Björk wird 50 Die faszinierende Welt der Pop-Elfe

Von Christian Werthschulte

Das Gesamtkunstwerk Björk bewegt sich zwischen Intimität und Spektakel: Popexperimente, Bühnenspektakel, Poesie, neue Technologien und Natur. Heute wird die isländische Künstlerin 50 Jahre alt.


Björk bei einem Konzert in Santiago de Chile
Bild 1 vergrößern +

Es gibt nicht nur eine Björk, sondern viele. Björk ist Musikerin und Schauspielerin. Sie ist Umweltaktvistin und ihre Alben, Texte, Videos und Bühnenshows sind ein Gesamtkunstwerk. Trotzdem kann kaum jemand so ergreifend von Fabelwesen und Trennungsschmerz zugleich singen, ohne dass dies jemand von ihr verlangt hätte. Kaum ein anderer Popstar dürfte so viel Kontrolle über das eigene Werk besitzen wie Björk Guðmundsdóttir aus Island.

Vom Kinderstar zum Indie-Darling

In Island war Björk ein Kinderstar. Sie besucht die Musikschule, aber es macht ihr keinen Spaß. 1976 spielt sie den Discoklassiker "I Love To Love" auf der Akustikgitarre im isländischen Radio und erhält ihren ersten Plattenvertrag. Ihr Debütalbum "Björk" besteht aus Coverversionen. Björk hasst es so sehr, dass sie das Angebot für ein Nachfolgealbum ausschlägt und sich von ihren Einnahmen lieber ein Klavier kauft. Als Teenager entdeckt Björk die isländische Punkszene. Sie reist durch Europa, lebt in besetzten Häusern und spielt mit den Einstürzenden Neubauten. Später bringt sie mit ihrer Indieband "The Sugarcubes" Island auf die Landkarte des Pop. 1992 trennt sich die Band und als Björk ein Jahr später ein Soloalbum herausbringt, nennt sie es "Debut".

Hippie im Hipstergewand


Damit betritt die Björk die Bühne, die wir heute kennen: der Hippie im Hipstergewand. Björk hat ihr Ohr am Pop der Nullerjahre. Sie zieht nach London, arbeitet mit Nellee Hooper (Massive Attack) und Tricky zusammen, nimmt ein zweites Album auf und schreibt einen Song für Madonna. Björk experimentiert mit vielen Pop-Stilen: TripHop, House, Electronica. Gleichzeitig verkörpert sie in ihren Liedern und Videos die unterschiedlichsten Frauentypen - von der im Wald aufgewachsenen Eremitin über eine Juwelendiebin bis zur Raverin. Im London der 90er ist Björk ein Star, sie datet Drum'n'Bass-Pionier Goldie und der Rough-Trade-Plattenladen in Notting Hill rühmt sich mit ihren Besuchen. Aber Björk ist ein Star wider Willen. 1996 attackiert sie eine Reporterin am Flughafen in Bangkok, die ihr und ihrem Sohn tagelang nachgestellt hat. Ein Stalker schickt ihr wenige Wochen später eine Säurebombe, die von der Polizei abgefangen wird und bringt sich danach um.

Signature Sound als Teamplayer

Björk verlässt London, zieht wieder nach Island und nimmt ihr nächstes Album "Homogenic" mit dem Electronica-Pionier Mark Bell (LFO) und einem Streichorchester auf. Langsam entwickelt sie ihren Signature-Sound: Orchester, Chöre und Electronica. Björk schart eine Reihe von Mitmusikern um sich, die sich ähnlich wie sie der Avantgarde mit einer Pop-Sensibilität annähern: das queere Musique-Concrete-Duo Matmos, der Konzept-House-Produzent Matthew Herbert, die Inuit-Kehlkopf-Sängerin Tanya Tagaq. Sie arbeiten in den nächsten Jahren mit Björk an Musik und gehen auf Tour. Auch als Solokünstlerin arbeitet Björk niemals ganz allein - ihre Neugier steht ihr im Weg: "Ich bin besessen von Menschen mit interessanten Ideen", hat sie einmal im Interview erklärt. "Ich arbeite gerne mit Menschen, die so stark sind wie ich."

Konzeptkunst und Intimes

Schon seit ihren Punktagen arbeitet sie mit dem Autor und Dichter Sjón zusammen. Er verfasst auch einige Texte für ihr Multimedia-Projekt "Biophilia" (2011), mit dem Björk den Zusammenhängen zwischen Sound und Natur nachgeht: "Sound ist das umfassendste und verständnisvollste, was es gibt", beschreibt sie ihre Faszination für Klänge. "Es ist die eine Welt, die alle deine Emotionen abdecken kann." "Biophilia" ist Björks ambitioniertes Werk. Parallel zum Album hat sie eine choreografierte Bühnenshow entworfen und eine Reihe von Apps entwickeln lassen, mit denen Schulkinder Notenskalen und Frequenzen manipulieren können. Mittlerweile werden sie an Schulen eingesetzt.



Stand: 21.11.2015, 06.00 Uhr