100. Geburtstag von Billie Holiday: Drogen und Hexenjagd
Für den britischen Journalisten Johann Hari ist Billie Holiday das Opfer einer Hexenjagd, die Harry J. Anslinger angezettelt hatte - damals Chef der Staatlichen Drogenbekämpfung in den USA. Joachim Deicke ist dem nachgegangen.
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Vor hundert Jahren wurde Billie Holiday geboren – eine der größten und einflussreichsten Jazzsängerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie gilt auch als eines der ersten Drogenopfer der Unterhaltungsmusik. Billy Holiday war eine regelmäßige Trinkerin, sie rauchte seit ihrer Jugend Marihuana und spritzte sich seit den Vierziger Jahren Heroin. Aber von den Drogen, die sie nahm, war allenfalls der Alkohol Schuld an ihrem Tod. Der britische Journalist Johann Hari hat gerade ein Buch über den so genannten "Krieg gegen Drogen" herausgebracht, der in den Dreißiger Jahren in den USA begann.
Instrumental: Strange Fruit
"Ein schwarzer Körper schaukelt in der Brise des Südens", schrieb 1937 ein New Yorker Lehrer im Gedicht "Strange Fruit". Es geht um die Lynchmorde im Süden der USA. Etwa hundert Menschen, die meisten davon Schwarze, wurden Jahr für Jahr ermordet. Und Billie Holiday, damals schon ein echter Star, besaß den Mut, dieses Gedicht zu vertonen.
Billie Holiday: Strange Fruit
"Vor einem weißen Publikum über die Lynchmorde zu singen, war absolut schockierend. Und kurz nach dem Konzert forderte das Federal Bureau of Narcotics Billie Holiday auf, diesen Song nie wieder zu singen", berichet Johann Hari in seinem neuen Buch "Chasing the Scream". Dieses Behörde hatte sich unter der Führung von Harry J. Anslinger auf den Kampf gegen das bis 1937 geduldete Marihuana eingeschossen. Reißerischen Radio- und Kinospots warnten vor der neuen Todes-Droge.
Chick Webb feat. Ella Fitzgerald: When I Get Low I Get High
Zwei Dinge trieben Harry Anslinger an: Ein immenser Hass gegen Afro-Amerikaner. Und seine Verachtung für Drogenabhängige. Billie Holiday war für ihn das Sinnbild für alles, was in den USA nicht stimmte.
"Es gibt einhundert tausend Marihuana-Raucher in den USA", behauptete Anslinger. "Die meisten sind Neger, Hispanics, Filipinos und Entertainer. Ihre satanische Musik ist das Ergebnis von Marihuana. Jazz und Swing bringen weiße Frauen dazu, sexuelle Kontakte zu Negern, Entertainern und anderen zu suchen."
Fats Waller: Vipers Drag
Dutzende Jazz-Musiker – unter ihnen Gene Krupa, Charlie Parker und Thelonius Monk – werden verhaftet. Auch Billie Holiday verbringt 1947 zehn Monate im Gefängnis, darf danach nicht mehr in Clubs auftreten, die Alkohol ausschenken. Ihr Manager John Levy arrangierte Auftritte in kleineren Läden. Der Andrang war riesig. Alle waren begeistert. Nur Billie Holiday hatte das Gefühl, dass die Leute nur kamen, um zu sehen, wie 'high' sie war.
Billie Holiday: Fine and Mellow (Live)
Gesundheitlich geht es Billie Holiday immer schlechter. Ihre Stimme wird brüchig, sie magert ab. 1959 bricht sie zusammen, wird – mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose ins Krankenhaus eingeliefert. Die Sängerin Annie Ross will sie besuchen, aber man sagte ihr: 'Keine Besucher' – Billie Holiday wird von zwei Polizisten bewacht.
"Sie ist mit Handschellen ans Bett gekettet. Plattenspieler, Blumen, Grußkarten – man hat ihr alles weggenommen. Niemand darf sie besuchen. Nach einer Methadon-Behandlung erholt sie sich etwas. Dann wird das Methadon abgesetzt. Zehn Tage später ist sie tot," erzählt Annie Ross.
Robert Johnson: Dark Was the Night
Billie Holiday war 44 als sie starb. Sie besaß noch genau 750 Dollar und 7 Cents. Harry J. Anslinger wurde 1962 zum Mitglied der Drogenkommission der Vereinten Nationen befördert und setzte ein weltweites Verbot das Cannabis-Anbaus durch.
Billie Holiday: Stormy Blues
Stand: 07.04.2015, 16.09 Uhr
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