Süpertunes - Lianne La Havas | Benjamin Biolay Dicker als Wasser & Ein Kleinbürger als Dandy

Von Christian Werthschulte

Lianne LaHavas changiert auf ihrem zweiten Album zwischen Airplay-R&B und akustischer Ehrlichkeit. Benjamin Biolay covert melancholische Songs des Chansonniers Charles Trenet


Lianne La Havas - Blood
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Lianne La Havas - Blood

Lianne La Havas: Blood (Warner)

Oha, was ist denn da los? "Blood" nennt die britische Songwriterin Lianne La Havas ihr neues Album. Mit Gewaltfantasien hat das aber nichts zu tun, sondern mit ihrer Familie. Blut ist dicker als Wasser und so. Die in London aufgewachsene Tochter einer Jamaikanerin und eines Griechen hat ihr zweites Album unter dem Eindruck einer Reise nach Jamaika aufgenommen, wo man Musik der Musik wegen hört, wie sie im Interview erklärt.

Ein Mash-Up an R&B-Stilen

Ein Reggae-Album ist "Blood" aber trotzdem nicht geworden, auch wenn Songs wie die Single "Unstoppable" für einen Radio-Pop-Song recht basslastig daherkommen. Vielmehr scheint es, als würde Lianne La Havas an ihrer eigenen Variante von Soul als Mash-Up anderer Soul-Spielarten arbeiten. "Midnight" erinnert mit einem schnippsenden Rhythmus an den Neo-Soul der 90er Jahre, "What you don't do" ist eine Retro-Soul-Nummer im Stil von Adele oder Amy Winehouse und über dem ganzen Album liegt der lange Schatten von britischen Soul-Sängerinnen der 90er Jahre wie Gabrielle und der wunderbaren Nicolette. Auch Lianne La Havas und ihre Producer kennen die Popgeschichte.

Die Ehrlichkeit der Akustikgitarre

Aber es gibt noch eine zweite Lianne La Havas auf "Blood". Man hört sie in der zweiten Hälfte des Albums, wenn sie die Breitwandproduktion zurückfährt und stattdessen die Akustikgitarre und das Rockschlagzeug hervorholt. Dann kann Lianne La Havas auch ihre größte Stärke ausspielen: ihre Stimme, die im Vibrato die Eindrücke einer Reise schildert oder eine unglückliche Liebe besingt. "Blood" ist ein vielseitiges Album, das von Lianne La Havas' Stimme zusammengehalten wird. Auf ihrem Debütalbum war eine Singer-Songwriterin, jetzt ist sie auf dem Weg zum All-Round-Popstar.

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Benjamin Biolay - Trenet
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Benjamin Biolay - Trenet

Benjamin Biolay: Trenet (Barclay)

Das Erbe der französischen Chansonniers hat in der Gegenwart wohl niemand passgenauer angetreten als Benjamin Biolay. Seinen Fans gilt er als wiederauferstandener Serge Gainsbourg. Er ist bekennender Sozialist und dandyesker Bohemien. Trotzdem hat Biolay immer abgestritten, in der Tradition der Chansonniers zustehen und stattdessen Morrissey und Brian Ferry als seine Vorbilder benannt. Jetzt hat er ein Album mit Coverversionen vorgelegt - nicht mit Stücken von Gainsbourg, sondern von George Trenet.

Der Dandy singt Lieder des Kleinbürgers

Trenet ist einer der bekanntesten Chansonniers Frankreichs. Er war ein Poet und hat unvergessliche Lieder geschrieben. Trotzdem war er eine zwiespältige Persönlichkeit. In der Öffentlichkeit ist er immer mit lustigem Hut und rollenden Augen und oft übertrieben gut gelaunt aufgetreten. In Wahrheit war er verletzt und verschlossen, ein Homosexueller, der sich nicht outen konnte. Er hat Lieder für Yves Montand geschrieben, sein Song "La Mer" ist über 4.000 Mal aufgenommen worden. Trenets Karriere begann schon in den 1930ern und setzte sich während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg bis weit in die 90er Jahre fort. Auf "Trenet" covert Benjamin Biolay zwölf seiner Lieder, mal mit Klavier und Streichorchester, dann in kleiner Barbesetzung mit Piano und Schlagzeug. "Trenet" ist ein sehr intimes Album geworden, die Aufnahme erweckt den Eindruck, als würde Biolay direkt vor einem in der Bar sitzen und singen.

Melancholische Heiterkeit

Biolay spielt die Lieder von Trenet mit einem melancholischen Grundton. "En avril á Paris", im Original ein Stück über den Frühling in der Hauptstadt der Verliebten. Biolay kehrt die melancholische Seite des Songs hervor, spielt ihn am Klavier und macht daraus ein Lied, bei dem die Liebe schon vorbei ist. Auf die gleiche Weise funktioniert das gesamte Album. Biolay weiß, dass die große Zeit der Chansonniers vorbei ist und er nur noch melancholisch darauf zurückblicken kann. Also treibt er die Melancholie auf die Spitze und umschifft damit die gefährlichste Klippe eine Coveralbums: die kitischige Kopie des Originals.



Stand: 30.07.2015, 21.00 Uhr



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