Süpertunes - David Bowie | Äl Jawala Vermächtnis & The Party Goes On

Von Johannes Paetzold

Die Welt trauert um David Bowie. Drei Tage vor dem Tod veröffentlichte er "Blackstar". Aber ist das Album auch ein würdiger Abschied? Und Äl Jawala, eine fünfköpfige Balkan-Beat-Band aus Freiburg, löst sich von den Vorlagen und bringt mit "Hypnophonic" ein Popalbum mit Exkursionen in Swing und Rap heraus.


David Bowie - Blackstar
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David Bowie - Blackstar

David Bowie - "Blackstar" (Sony Music)

Bowies 25. Album wurde ein Schwanengesang. Es hatte Hinweise gegeben, aber keiner wollte ihnen Glauben schenken. Erst vor wenigen Wochen ließ Bowie über seinen Manager verlauten, er würde nie wieder touren. Aber dann erschien "Blackstar" und die künstlerische Kraft dieses Albums, trotz aller dunklen Töne, überzeugte uns: Bowie bleibt weiter auf der Höhe seines Schaffens. Nun stirbt Lemmy mit knapp 70 und Alan Rickman mit 69, so wie Bowie. Zahlenspieler fragen sich: Ist 69 die neue 27?

"Blackstar" hat mit Bowies Tod sicher eine ganz neue Bedeutung bekommen. Aber auch ohne den Tod an der Seite ist es ein fantastisches Album - da waren sich die Rezensenten noch zu seinen Lebzeiten vergangene Woche einig. Alleine das Titelstück nimmt einen komplett mit in seiner zehnminütigen Elegie. Auf einem synkopierten Drumbeat gleitet das Stück entlang, manchmal mit arabisch anmutenden Melodien, manchmal mit Anklängen aus dem Krautrock. Dazu Bowies Stimme - erzählend, fragil oder pastoral von der Kanzel - so, wie es der Song gerade braucht. Bowie erzählt uns, was er alles nicht ist: Kein Popstar, kein Filmstar sondern ein Blackstar.

Kein Rock 'n' Roll

Dieses Album hat nur sieben Songs und ist nur 40 Minuten lang. Aber "Blackstar" ist kein Fragment, sondern ein ausgereiftes Statement. "Blackstar" orientiert sich nicht am letzten Album, das vor zwei Jahren erschienen ist und nostalgisch auf Bowies Berliner Zeit schaute. Bowie macht das, was er bis zum Schluss am besten konnte: Er erfindet sich wieder einmal neu. Die Abmachung mit seinem Produzenten Tony Visconti war: Wir wollen keinen Rock 'n' Roll. Während der Arbeit haben die beiden den US-Rapper Kendrick Lamar gehört, sie wollten die Tiefe und Vielschichtigkeit aus Lamars Album "To Pimp A Butterfly". Und unter diesem Blickwinkel fällt einem das Verständnis von "Blackstar" leicht.

Diese Stimme

Natürlich denken wir an Todesvorahnungen, wenn er singt "This way or no way, I'll be free". Aber auch einfach dunkle Geschichten aus dem 17. Jahrhundert hören wir von ihm neu erzählt im Song "'Tis Pity She's A Whore". Dunkle, kleine Fieberträume sind das. Bowie hat diese Stimmung auch beeindruckend in den dazugehörigen Videoclips visualisiert, wo er auf dem Krankenbett mit Augenbinde als "Lazarus" liegt. Aber Bowies Stimme klingt nicht nach einem Todgeweihten. Er switcht mühelos zwischen Falsett und Bruststimme hin und her in Liedern wie "I Can't Give Everything Away", dem stärksten Stück neben dem Titelsong. Man kann diesem Zusammenspiel von sanften Saxophon-Spielereien stundelang zuhören, dazu die weitflächigen choralen Keyboardharmonien und Bowies pastoraler Stimme. "I Can’t Give Everything Away" - Ich kann nicht alles verraten. Nein, dass tut er auf "Blackstar" nicht, aber er lässt uns an unheimlich viel teilhaben.

Was für ein Abgang

Hier hat sich einer der wichtigsten Popstars dieses Planeten einmal mehr in die Rolle des Outsiders begeben, diese Rolle, die er dutzendfach gespielt und gelebt hat. Inzwischen wissen wir, dass er glaubte, noch länger leben zu können. Tony Visconti, sein Produzent seit den 60er-Jahren, sagte, es gibt noch mindestens fünf unveröffentlichte Demostücke. Für uns ist "Blackstar" das finale, unheimlich wertvolle Statement mit einem Song wie "Lazarus", der mit den Worten beginnt: "Look here, I'm in heaven". Das ist er neben Lemmy und all den anderen da oben. Aber hier unten wird er schmerzlich vermisst.



Äl Jawala - Hypnophonic
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Äl Jawala - Hypnophonic

Äl Jawala - Hypnophonic (Jawa Records)

Die Gruppe Äl Jawala kommt aus Freiburg und "Hypnophonic" ist ihr drittes Album: zwölf Tracks mit der ganzen Bandbreite der Balkanbeats. Balkan stimmt zwar immer noch als Referenzpunkt, aber musikalisch haben sich Äl Jawala kräftig weiterentwickelt. Zum Beispiel im Song "Road To Eldorado", ein Roadmovie in Text wie Surfgitarrensound und Morricone-Western-Anleihen. Äl Jawala sind gereift genug, um vom Uptempo auch mal abzulassen und ihren Songs auch in langsamer Taktart zu vertrauen. Gastrapperin Rukie reitet auf dem Groove der "Road to Eldorado". Äl Jawala gehen vom reinen Partysound und Instrumentalstücken über zu mehr Songs, Pop, Wiedererkennbarkeit – und holen sich dazu eine ganze Palette von Gastsängern: Soulman Flo Mega, Bayan Faroun aus dem Nahen Osten, Mamoudou Doumbaye aus Guinea. Und Saxophonistin Steffi Schirmer singt diesmal ebenfalls mit.

Balkan Big Band

Äl Jawala bevorzugen jetzt für ihre Musik "Balkan Big Band" als Begriff. Genau wie Shantel mit seinem Album "Viva Diaspora" gerade einen großen Schritt weg vom reinen Balkan unternommen hat, genauso haben auch die Freiburger neue musikalische Gebiete erforscht: Rap und Ska in Stücken wie "Intergalactic Medusa", arabeske Schnörkel und den Gypsy Swing im "Voodoo Rag". Bei diesen Songs merkt man, dass Äl Jawala im 15. Jahr ihres Bestehens nicht auf der Stelle treten wollen.

Party und Tiefgang

Natürlich haben Äl Jawala als Straßenmusiker begonnen und haben als Live-Band zusammengefunden. Und dieser Spaß ist auch auf "Hypnophonic" zu hören. Aber man merkt auch, dass das Album über einen längeren Zeitraum entstanden ist. Die fünf Jawalas haben mit dem Deutsch-Venezulaner Vincente Celi einen Produzenten gefunden, mit dem die Chemie hörbar gestimmt hat im Studio in Berlin. Balkan als Mitte, dazu eine Superproduktion. Poppig das Ganze, manchmal fast etwas poliert, aber das passt schon. Und das hat durchaus Tiefgang, besonders im Song "Be Anybody", wo alle Gastsänger zu hören sind und in ihrer Mehrstimmigkeit bei diesem ausgefeilten Song zeigen, wohin der Weg demnächst gehen könnte.


Stand: 14.01.2016, 09.00 Uhr