Der Soundtrack von... - Amerigo Gazaway Begegnung mit einem Mash Up-Genie!

Der US-Amerikaner erzählt uns im "Soundtrack von… - Amerigo Gazaway" von seinen musikalischen Einflüssen, Marvin Gaye - Quelle seiner Inspiration - und seiner unnachahmlichen Herangehensweise noch nie gehörte Mixe entstehen zu lassen.


Amerigo Gazaway
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Amerigo Gazaways Familie stammt aus Brasilien, er selbst ist in der Musikmetropole Nashville geboren. Seit seiner Kindheit war er von Musik umgeben. Sein Vater ist der Jazztrompeter Gary "El Buho" Gazaway, der bereits bei unzähligen Projekten seine Finger im Spiel hatte.

Der Soundtüftler, der die Kombination aus alten Motown-Songs und modernen HipHop-Beats liebt, verrät uns im "Soundtrack von… - Amerigo Gazaway" welche brasilianischen Künstler er besonders verehrt, wie er seine Anfänge in der Mash Up-Szene meisterte bis hin zu der Verwendung seines Yasiin Gaye-Mash Ups in einer Apple-Werbung.

Wir dürfen gespannt sein!

Wer bist du?

Mein Name ist Amerigo Gazaway. Musik ist Leben - sie ist alles, was ich tue. Und der Grund, warum ich morgens aufstehe.

Was ist deine erste schöne Erinnerung an Musik?

Mein Vater ist ein Jazz-Musiker. Meine ersten schönen Erinnerungen an Musik gehen also weit in meine Kindheit zurück. Ich ging mit ihm auf Tour und habe viele andere Jazz-Musiker kennengelernt. Aber ich hatte immer eine besondere Vorliebe für Soulmusik - besonders Marvin Gaye.

Was bedeutet dir Marvin Gaye?


Marvin Gaye im Jahr 1983
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Marvin Gaye im Jahr 1983

Marvin Gaye ist der Prinz des Soul, eine Legende und auch eine sehr komplexe Persönlichkeit. Er hatte sehr dunkle Seiten, aber das macht ihn auch so menschlich. Ich mag beide Seiten, die dunkle und die helle - Schmerz und Freude. Und ich denke Marvin Gaye war in diesem Sinne sehr hin und her gerissen. Und er hat daraus wunderschöne Songs gemacht. Mein Lieblingslied von ihm ist "Anna's Song". Er hat dieses Lied für seine Ex-Frau geschrieben, während der Scheidungsphase. Sie sollte den gesamten Erlös aus seinem nächsten Album bekommen. Also wollte er absichtlich ein schlechtes Album machen, damit es nicht verkauft wird und sie kein Geld bekommt. Aber der Künstler in Marvin Gaye konnte das nicht. Also machte er auf dem Album einen seiner besten Songs überhaupt. Einer der aufrichtigsten und schmerzhaftesten Songs von Herzen. Du kannst den Schmerz in seiner Stimme hören.

Welches Album hast du dir zuerst gekauft?

Meine Schwester kaufte mir "The Score" von den Fugees, das war mein erstes HipHop Album. Kurz danach kam "Things Fall Apart" von The Roots. Das hat mich sehr beeinflusst - die Produktion, der Style - einfach alles. Ich war vielleicht elf oder zwölf Jahre alt. Ich habe zwar vorher auch schon Musik gehört, aber erst dann bin ich richtig in HipHop, Funk, Soul und Jazz eingetaucht.

Welche Platte hat dein Leben verändert?

Eine Platte, die mein Leben verändert hat, ist "Aquemini" von Outkast. Ich war auch schon vorher Outkast-Fan, aber "Aquemini" hat mich tief berührt. Es war der Soundtrack meiner Lebensphase damals. Da sind so viele gute Stücke drauf. Nicht unbedingt Songs, die die Leute kennen. Aber Lieder wie "Chonkyfire" und "Synthesizer", die über die Technologie in der heutigen Zeit sprechen. Und wie wir immer mehr und mehr von uns selbst und von der Gesellschaft losgelöst werden. Ich komme auch aus dem Süden der USA und stehe auf Südstaaten-HipHop. Aber Outkast haben das mal ganz anders angepackt. Deswegen wurde ich ein großer Outkast-Fan. Ich würde sie gerne mal live sehen, hoffentlich bald.

Ein Konzert, das du nie vergessen wirst?

Ein Konzert, das ich nie vergessen werde, ist von Kid Koala. Ich habe letztes Jahr vor Kid Koala in Victoria in Kanada aufgelegt. Für mich war das als DJ eine große Inspiration. Weil ich Möglichkeiten gesehen habe, wie ich live spielen kann, mit welchen technischen Mitteln auf der Bühne. Kid Koala bringt auf jeden Fall das DJing auf ein ganz neues Level, er macht daraus so etwas wie Performancekunst. Das zu sehen, hat mich tief beeindruckt.

Ein Konzert, das du nie vergessen wirst?

Meine Familie stammt aus Brasilien, deswegen hat mich brasilianische Musik schon immer fasziniert. Brasilien ist sowieso eine Mashup-Kultur. Es gibt dort so viele Kulturen und Religionen. Deswegen werden in Brasilien Dinge immer auf eine neue Art vermischt und kombiniert. Irgendwann mache ich mal ein brasilianisches Projekt. Über den kulturellen Kannibalismus, wie es die Leute dort nennen. Eine Kultur frisst die andere und es kommt etwas Neues dabei heraus.

Welche brasilianischen Künstler magst du sehr?


Gilberto Gil auf der Bühne
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Gilberto Gil

Ich bin ein Riesenfan von Milton Nascimento and Gilberto Gil, weil du ihre Musik nicht in eine bestimmte Schublade stecken kannst. Gilberto Gil hat Reggae-Songs aber genauso auch Rock- und Pop-Songs. Das gleiche gilt für Milton Nascimento. Jede Platte von ihnen ist eine ganz neue Reise, eine neue Erfahrung. Und so mache ich auch meine Projekte. Fela Soul war zum Beispiel ein Afrobeat-Projekt. Bizartribe ging eher in Richtung Jazz. Yasiingay ist mehr 70er Soul. Ich versuche mit jedem Projekt, neue Genres zu erkunden. Das ist das, was ich an HipHop mag. HipHop ist wie eine Art Tor zu all den anderen Musikgenres. Auch nach Brasilien. Und Milton Nascimento and Gilberto Gil sind meine Lieblingskünstler von dort.

Wie entstand die Mashup-Idee?

Die Mash-Up Idee stammt vom Diggen als DJ. Du gehst in den Plattenladen und gehst auf Schatzsuche. Du suchst nach Albumcovern, Namen, Linernotes. Du summst Melodien, während andere Stücke laufen. Manchmal ist das überhaupt nicht musikalisch, sondern eher konzeptuell. Ich setze verschiedene Ideen zusammen, die sich überlappen. Zum Beispiel in der Biografie der Künstler oder ihren Geschichten. Und das kommt eben vom Diggen im Plattenladen. Das betreibe ich quasi mit religiösem Eifer.

Wie entstand die Idee mit Fela Soul?

Die Idee mit Fela Soul kam mir 2010. Mir gefiel erstmal der Name, aber so eine richtige Idee hatte ich zunächst nicht. Dann ein Jahr später mitten in der Nacht habe ich an einem Beat gearbeitet, und da fiel mir die Melodie zu einem Fela Kuti Song ein: "Water no get enemy". Die Melodie der Bläser, die in dem Stück sehr präsent sind. Und ich habe angefangen sie um den Beat zu basteln. Und dann erinnerte ich mich an meine Ursprungsidee - ein Mashup aus De La Soul und Fela Kuti zu machen. Also oft entsteht die Idee, wenn du eine Melodie im Kopf hast, während du ein anderes Lied hörst. Für manche ist es schwierig zu begreifen. Es ist, als ob du du dir auf den Kopf tappst und dir gleichzeitig den Bauch reibst.

Wie suchst du dir die Künstler für ein Mashup aus?

Ich muss eine Brücke zwischen Melodie und Konzept bauen können. So suche ich die Künstler für meine Mashups aus. Deswegen arbeite ich oft rückwärts. Ich fange erst mit einem Namen oder Albumcover an. Und dann wenn du in die Musik eintauchst, entdeckst du plötzlich diese Nuancen und Parallelen, die sich überlappen. Die Überschneidungen zwischen Leben, Songtexten und selbst den Songstrukturen. Es geht also nicht nur darum, den Beat anzupassen, es ist mehr als das. Also es müssen mehrere Parallelen vorhanden sein, bis ich mit so einem Projekt anfange.

Kommt es nicht zum Rechtsstreit aufgrund der Urheberrechte?

Klar, kommt es schon mal zu Rechtsstreitigkeiten. Bei meinem Projekten "Bizartribe" habe ich A Tribe Called Quest und The Pharcyde zusammengemischt. Dafür habe ich eine Unterlassungsklage bekommen - wegen Urheberrechtsverletzung. Aber das "yassingay" Projekt wurde sogar schon in einer Apple-Werbung benutzt. Wir konnten einen Deal zwischen der Plattenfirma und den Rechteinhabern abschließen. Danach wurde der Song ganz legal bei Itunes veröffentlicht. Janis Gaye, die Ex-Frau von Marvin Gaye, hat mich sogar kürzlich in einem Interview erwähnt, als jemand, der etwas kreatives mit Marvins Musik macht. Es ist echt toll, wenn Leute deine Arbeit unterstützen und schätzen.

Was ist dein Peak Time-Track?


Michael Jackson
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Mein bester Peak Time Track, den ich immer zum Höhepunkt der Party auflege, ist mein Mashup von Rick James und Michael Jackson: "Billie Jean's a Superfreak". Jedes Mal wenn die Tanzfläche gerammelt voll ist, lege ich das Lied auf und die Leute drehen durch.

Was ist die beste Platte für eine Pinkelpause?

Wenn ich während eines DJ-Sets mal auf das Klo rennen muss, dann spiele ich oft Fela Kuti. Weil die meisten Songs von ihm zehn bis 20 Minuten lang dauern, sie sind wie eine Reise - sehr tanzbar, funky und fesselnd.


Stand: 17.03.2015, 14.58 Uhr