Sehenswertes aus Netz und TV Die Gewaltfrage

Von Christian Werthschulte

Hörer werden zu Recherchehelfern | Mädchen werden Opfer von Gewalt | Ein Panda wird arbeitslos | Süperflimmern – ausgewählte Serien und Clips im Web.


Adrien Brody in "The Mascot" (Jameson First Shot 2015)
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The Mascot

"Patrick, the Panda" ist das langjährige Maskottchen des Basketballvereins Pandas in einer x-beliebigen Stadt in den USA. Nach 20 Jahren wird Patrick gefeuert, weil er keine wilden Stunts mehr machen kann. Das stürzt ihn in eine Identitätskrise. Er wird depressiv, vereinsamt und geht schließlich auf seinen Nachfolger los. Gespielt wird "Patrick, the Panda" von Adrien Brody, den man ja aus Roman Polanskis "Der Pianist" kennt. Und der kriegt es wirklich herzzereißend gut hin, einen Mann Anfang 40 zu spielen, dem der Verlust seines Jobs als Maskottchen den Boden unter den Füßen wegzieht.


"Serial" (Podcast)

Die Renaissance der Hörspiel-Serie hat einen Namen: "Serial". Die Journalistin Sarah Koenig geht hier einem Kriminalfall nach, der einige Ungereimtheiten aufweist. Im letzten Jahr war der amerikanische Podcast der große Überraschungserfolg: 68 Millionen Mal wurden die 12 Folgen der ersten Staffel heruntergeladen, um mitzuverfolgen, wie Sarah Koenig einen High-School-Mord so gründlich wiederaufrollt, dass dieser mittlerweile erneut vor Gericht verhandelt wird. In der zweiten Staffel, die gerade angelaufen ist, geht es um den US-Soldaten Bowe Bergdahl. Der wurde fünf Jahre von den Taliban in Afghanistan gefangengehalten. Nach seiner Freilassung gab es aber Vorwürfe, er hätte mit den Taliban zusammengearbeitet. Mittlerweile ist ein Militärgerichtsverfahren gegen Bergdahl eröffnet. Woche für Woche geht Koenig, also parallel dazu Woche für Woche, den Vorwürfen gegen Bergdahl nach. Wir Hörer sind dabei unmittelbare Teilnehmer der Recherche. Koenig dokumentiert die Interviews mit ihren Quellen und stellt dann im Monolog weitere Überlegungen an oder diskutiert offene Fragen. Dabei entfallt sich der Fall von Folge zu Folge und weil es sich um einen realen Fall handelt, fehlen auch die meisten Klischees, die fiktionale Krimis oft so zäh machen.


#DearDaddy (CARE Norway)

#DearDaddy erzählt die Geschichte eines noch ungeborenen, durchschnittlichen Mädchens. Die Tochter schreibt ihrem Vater und zählt auf, was ihr alles widerfahren wird, nur weil sie als Frau auf die Welt kommt: "Ich werde als Mädchen geboren werden. Das heißt, dass mich Jungs eine Schlampe, eine Hure und viele andere Dinge genannt haben werden, bevor ich vierzehn bin." Nach diesem Ereignis erfährt sie mehrfach sexuelle Gewalt bis hin zur Vergewaltigung. Die Hilfsorganisation CARE wollte damit auf die Erziehung von Jungs aufmerksam machen, in der solche verbalen Übergriffe nicht ernstgenommen werden, weshalb laut CARE die Hemmschwelle zur körperlichen Gewalt niedrig ist. Zwei Wochen ist das Video alt und es hat rund 6,4 Millionen Klicks erhalten. Und wie eigentlich immer bei feministisch inspirierten Aufklärungsvideos gibt es eine Art Gegenkampagne von selbsternannten "Männerrechtlern". Diese besteht aus Videoantworten und Parodien, dazu kommen die üblichen Kommentarschlachten auf YouTube und unter allen Artikeln, die über "#DearDaddy" berichten. Und wenig überraschend findet man dort die Forderung nach "ausgewogener Berichterstattung", die sich aber folgendermaßen artikuliert: "Das Mädel soll sich mal nicht so aufregen, solche Sprüche gehören halt dazu." Einen besseren Beweis für die Richtigkeit ihrer These als die Kommentare unter "#DearDaddy" werden die Filmemacher kaum finden können.



Stand: 22.12.2015, 07.00 Uhr