Der Persönliche Gast - Peter Neumann: "Dschihadisten nutzen Facebook wie ein Tagebuch"
Mit jemandem vom 'Islamischen Staat' über Facebook chatten - für Peter Neumann nichts Ungewöhnliches. Der Politikwissenschaftler vom King's College London gilt als einer der wichtigsten Experten für islamistischen Terrorismus und Radikalisierung.
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Peter Neumann
Peter Neumanns aktuelles Buch heißt "Die neuen Dschihadisten". "Ende der 2000er Jahre konnte man das Gefühl kriegen: Al-Kaida und Co sind sehr geschwächt, es gibt keine großen Anschläge mehr." Es kommt der arabische Frühling 2011, viele junge Leute in der Region erhoffen sich nun echte Verbesserungen für ihr Leben - doch häufig bleiben diese aus. "Das haben Gruppen wie der Islamische Staat genutzt." Die 'neuen Dschihadisten' verkaufen ihren Terror als Aufstiegschance. "Das ist auch der Grund, warum junge Muslime aus Frankreich oder Deutschland zu Dschihadisten werden. Mit einem arabischen oder türkischen Namen kann man es hier schwer haben. Und Gruppen wie der IS versprechen genau diesen Leuten, die sich abgehängt fühlen: Bei uns bist du wer, wir bauen dich auf, du kriegst eine wichtige Aufgabe."
Dafür fordern Gruppen wie der 'Islamische Staat' aber auch die komplette Unterwerfung, geringste Abweichungen vom religiösen Dogma werden mit dem Tode bestraft. "Das ist natürlich das absolute Gegenteil von Freiheit, dem was sich die meisten jungen Leute in Europa wünschen", so Neumann. "Aber in einer Gesellschaft, in der es so vieles im Überfluss gibt, ist vielleicht das radikalste, was man machen kann, so zu leben. Für diese Leute ist das die ultimative Anti-Haltung. Keine Musik, kein Alkohol, ein Leben in der Wüste und mit Blut das vermeintliche Paradies erkämpfen."
Als Selbstmordattentäter verheizt
Wie trostlos das Leben im 'Islamischen Staat' tatsächlich ist, das bekommt Neumann über Soziale Medien mit. "Viele Dschihadisten benutzen Facebook wie ein Tagebuch, oder folgen auf Twitter den gleichen Leuten". Solche Verbindungen wertet Neumann mit seinem Team in London aus. "Wir haben so einen Datensatz mit momentan 800 westlichen Kämpfern in dschihadistischen Gruppen geschaffen. Rund 100 haben wir auch angesprochen übers Internet." Dann stelle sich häufig heraus: Die selbsternannten Freiheitskämpfer langweilen sich, oder müssen ansehen, wie ihre Freunde als Selbstmordattentäter verheizt werden. Als Helfer für den Ausstieg aus Terrorgruppen sieht sich Neumann aber nicht. "Darum kümmern sich andere, ich bin kein Sozialarbeiter. Ich bin Wissenschaftler, ich beobachte wie sich diese Leute verhalten."
Momentan kommen viele Flüchtlinge aus dem Nahen Osten nach Deutschland. Dass darunter auch islamistische Terroristen sind, glaubt Neumann nicht, "Gruppen wie der IS haben schon tausende Kämpfer mit europäischen Pässen. Die müssen keine Leute als Flüchtlinge verkleidet einschleusen, die kommen viel leichter rein."
Stand: 08.10.2015, 21.00 Uhr
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