das Album "On Bond Street"?

Das Konzept von dem Album “On Bond Street” war ähnlich wie das von "It Keeps Raining". Ich benutzte Elemente aus klassischen Aufnahmen und gab ihnen eine moderne Note. Es gibt also nichts neues an dem "On Bond Street"-Konzept. Sowas hatte ich schon 1992 gemacht. Das besondere war, dass es sich nicht an aktuellen Trends orientierte. Dancehall war damals sehr angesagt. Und den Sound der Treasure Isle-Ära hatte man schon lange nicht gehört. Die Riddims auf "On Bond Street" wurden seit den 70ern nicht mehr benutzt.

Weshalb hast du "Walk Away From Love" von David Ruffin gecovert?

Auf dem "On Bond Street"-Album wollte ich einen Song covern, den Alton Ellis früher auch gecovert hätte. Er sang ja Songs wie "Willow Tree" und "Aint That Loving You". Alte amerikanische Soul Songs. Ich wollte also einen Song finden, der zur Rocksteady-Ära passt. Der damals auch popular war. Als ich "Walk Away From Love" von david Ruffin gehört habe, da hat es klick gemacht. Ich hörte mir dann den Rocksteady-Riddim an und sang dazu "Walk Away From Love". Da war mir klar: das ist der Soul Klassiker der auf "On Bond Street" drauf muss.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Sly and Robbie?


Sly and Robbie
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Ich habe Sly and Robbie bei einer Show der BBC kennengelernt. Das war Weihnachten 1994. Sie spielten mit mir, Chaka Demus & Pliers und Aswad. Jeder durfte zwei Stücke singen. Das war unser erstes Treffen. 1995 bin ich nach Jamaika gereist und wir haben zusammen ein Album aufgenommen. Das war eine tolle Erfahrung. Denn wir waren zusammen im Studio und ich konnte sehen wie kreativ sie sind. und wie schnell sie arbeiten! Du gibst ihnen eine Idee und dann heisst es gleich: Aufnahme! Sie produzieren Riddims am Fließband. Nach dem "On Bond Street"-Album, haben wir uns wieder kurzgeschlossen. Das war auf Initiative von meinem Freund Guillaume Bougard, der den Online Vertrieb für Sly and Robbie macht. Er sagte zu mir: "Komm wir fliegen nach Jamaika, und da machst du dann Musik mit Sly and Robbie."


Stand: 13.05.2015, 17.27 Uhr