CD der Woche - Ancient Future Zurück in die Zukunft, Teil 3

Von Ellen Köhlings und Pete Lilly

Protoje lässt sich auf seinem dritten Album vom Sound der 1980er inspirieren, ohne retro zu sein. Er zeigt sich vielseitig und textlich frisch. "Ancient Future" ist das Reggae-Album des Jahres - ohne Klischees und Nostalgie, dafür mit Ausflügen zu Ska, Rock und Disco.


Protoje: Ancient Future
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Protoje: Ancient Future

Eigentlich wollte Protoje schon auf seinem zweiten Album mit einem bestimmten Sound aufgreifen. Doch da machte ihm sein Cousin und damaliger Produzent Don Corleon einen Strich durch die Rechnung. Dieser beharrte auf Abwechslung statt Einheitlichkeit. Und so brannte Protoje dieser 80er Jahre Sound von Sly & Robbie und Channel One noch förmlich auf der Seele. In Winta James von Overstand Entertainment, der unter anderem "Here Comes Trouble" von Chronixx produziert hat und für Damian Marley Keyboard spielt, fand er schließlich einen Seelenverwandten. Mit ihm teilt er nicht nur die gleichen musikalischen Vorlieben, sondern auch einen Hang zum Perfektionismus.

Sound und Qualität

Bei "Ancient Future" liegt das Hauptaugenmerk auf Sound und Klangqualität. An jedem einzelnen Song wurde bis ins letzte Detail herumgetüftelt. Herausgekommen ist ein holistischer, kompromissloser Roots-Sound, dem es trotzdem nicht an Vielseitigkeit mangelt. Verankert ist dieser im Jamaika der 80er Jahre, als digitale Beats immer noch analoge Wärme verströmten oder sich beides ergänzte. Auch wenn schwerer Roots Reggae die Klammer bildet, fließt Ska ("Answer To Your Name"), Disco ("Love Gone Cold" feat. Sevana) und Rock ("The Flame" feat. Kabaka Pyramid) ein, ohne dass das Konzept über Bord geworfen werden muss. Da Protoje sich bereits als Produzent hervorgetan hat, etwa bei Kabaka Pyramids erster EP "Rebel Music" und bei seiner Entdeckung Sevana, fungiert er bei "Ancient Future" erstmals als Co-Produzent in eigener Sache.

Dichter und Denker

Es sind Protojes lyrische Versiertheit, sein an HipHop geschulter Deejay-Flow und seine Abkehr von gängigen Reggae-Klischees, mit denen das Album in die Zukunft weist. Dabei verzichtet der nachdenkliche Künstler diesmal fast komplett aufs Singen. Stattdessen setzt er auf rollende Reim-Attacken. Zudem hat er besonderen Wert darauf gelegt, seine Zuhörer nicht gleich zu Beginn seiner Songs mit komplexen Analysen zu überfordern. Vielmehr breitet er ein Thema aus, macht auf eine Problematik aufmerksam, bevor er in den weiteren Strophen ins Detail geht. Inhaltlich geht es Protoje weniger um "einfache" Gesellschaftskritik, als vielmehr darum, seine Freuden und Ängste zu teilen und teils tief in seine Seele blicken zu lassen.

Auf "Ancient Future" weiten Protoje und Winta James den Reggae-Radius geschickt aus, ohne ihr Kernpublikum vor den Kopf zu stoßen. Sie geben eine Richtung vor, die Roots Reggae für zukünftige Generation wieder spannend macht.


Stand: 23.03.2015, 00.00 Uhr