CD der Woche - Epitaph: Musikalisches Reisetagebuch
Moriarty aus Frankreich spielen Bluegrass, Country und Folk. Sie verbinden diese Einflüsse mit einer Weltoffenheit und erzählen von ihren Reisen rund um den Globus. "Epitaph" ist wie ein Reisetagebuch mit musikalischen Momentaufnahmen.
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Moriarty
Sie trafen sich vor 20 Jahren, Schulfreunde, die in der Bretagne groß wurden und sich immer etwas anders fühlten als ihre Kameraden - als Kinder amerikanischer Eltern, bei Bassist Stephan Zimmerli kommen zudem vietnamesische und Schweizer Roots dazu, Percussionist Eric Tafani stammt aus Korsika. Die Erfahrung des Andersseins im eigenen Land ist ihre Identität. "Wir fühlen uns wie die Pilgerväter damals", beschreibt Gitarrist Arthur Gillette sich und die anderen. "Immer im Planwagen unterwegs, nie das Gefühl, irgendwohin zu gehören."
Ob sie nun Franzosen sind oder doch Ex-Pats - in der Musik heben sich diese Fragen auf. "Wenn wir zusammen sitzen und Musik machen", so Gitarrist Arthur Gillette, "versuchen wir, so wenig wie möglich zu sprechen - Musik ist unsere Kommunikation". Seit 20 Jahren gibt es die Band nun, Sängerin Rosemary Standley stieß später dazu. Ihr Debüt "Gee Whiz but this is a Lonesome Town" erschien 2007, platzierte sich sofort unter den Top 30 der französischen Charts und erreichte Goldstatus. Nach vielen Tourneen und einer mehrjährigen Studiopause erscheint nun ihr viertes Album "Epitaph".
Kazoo an der Schreibmaschine
Auch auf ihrem neuen Longplayer mischen Moriarty ein weiteres Mal Folkmusik, Bluegrass, Country und irische Musik. Jazz, Blues und internationale Einflüsse bereichern das musikalische Spektrum. Alternative Folk kann man es im weitesten Sinn nennen. Moriarty spielen zudem mit Klangbildern und Geräuschen, setzen die Membrantröte Kazoo und Schreibmaschinentackern ein. Die Songs sind handwerklich gut produziert, die Arrangements raffiniert gestaltet, bleiben aber im Sound bewusst spärlich und karg. Die Stimme von Sängerin Rosemary Standley klingt wie aus einem alten Grammophon aus einer fernen Welt, sie wirkt dabei hypnotisch und beschwörend. "When I Ride, I Ride.." singt sie in gleichnamigen Song. Wenn ich mal auf Reisen bin, dann reise ich auch wirklich. In der Tat. Moriarty haben die USA getourt, Asien und Europa. Dann nahmen sie ein Coveralbum mit Songs, die Bob Dylan und auch Moriarty beeinflusst haben, auf. Dann ging es wieder um die Welt.
Im Geiste von Jack Kerouac
Die Band hat sich nach Dean Moriarty benannt, Hauptfigur in Jack Kerouacs Beatnik Roman "On the Road". Es ist kein beliebiger Bandname, und die Musiker unterstreichen das, indem sie alle unter dem gemeinsamen Nachnamen Moriarty auftreten. Immer in Bewegung zu bleiben, wie Dean Moriarty, der nie stehenbleiben will - das macht auch den Erfahrungsschatz der Bandmitglieder aus. Auf Reisen haben sie neue Musiker kennengelernt. Sie haben mit Sängerin Christine Salem von der Insel La Reunion Songs aufgenommen, in Indien mit Musikern in einem Bollywood-Studio gearbeitet, mit Ngoni-Spieler Moriba Koita aus Mali haben sie Konzerte gespielt. Und auf ihrem letzten Album "Fugitives" waren Mama Rosin zu hören, eine Cajunband aus der Schweiz.
Moriartys Moritaten
"Epitaph" sind aus dem Griechischen entlehnte Grabinschriften. Moriarty sind auch gerne skurril und etwas morbid, und manche der Lieder auf dem Album klingen auch wie Gruselmoritaten. Es sind aber vor allem Momentaufnahmen ihrer Erlebnisse auf Konzertreisen rund um den Globus. Wie der Song "Ginger Joe", der entstand, als die Band in Japan ein Konzert in Kyoto gab und am Nachmittag mit dem Rad bei strömendem Regen durch die Stadt fuhr. Dabei erfand sie die Geschichte von einem Mann, der alles hatte und alles verlor. "Lasst euch die Geschichte von Ginger Joe erzählen, wie er aufstieg. Und wie er fiel...." Mit solchen direkten Ansprachen an die Zuhörer und dem Verweis auf eine vermeintlich wahre Geschichte begannen auch die Lieder der Bänkelsänger, und Moriarty fühlen sich in dieser Tradition wohl.
Zuhörgeschichten
Moriarty erzählen getragen, auf wenigen Tönen ruhen ihre Songs auf "Epitaph". Moderne Bänkelsänger, die Geschichten aus der Welt zusammentragen. Getragen gleichzeitig von dem Wissen, nach getaner Arbeit immer weiter ziehen zu müssen. Oder um mit Gitarrist Arthur Gillette einmal mehr auf den Planwagen zu steigen: "Das Problem der Pilgerväter ist es, dass das Gras nie grün genug ist."
Konzert:
10. Juni | Köln | Kulturkirche
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Stand: 18.05.2015, 00.00 Uhr
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