Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen: "Teilweise ändere ich mein Verhalten"
Seit Silvester hat sich der Ton gegen Flüchtlinge verschärft. Männliche Flüchtlinge sind sozusagen unter Generalverdacht geraten. Aber nicht nur Flüchtlinge leiden unter diesem Generalverdacht, auch Migranten, die schon lange hier leben, trifft er - so wie unseren Redakteur Cengiz Tarhan.
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Cengiz, Du hast kurdische Wurzeln, bist hier geboren und aufgewachsen und tip-top integriert. Seit Köln fühlst Du Dich aber auch unter einem Generalverdacht – wie äußert sich das?
In Köln hat es ja schon eine Hetzjagd auf Ausländer gegeben – sowas ist mir zum Glück nicht passiert. Was ich aber immer wieder erlebe, sind komische Blicke von Passanten. In der Straßenbahn zum Beispiel wurde ich von Frauen ganz komisch angeschaut. Aus ihrem Blicken sprach Angst, aber auch Argwohn, ob ich auch so ein krimineller Flüchtling bin, der sie gleich betatschen und beklauen will. Klar – das ist eine Bewertung von mir in meinem Kopf – die Frau hat streng genommen nichts gemacht - aber solche Blicke passen auch zu anderen Erlebnissen, die bei mir ein ungutes Gefühl auslösen.
Was hast Du noch erlebt?
Am Flughafen hat mich kürzlich ein Polizist ganz intensiv angeschaut. So nach dem Motto, kenne ich Dein Gesicht nicht von einem Fahndungsplakat? Bei den Sicherheitskontrollen wurde ich nicht nur einmal kontrolliert – ich durfte gleich danach zu einer weiteren Nachkontrolle. Seit den Terroranschlägen von Paris, seit den Übergriffen in Köln habe ich immer wieder das Gefühl, dass es bei manchen Menschen, denen ich im Alltag begegne und die mich nicht kennen, erstmal Vorbehalte gibt.
Ehrlich - erst seit diesen Entwicklungen? Ist das nicht so etwas wie "Alltagsrassismus", den es doch eigentlich immer schon gab?
Klar, den gab es auch schon vor Köln. Doch jetzt hat sich die Stimmung so unglaublich aufgeladen. Und mal Hand aufs Herz: Ich werde doch auf offener Straße als "Südländer" wahrgenommen. Ich glaube nicht, dass Menschen frei von Vorurteilen sind und sich fragen: Oh, der hat dunklere Haut, könnte ein Flüchtling sein – vielleicht aber auch ein ziemlich eingedeutschter Migrant. Nein – auf den ersten Blick gelte ich als Südländer und das bedeutet für viele zur Zeit eher Vorbehalte und Ängste.
Was macht das mit Dir im Alltag?
In Teilen ändere ich mein Verhalten. Beispiel: Ich war kürzlich mit der Straßenbahn unterwegs, die war proppevoll und ich stand mitten im Gang und hielt mich mit einer Hand fest – die andere lag neben meinem Körper. Und dann habe ich ganz spontan mich auch mit der zweiten Hand oben am Griff festgehalten. Nicht, um einen besseren Halt zu haben – nein, ich wollte vermeiden, dass die Umstehenden denken: Mit der zweiten Hand fummelt der jetzt in den Taschen der anderen herum und beklaut sie. Ich habe mich selbst über mich gewundert – aber auch gemerkt: ich will einfach Missverständnisse vermeiden. Zum Beispiel, wenn man sich nur mal kurz berührt, weil die Bahn wackelt. Damit bloß niemand denkt, was will der Ausländer von mir, mich beklauen oder was?
Stand: 25.01.2016, 17.00 Uhr
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