Der Soundtrack von... - Beirut: Von Beirut in die weite Welt
Die Alben von Beirut sind wie eine Weltreise. Bratislava, Nantes, Santa Fe - so heißen die Songs der Band, die so klingen wie es ihr Name vermuten lässt: Nach Balkan, Chanson und Americana. Im Soundtrack nimmt uns Beirut-Kapitän Zach Condon mit auf diese Weltreise zum Ursprung dieser Songs. Bitte alles einsteigen!
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Beirut Sänger Zach Condon
Man mag gar nicht glauben, dass dieser blasse, etwas zurückhaltende junge Mann ein musikalisches Vielseitigkeitsgenie ist, den besonders seine Offenheit gegenüber den verschiedenen Musikstilen dieser Welt kennzeichnet. Zach Condon aus Santa Fe im Südwesten der Vereinigten Staaten, ist Sänger, Songschreiber, Vorsteher der Band Beirut, seit er sie 2006 gegründet hat. Damals war er gerade von einer Reise in den Balkan zurückgekommen und hatte sich ins mazedonische Koĉani Orkestar verliebt. Besonders in die Art, wie es die Trompete spielt.
Zach wurde als Klassik-und Jazz-Trompeter ausgebildet und hat schon in der Highschool T-Shirts von Miles Davis getragen. Durch die Indie-Folker Neutral Milk Hotel erkannte er, wie er die Trompete mit dem Independent kombinieren konnte, der Musik, mit der er aufgewachsen ist. Seitdem hat er vier Alben veröffentlicht und eine Fangemeinde aufgebaut, die ihn kultisch verehrt. Auf dem aktuellen Werk "No No No" stellt er ein anderes Instrument in den Vordergrund: das Klavier.
Zachs Markenzeichen, vielen seiner eigenen Songs, wie auch seiner Band, die Namen von Städten zu geben, sind ein guter Wegweiser, wohin es nach dem Balkan weiterging: nach Belgien und Frankreich mit Brel und Dutronc, die ihn beide sehr geprägt haben, und nach Brasilien mit der Bossa, die er liebt, seit er denken kann. Unterwegs hat er oft die Sounds des Kölner Kompakt Labels auf dem Ohr, sein Lieblings-Reise-Soundtrack.
Am Ende begleiten wir Zach zurück nach Hause in seine beiden Wahlheimaten: Brooklyn und Istanbul, dort kommt seine Verlobte her. Dann legt er am liebsten die Studio One Reggae Compilations auf und träumt davon nach Italien zu reisen, mit der Musik von Filmkomponist Nino Rota, denn dort hat er noch viel zu wenig gesehen... und gehört.
Wer bist du und was bedeutet dir Musik?
Hi, Ich bin Zach Condon und Musik ist, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene. Sie hatte einen starken Einfluss darauf, dass ich so geworden bin wie ich bin.
Welche war deine allererste Platte?
Das erste Album, das ich je besessen habe, hat mir mein Vater gekauft: eine Beach Boys Greatest Hits Kassette. Darauf war älteres Zeug wie "Surfer Girl". Ich hatte damals einen Karaoke-Kassettenspieler von Fisher Price und bin durchs Haus gelaufen und habe den ganzen Tag dazu gesungen - auch wenn ich den Text gar nicht kannte.
Was ist deine erste schöne Erinnerung an Musik?
Mein Vater ist meine erste Erinnerung an Musik. Er hatte Gittare gespielt, und zwar laut, den ganzen Tag, wenn er zu Hause war. Auch die erste Musik, die ich kennengelernt habe, kam von ihm. Wir hatten damals in Virginia gelebt - ich bin ja in New Mexico geboren, wohin wir später auch zurück sind - aber damals eben in Virginia hatte er das ganze Haus von grundauf renoviert. Sein Bruder, also mein Onkel Doug kam rüber und sie haben den ganzen Tag Bruce Springsteen auf Anschlag gehört. Sie schienen die beste Zeit ihres Lebens zu haben, das ganze Haus war erfüllt mit dieser poppigen, außergewöhnlich guten Musik. Und ich erinner mich, wie mich das auch sehr sehr glücklich gemacht hat. Besonders "Born to Run", das mir damals sehr gefiel.
Welche Musik verbindest du mit deiner Heimat New Mexico?
Im Südwesten, genauer gesagt in New Mexico, bin ich mit viel Mariachi-Musik aufgewachsen. Aber ich habe mir nie Mariachi-Platten gekauft.
Welche Musik verbindest du heute mit deiner Heimat New Mexico?
Ich würde gerne eine großartige Band aus New Mexico nehmen, ich denke da an A Hawk and A Hacksaw. Ihr aktuelles Album heißt "You Have Already Gone To the Other World".
Durch welches Album hast du die Trompete lieben gelernt?
Das Album, das mich dazu gebracht hat, die Trompete zu lieben, war "Sketches of Spain" von Miles Davis. Ich war in der Highschool, habe gerade Jazz spielen gelernt, ich hatte eine Trompete. Und ein T-Shirt von dem Cover. Es war das erste Album, das ich mir bewusst angehört habe, eben weil die Trompete darauf so eine wichtige Rolle spielt. Ich hatte sofort eine Verbindung, weil es in Santa Fe die trompetenlastige Mariachi-Musik gab und ich in einer Jazzband gespielt habe.
Wie hast du dann wieder zu deiner ersten Liebe, der Trompete, zurückgefunden?
Ich die Trompete für mehrere Jahre weggelegt, bis ich Neutral Milk Hotel mit "In the Aeroplane Under the Sea" zum ersten Mal gehört habe und die Art und Weise, wie Scott Spillane darauf die Trompete und das Flügelhorn spielt. Dadurch habe ich verstanden, dass ich die Trompete mit der Musik die ich mochte und die ich machen wollte einbauen konnte. Deswegen würde ich sagen, dass dieses Album von Neutral Milk Hotel jenes war, das mein Leben am meisten verändert hat. Das war der Moment, wo ich dachte: 'wer auch immer diese Leute sind: sie haben's verstanden. Und sie spielen, was ich spielen will.' Ich war so froh, dass es sie gab.
Welche Musik hörst du meist auf deinen vielen Reisen?
Es ist schon komisch, wenn ich reise, höre ich immer die Sampler von Kompakt, dem Label hier in Köln. Meistens reise ich mit dem Zug, da passt die Musik gut zum Rhythmus. Ich bin auch viel durch Deutschland gereist, ich bin in Hamburg gelandet, als ich 18 Jahre alt war und hab da in der Nähe der Reeperbahn gewohnt. Bis heute bin ich immer mal wieder in Berlin, mein Cousin lebt da jetzt. Das Kompakt-Label verbinde ich viel mit meinen Reisen vor allem durch Deutschland. DJ Koze’s neuste Platte liebe ich sehr, oder Thomas Fehlmann, "Visions of Blah" – eines meiner Lieblingsalben aller Zeiten.
Welche Musik hat dich auf Reisen am meisten beeindruckt?
Der Soundtrack zu meinem ersten großen Trip durch Europa wurde aber schnell etwas, was ich unterwegs gefunden hatte. Ich hab mir damals sehr viel Goran Bregovic angehört, sein Soundtrack zu "Underground" war schon cool. Zu der Zeit wusste ich aber noch nicht, dass er ziemlich viel von der Musikszene aus dem Balkan geklaut hat. Deswegen bin ich heute kein Fan mehr von ihm. Er hat einfach nur Traditionals genommen und sie als seine eigenen verkauft. Auf dem Trip hab ich das rausgefunden und hab dann Koĉani Orkestar und Taraf de Haidouks entdeckt.
Was war das beste Livekonzert, das du je erlebt hast?
Bei dem besten Konzert, das ich je erlebt habe, war ich sogar beteiligt. Aber nur ganz wenig, deswegen kann ich das hier nennen. Das Koĉani Orkestar hat in Paris gespielt als ich da gelebt habe. Als sie im La Flèche D’Or gespielt haben, haben wir für sie eröffnet. Ihre Show nach uns war die abgefahrenste, die ich je gesehen habe. Das steife Pariser Publikum hat sogar crowdsurfing gemacht, das sagt eigentlich alles. Und das wegen einer Blaskappelle aus Mazedonien! Die Kids haben crowdsurfing gemacht wie bei einer Punkshow.
Wenn du eine Zeitmaschine hättest, welches musikalische Ereignis würdest du dir anschauen?
Wenn ich eine Zeitmaschine hätte und für ein musikalisches Ereignis zurückreisen dürfte, wäre das wahrscheinlich um Jacques Brel im Olympia zu sehen. Ich glaube, das wäre eine sehr kraftvolle Erfahrung. Brel hat mich sehr geprägt, auch wenn ich natürlich nie seine Klasse erreichen werde. Aber ich versuch's und habe Spaß daran.
Was ist deine Lieblingsplatte aus Frankreich?
Klar, Gainsbourg, Francoise Hardy und ihren Mann Jacques Dutronc. Der hat eine Doppel-CD namens "Le Double Disque D’Or", die finde ich am allercoolsten.
Welche Musik läuft bei dir im Tourbus?
Was wir am meisten hören im Tourbus ist eigentlich Brasilianische Musik, Caetano Veloso oder Chico Buarque. Ich habe die Musik Brasiliens aus den 60ern und 70ern schon immer geliebt. Für mich ist das genauso klassisch wie Doo-Wop oder Motown. Da eine Platte auszuwählen ist schwer. Das bedeutet, meine ganze Zeit in Brasilien in einer Platte zusammenfassen. Baden Powell "Os Afro Sambas". Das ist eines meiner Lieblingsalben. Ich kann nichts weiter dazu sagen, als dass ihr es Euch besorgen müsst, es ist fantastisch.
Welche Erfahrungen in Brasilien hast du in deine eigene Musik eingebaut?
Nach Brasilien bin ich heimgekehrt um an "The Rip Tide" zu arbeiten, basierend auf einer Erfahrung die ich kurz nach der Landung in Brasilien hatte. Ich bin schwimmen gegangen am Strand von Salvador de Bahia, und eine riesige Welle hat mich erwischt und mich an meinem Ohr verletzt. Ich hatte Angst, dass ich mit meinem einen Ohr nicht mehr hören kann.
Welche Musik habt ihr während deiner jüngsten Aufenthalte in der Türkei gehört?
Ja, die Türkei. Meine Verlobte hört meistens Tarkan. Ich hab mir Sachen von Erkin Koray reingezogen. Aber auch großartige Klarinetten-Musik. Und dann erst die Musik auf den Straßen und in den Musikgeschäften von Galatasaray. Typisch für Istanbul ist, dass man einfach die Musik einsaugen kann.
Was ist dein Lieblings-Soundtrack?
Mein Lieblingssoundtrack, gute Frage. Aber warte, ich hab den letzens gekauft, also habe ich eine gute Antwort. Von Federico Fellini’s "Amarcord" die Musik von Nino Rota. Sehr schwer zu erklären, was es ist, aber Nino Rota hat danach den Score für Spaghetti Western gemacht, das gibt euch einen Eindruck. Ein bisschen cheesy, aber klasse. Ich war leider bisher nur einmal in Italien, in Ferrara. Was schade ist, denn ich habe das Gefühl, dass Italien mich total begeistern würde, wenn ich da mehr Zeit verbringen würde.
Welche Musik legst du auf, wenn du zu Hause bist?
Die Musik, die ich mit meinem Zuhause verbinde, sind die Studio One Reggae Compliations von Soul Jazz Records. Wenn ich zu Hause bin, lege ich in neun von zehn Fällen sowas auf, meine Hand sucht schon immer automatisch diese Vinyls. Ich hab alle Teile, Rockers, Lovers und so wieter.
Was bedeutet 'Heimat' für dich?
Heimat ist für mich - Oh man, die Tatsache, dass ich immer noch Schwierigkeiten habe, diese Frage zu beantworten deutet darauf hin, was für ein Leben ich führe. Heimat ist mein Haus in Brooklyn, ist Santa Fe, und wo immer meine Verlobte ist.
Stand: 24.09.2015, 14.01 Uhr
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