CD der Woche - Blood Heimat als Muse

Von Johannes Paetzold

Mit ihrem Debüt vor drei Jahren war sie der Shooting-Star der britischen Musikszene. Soul, Songwriting, sinnliche Stimme – Lianne La Havas hat alle Talente im Überfluss. Mit "Blood" folgt ein sehr persönlich geprägtes, ruhiges Album, dessen Inspiration sich aus ihren griechischen und jamaikanischen Wurzeln speist.


Lianne La Havas - Blood
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Lianne La Havas - Blood

Drei Jahre liegen seit dem Erscheinen ihres Debüt "Is Your Love Big Enough?" hinter der britischen Sängerin. Ereignisreiche Jahre - von der Backgroundsängerin bei Kollegin Paloma Faith wird sie zum Star über Nacht mit einem Mercury Preis nominierten Debüt. Dann wird Prince auf sie aufmerksam, spielt ein Privatkonzert für sie in ihrem Wohnzimmer. Er wird ihr Protégé, auf seinem Album "Art Official Age" ist sie in mehreren Songs zu hören. Stevie Wonder trifft sich mit ihr nach einem Konzert, man plaudert, tauscht Telefonnummern aus und nur kurze Zeit später meldet er sich singend auf ihrem Anrufbeantworter und möchte ebenfalls mit ihr zusammen Songs aufnehmen. Lianne La Havas lässt sich den schnellen Ruhm nicht zu Kopf steigen, sondern fährt mit ihrer Mutter zu den eigenen Wurzeln nach Jamaika.

Rootssuche Jamaika & Griechenland

Lianne La Havas wuchs in London auf, als Tochter eines griechischen Vaters und einer jamaikanischen Mutter. "Blood" ist inspiriert durch ihre Reise nach Jamaika. Was als Ferientrip gedacht war, wird Inspiration für das neue Album und Selbstfindung zugleich. Sie trifft Verwandte, geht in die Clubs und jammt mit Dancehall-Produzent Stephen McGregor, der nun auch einer der Produzenten des Albums wird. Trotzdem sucht man auf "Blood" vergebens nach Reggaesongs.

Der Song "Green & Gold" kommt Jamaika noch thematisch am nächsten. Lianne La Havas widersteht den offensichtlichen Versuchungen. Jamaika spiegelt sich auf "Blood" nur in den Grooves, den synkopierten Rhythmen und der Inspiration, die ihr die alte Heimat als Muse gibt. Und auch die griechische Musikkultur ist nur ein assoziativer Ideengeber, so wie ihr Künstlername eine Adaption des Familiennamens ihres Vaters ist, Henry Vlahavas. Als Kind spielte ihr der Vater griechische Lieder auf dem Akkordeon vor. Lianne La Havas war fasziniert von den hypnotischen, wiederkehrenden Melodien. Die Art, wie er in eine Molltonart wechselte, flossen in das Album ein, unmerklich, aber sie selbst sagt, das dies nur der Anfang eines Weges in ihre Geschichte sei, denn sie in der Zukunft noch weiter ausbauen will.

Songbriefe an den Ex-Freund

Anfangs noch als Folk und Soulmusikerin betitelt, sichert Lianne la Havas mit "Blood" ihr eigenes Terrain. Songs wie "Midnight" oszillieren zwischen Soul und Jazz. Die Balladen auf dem Album, gleich vier an der Zahl, werden spärlich eingeleitet von wiederkehrenden Riffs einer Akustikgitarre. Sie hat früh Klavier und Gitarre gelernt, bekam einen Ausbildungsvertrag bei einer großen Plattenfirma. Dieses Wachsen als Komponistin und Arrangeurin zahlt sich nun aus. Gleichzeitig bleibt Lianne La Havas eigenwillig, die Melodien sind catchy, aber Schmusestimmungen zerreißt sie auch gerne wieder wie im Song "Never Get Enough", wenn eine krachende Rockgitarre im Mittelteil als schroffe Zäsur hereinbricht.

Jill Scott mag ihr altes Vorbild sein, aber eine versierte britische Songwriterin wie Laura Mvula ist ihr aktuell die nächste Seelenverwandte. Und der vom New Jazz getragene Soul von Jose James. Ihre Songs singt Lianne La Havas mit einer emotionsgeladenen Stimme, mit der sie bewegende Geschichten aus ihrem Leben erzählt wie im Song "Unstoppable". Der Song - ein Brief an ihren Ex-Freund, in dem sie die gemeinsame Beziehung beschreibt und wie man sie wieder fortführen könnte. Dabei zergeht sie sich nicht in Sentimentalitäten, schließlich habe sie selbst die Beziehung beendet. Aber sie nimmt die Ruhe eines Briefes, um über Vergangenheit und Gegenwart nachzudenken. Und die Zukunft, wenn sie singt, dass – würde man wieder zusammen finden – er es nicht bereuen würde.

Unter die Haut

"Blood" ist ein sehr persönliches Album geworden, es geht schon im Titel unter die Haut. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte nimmt Lianne La Havas sehr genau, sie gibt keine Antworten vor, und diese Selbstspiegelung ohne Beweihräucherung verleiht dem Album eine melancholische, fast traumhafte Stimmung. Alle Songs beziehen sich auf das Gefühl im Herzen, wo man herkommt, was einen geprägt hat und wie man in seinem Leben damit umgeht. Dazu bleibt es einfacher klarer Pop, sie ist und bleibt Britin, erfahren mit Pop und ein Kind der Beatles-Generation. "Blood" zeigt wieder einmal, dass die wirklich gute zeitgenössische Popmusik mehr als nur ein Hitsong ist, sondern sich nur auf Albumlänge entfalten und erklären kann. Und bei dieser Herangehensweise an die Musik ist die junge 25-jährige Frau, geboren aus der Global Popkultur der britischen Hauptstadt, schon ein großer Star.


Stand: 09.08.2015, 00.00 Uhr



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