Der Soundtrack von... - Tony Allen: Master Drummer of Afrobeat
Er ist Mitbegründer des Afrobeat, spielte in den 70er Jahren an der Seite von Fela Kuti und revolutionierte das Schlagzeug-Spiel. Im "Soundtrack von... Tony Allen" erzählt uns der Nigerianer die Etappen seiner sagenhaften Karriere, wie er seine ersten Versuche am Schlagzeug meisterte und wie Art Blakey ihn inspirierte. Am Samstag (21.03) präsentiert Funkhaus Europa sein einziges Deutschland Konzert in Berlin!
Tony Allen, 74 Jahre alt, einer der genialsten Schlagzeuger der Welt. Seine Fans zählen zum Who's Who der Musikbranche. Darunter: Blur-Sänger Damon Albarn, Technoproduzent Carl Craig, Dubhouse-Champion Moritz von Oswald und Pariser Dandy Sebastien Tellier.
Im Alter von 18 Jahren begann der Nigerianer autodidaktisch Schlagzeug zu spielen, nebenher arbeitete er für einen nigerianischen Radiosender. Der Jazz war zu dieser Zeit in aller Munde, die Highlife-Szene florierte. Zu seinen ersten Inspirationsquellen zählte Jazz-Legende Gene Krupa. Später kam die Musik von Art Blakey und Afro-Jazz-Pionier Guy Warren hinzu - der Grundstein für sein eigenes Vorhaben. Als Teil von Sir Victor Olaiyas Highlife-Band Cool Cats machte er erstmalig professionell Musik. Später spielte er außerdem bei Agu Norris & the Heatwaves, den Nigerian Messengers und den Melody Makers.
1964 wurde Allen zum Vorspiel von Fela Kuti eingeladen, der damals eine Highlife-Jazz-Band gründen wollte. Kuti zeigte sich begeistert und engagierte Allen als Schlagzeuger für seine Band Koola Lobitos, die später zu Africa70 wurde. 1969 entwickelte die Combo nach einer USA-Tour den Afrobeat: Jazz, Highlife und Yoruba-Rhythmen trafen auf den mitreißenden Funk von James Brown. Allen trennte sich jedoch Ende der 70er Jahre von der Combo, gründete seine eigene Band und zog über London nach Paris. In den 80ern entwickelte er den Afrofunk, indem er Afrobeat mit Elementen aus Elektro, Dub und HipHop kombinierte.
Im März letzten Jahres war die Schlagzeuger-Legende schon im Kölner Gloria bei unserer Konzertreihe Trafico zu sehen und beehrte mit Patrice und Friends unsere Partyreihe Big Up! Am kommenden Samstag (21.03.) wird Tony Allen bei seinem einzigen Deutschlandkonzert, präsentiert von Funkhaus Europa, in Berlin auf der Bühne stehen und seine Afrobeat-Hymnen zum Besten geben.
Wer bist du und was bedeutet dir Musik?
Mein Name ist Tony Allen. Ich bin Musiker und Musik ist mein Leben.
Deine ersten musikalischen Gehversuche?
Ich hatte früher zahlreiche Schallplatten zur Verfügung, denn mein Onkel war DJ. Bei seinen Parties hat er mich manchmal als DJ engagiert. Er stellte mir dafür seine Anlage zur Verfügung und alle seine Platten. Ich legte Highlife auf, dazu konnte man gut feiern und tanzen. Künstler wie E.T. Mensah, die Ramblers oder die Stargazers. Die machten damals verdammt gute Platten.
Wer hat dir Schlagzeug spielen beigebracht?
Ich hatte nie einen Musiklehrer. Von wo auch? Ich habe mir alles selbst beigebracht. Ein Lehrer kann mir nur beibringen, was er weiß. Doch dass was er nicht weiß, das weiß ich vielleicht. Ich hatte früher einen Bekannten mit einem Schlagzeug, er spielte bereits in einer Band. Er zeigte mir wie man die Sticks hält und ein paar Grundlagen. Dann war ich auf mich allein gestellt und ich versuchte Highlife zu spielen.
Die Musik deiner Jugend?
Als ich jung war, hörte ich viel Jazz im Radio. Gene Krupa war damals angesagt. Er war der erste Schlagzeuger, den ich verehrte. Ich fragte meinen Kumpel, der ein Schlagzeug hatte: Kannst du wie Gene Krupa spielen? Und er versuchte es. Ich mochte Gene Krupa, vor allem wegen seiner Soli.
Deine Inspiration?
Ich hörte viele Blue Note Jazzalben. So lernte ich Art Blakey & The Jazz Messengers kennen. Er eröffnete mir eine neue Welt und ich vergaß Gene Krupa. Denn Gene Krupas Technik erinnerte teilweise an eine Militärkapelle. Art Blakey marschierte nicht, er sprach mit seinem Schlagzeug. Ich hörte ihn im Radio und wollte sein wie er. 1985 habe ich ihn persönlich getroffen, im Ronnies Scott in London. Wir unterhielten uns kurz und ich war froh ihn zu treffen. Denn er war eins meiner Vorbilder. Ich war sehr glücklich.
Welche Rolle spielt Funk für dich?
Funk kam aus Amerika. Und sobald etwas aus Amerika kommt, gilt es automatisch als das Beste. Ich mag Funk, aber ich würde niemals so wie die Funkmusiker Schlagzeug spielen. Ich sage nicht, dass jemand anders falsch spielt, ich mache nur einfach mein eigenes Ding. Und da kann jeder hineininterpretieren was er möchte.
Eine Band aus deiner Heimat, die dich besonders beeindruckt hat?
Die meisten Bands in meiner Heimat haben mich beeindruckt. Ich war Fan und wollte viele Konzerte sehen. Bobby Benson habe ich in meiner Jugend sehr oft gesehen. Er spielte im Kit Kat Club. Er hatte eine große Band, mit neun Leuten auf der Bühne. Später hatte er seinen eigenen Club. Bobby Benson war der erste Musiker, den ich als Kind kennenlernte.
Deine Verbindung zu Afro-Jazz-Legende Guy Warren?
Guy Warren arbeitete in Europa, als wir in Afrika waren. Nach vielen Jahren kam er zurück. Ich habe mit ihm einige Shows gespielt. Vier Schlagzeuger im Nationaltheater in Lagos. Ich bewundere ihn, denn er ist einfach anders. Er spielt sein Schlagzeug teilweise wie Congas, die Becken ausgenommen. In meinem Buch sieht man auch ein Foto von uns im Nationaltheater.
Die Entstehung des Afrobeat?
Fela machte aus Highlife den Highlife-Jazz. Bevor ich Fela traf, spielte ich aber auch schon etwas, das in diese Richtung ging, nur mit anderen Bands. Zunächst spielte ich mit Fela nur normalen Jazz, dann ging es los mit dem Highlife-Jazz. Das war 1965. Da gründete er seine Band Koola Lobitos. Wir nannten unseren Sound bis 1968 Highlife-Jazz, danach hieß es Afrobeat.
Und warum Afrobeat?
Afrobeat war der neue Name für unsere Musik. Früher nannten wir sie Highlife-Jazz. Es wurde Afrobeat, weil niemand so eine Musik spielte. Denn Fela Kuti schrieb sehr eigenwillig. Dann waren wir zehn Monate in den USA und das veränderte die Musik nochmal sehr stark. Wir schrieben einfacher, die Musik wurde flüssiger und eingängiger.
Was unterscheidet dich von anderen Schlagzeugern?
Warum ich anders bin? Nun ja, wir haben alle ein Schlagzeug vor uns, aber jeder nutzt es anders. Man bedient es mit vier Gliedmaßen und ich versuche alle gleichzeitig zu benutzen. Und jedes Bein, jeder Arm macht etwas anderes. Das macht meine Art zu spielen so besonders. Ich wollte schon immer einer der besten sein, deswegen habe ich immer viel geforscht. Ich wollte außergewöhnlich klingen. Am Anfang habe auch ich viele Fehler gemacht, denn ich habe gespielt wie alle anderen. Mit dem linken Bein bedient man die Hi-Hat. Die meisten Drummer halten sie fast die ganze Zeit geschlossen und spielen damit einen einfachen Rhythmus. Doch ich wollte den linken Fuß genauso flexibel einsetzen wie die anderen Gliedmaßen. Es ist wie beim Fahrradfahren. Nur mit einem Fuß kannst du nicht Fahrradfahren. Die Pedale sind für zwei Füße gemacht. Wie setzt man das zweite Pedal gut ein? Das war die Frage mit der ich mich beschäftigt habe.
Du experimentierst also viel herum?
Ich versuche nie mit meiner Musik stehen zu bleiben. Das wäre langweilig für mich. Als ich Fela Kuti verlassen habe, versuchte ich meinen Horizont zu erweitern. Ich will mich mit niemandem messen, aber ich will Musik verändern und etwas hinzufügen, das es vorher nicht gab. Ich habe sehr viel mit Afrobeat experimentiert. Und wenn man sich meine Platten anhört, dann merkt man, dass nicht alles gleich klingt. Ich mache unterschiedliche Dinge um damit alle zu erreichen.
Deine Verbindung zu Damon Albarn?
Damon Albarn ist ein Genie. Er ist nicht wie die anderen Pop-Künstler, er hat sehr verschiedene Einflüsse. Und mit solchen Musikern arbeite ich gerne zusammen. Er plant nie im voraus, er sagt einfach: "Lass uns was machen". Ich arbeite gerne so, denn es ist eine Herausforderung. Jeder muss sich einbringen, damit die Musik gut klingt. Damon ist mein Freund, wenn ich ihn für etwas brauche, dann ist er zur Stelle und macht es einfach. Neulich war er wieder in Paris und mit mir im Studio. Das war aber nicht unsere erste Zusammenarbeit. Er sang schon auf meinem "Home Cooking" Album, bei dem Song "Every Season".
Deine Beziehung zu Ebo Taylor?
Ebo Taylor war als junger Mann schon ein Zauberer an der Gitarre. Schon 1978 haben wir in Kumasi in Ghana gemeinsam ein Album aufgenommen. Leider sind die Aufnahmen verschwunden. Der Produzent lebt noch, aber die Aufnahmen haben sich in Luft aufgelöst. Im Januar 2014 haben wir wieder zusammen gearbeitet. Er ist ein super Typ und ein großartiger Musiker. Ich respektiere ihn schon lange. Sein Sohn spielte sogar in meiner Band in Lagos, kurz nachdem ich Fela Kutis Band verlassen hatte. Ebo Junior spielte Keyboard in meiner Band, er ist auch sehr talentiert. Ein guter Keyboarder und guter Sänger. Ebo Taylor und ich sind also schon lange Freunde, wir sind wie Brüder.
Wie gehst du bei der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern vor?
Es ist die Musik der Auftraggeber. Ich habe das nicht komponiert. Sie komponieren Musik und holen mich dann dazu. Warum wollen sie mich und keinen anderen Schlagzeuger? Wenn ich gebucht werde, dann wollen die Leute, dass ich etwas spiele, was sie nicht erwarten und was zu ihrer Musik passt. Es ist eine Herausforderung und ich bin der Herausforderung immer gewachsen.
Ist es wichtig für Dich, dein Wissen weiterzugeben?
Ich gebe viele Workshops für Red Bull, wo ich den Leuten meine Technik zeigen kann. In Japan, Kanada, Brasilien und Kopenhagen. In Kopenhagen habe ich eine Woche lang Schlagzeugunterricht gegeben. Ich zeige den Leuten meine Technik, denn ich will andere sehen, die so spielen wie ich. Ich würde gern eines Tages in einen Club gehen und einen Schlagzeuger sehen, der meine Technik nutzt. Es soll sich immer weiter verbreiten. Irgendwann wird jemand fragen "Woher kommt diese Technik". Und man wird sagen: Sie kommt von Tony Allen.
Stand: 19.03.2015, 12.32 Uhr
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