Der Soundtrack von... - Oddisee The Good Fight

Er ist einer der umtriebigsten Underground-Rapper und Klangkünstler. Im "Soundtrack von… - Oddisee" erzählt er uns, was Washington's Musikszene so einzigartig macht, er gibt uns Insidertipps zu seinem aktuellen Album "The Good Fight" und verrät uns auch, welche Künstler ihn aktuell begeistern.


Oddisee Cover
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Amir Mohamed el Khalifa alias Oddisee wurde unweit von Washington, D.C. geboren. Seine Mutter ist afroamerikanischer Herkunft, sein Vater aus dem Sudan. Schon früh kam er mit Musik in Berührung, sei es durch seinen Vater mit Gospel und Go-Go-Funk, oder durch seinen Großonkel, den berühmten Country- und Blues-Musiker Warner Williams.

Gleich nach der Highschool zog er direkt nach Washington. Glücklicherweise war sein Nachbar Parliament-Funkadelic-Gitarrist Garry Shider, mit dessen Söhnen er erste Raps im Homestudio aufnahm.

Dann ging alles recht schnell: Oddisee wurde Teil des HipHop-Kollektivs DMV, nahm 2002 einen Track mit Jazzy Jeff auf und teilte sich bereits eine Bühne mit Größen wie The Roots, De La Soul und Little Brother.

Er ist eine bestens organisierte, rappende Beatmaschine: Seit 2008 gehen zehn Alben und diverse Mixtapes auf sein Konto, ganz zu schweigen von den vielen Kollaborationen, die er mit anderen Künstlern einging. Oddisee hat sich in Sachen Rap immer wieder neu ausprobiert und verbindet in seinen Produktionen rauhe HipHop-Beats mit verschachtelten Jazz-Elementen.

Auf seinem aktuellen Album "The Good Fight" knüpft er an diese Attitude an: mit einer politisch-kritischen Botschaft und außergewöhnlich rumpelnden Beats.

Wer bist du und was bedeutet dir Musik?

Ich bin Amir Mohamed el Khalifa, auch bekannt als Oddisee. Ich bin ein Produzent und Rapper aus Washington. Musik ist mein Ein und Alles. Musik fasst die Geschichten unseres Lebens zusammen. Unser Dasein in Musik auszudrücken, das ist einer der besten Wege, um unsere Geschichte in einer zeitgemäßen Form einzufangen.

Wer hat dir Musik näher gebracht?


Oddisee in Funkhaus Europa
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Meine Familie hat mich an Musik herangeführt. Da war ich vielleicht gerade drei. Ich erinnere mich, dass meine Eltern im Wohnzimmer Schallplatten gehört haben. Ich habe damals noch nicht verstanden was sie da tun, ich sah einfach einen Plattenspieler, der sich dreht, und habe Geräusche gehört, die rausgekommen sind. Ich habe noch nicht verstanden was Musik ist. Aber ich habe noch vor Augen wie meine Eltern im Wohnzimmer Platten gehört haben.

Was ist das besondere an Washington, D.C.s Musikszene?

Eine Sache wird sich nie ändern an der Musikszene in Washington. Die geographische Lage der Stadt. Sie liegt an der Ostküste, genau in der Mitte zwischen dem Norden und dem Süden. Deswegen hört man hier Einflüsse vom Südstaatenrap und vom typischen Ostküstenrap aus dem Norden. Das wird dann gemischt mit unserem eigenen Sound, dem Go-Go. Das ist eine Spielart von Funk, die der Musiker Chuck Brown in den 70er Jahren erfunden hat. Hier mischen sich Trap, Boom Bap, Jazz und andere Stile. Weil ich aus Washington D.C. komme, bin ich Fan von Mainstream-Musik, obwohl ich selbst Underground-Rap mache. Und Fan von Live-Musik. Weil in D.C. all diese Dinge zusammenkommen.

Welches Album hast du dir zuerst gekauft?

Das erste Album, dass ich gekauft habe war "Midnight Marauders" von A Tribe Called Quest. Dieses Album war für mich etwas Besonderes, denn es repräsentierte meine Identität. Ich war ein Afroamerikaner aus der Vorstadt, und ich liebte HipHop. Damals kam aber der meiste HipHop aus den Ghettos. Ich mochte diesen Sound, konnte mich damit aber nicht identifizieren. Das wurde mir bewusst als A Tribe Called Quest bekannt wurden. Sie kamen auch aus der Vorstadt, aus Queens. Ihre Musik, ihre Botschaft, und die Platten, die sie gesamplet haben, passten zu meiner Lebenswelt.

Was magst du an der Art von Q-Tip zu rappen?

Q-Tip ist einer meiner liebsten MCs. Durch ihn habe ich gelernt, dass es darum geht gute Songs zu erschaffen. Ich mag es gar nicht, wenn mich jemand fragt, ob ich lieber Beats produziere oder Raps schreibe. Denn bei anderen Musikstilen werden Komposition und Text nicht so getrennt beurteilt, das gibt es nur bei Rap-Musik. Q-Tip wusste, dass es nicht darum geht der beste Rapper zu sein. Oder der beste Beatproduzent. Es geht darum, den besten Song zu machen. Und Q-Tip war sehr gut darin tolle Songs zu erschaffen.

Wenn du eine Zeitmaschine hättest, zu welchem historischen Musikereignis würdest du reisen?

Die Wurzeln meiner Familie liegen im Sudan. Das ist in Nubien, also im Süden des alten Ägyptens. Ich würde gerne mit einer Zeitmaschine ins alte Ägypten reisen, um Musik aus Dunqula zu hören. Da kommen meine Vorfahren her, aus dem Niltal. Ich würde gern die nubische Musik hören, zu einer Zeit, als sie nicht antik war, sondern modern.

Ein Konzert was du niemals vergessen wirst?

Ich hatte großen Spaß, bei einem Auftritt von meinem Großonkel. Er spielte im Carter Barron, das ist ein öffentlicher Konzertsaal in Washington. Er ist der Onkel von meiner Mutter, sein Name ist Warner Williams und er ist ein sehr bekannter Country Musiker. Er bekam auch eine Auszeichnung dafür, dass er amerikanische Folkmusik am Leben erhält. Ich habe seinen Auftritt sehr genossen.

Welcher Künstler hat dein Leben verändert?

Die Musik von Marvin Gaye hatte eine Botschaft, sie war aber trotzdem unterhaltsam. Ich als Underground-Künstler versuche schon immer Botschaften zu vermitteln ohne zu predigen. Ich will zum Beispiel nicht über das Rappen rappen. Wenn du deine Botschaft zu sehr in den Mittelpunkt stellst, dann haben die Leute oft keinen Spaß an der Musik. Und dann gibt es andere Formen von Musik, die so hirnlos sind, dass die Leute überhaupt nicht zum Denken angeregt werden. Marvin Gaye brachte die Leute zum Tanzen und zum Denken. Und das versuche ich auch mit meiner Musik.

Wie bist du auf den Titel "Good Fight" deines aktuellen Albums gestoßen?


Oddisee
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Viele Menschen folgen bestimmten Klischees. Sie denken, da ist ein Album von einem Untergrund-Rapper, der nicht nach Mainstream klingt, und das Album heißt "The Good Fight". Dann muss es ja darum gehen gegen den Mainstream zu kämpfen. Das steht aber nicht im Mittelpunkt. Da hörst du keinen Rapper, der über Rap und die Musikindustrie rappt. Es gibt aber solche Elemente, weil es Teil meines Lebens ist. Aber in Songs wie "Thats Love", da geht es darum wie wir für Liebe kämpfen. Es geht um Leute, denen ich nicht zugehört habe, obwohl sie mein Bestes wollten. Das ist auch eine Form der Liebe. Sie standen auf meiner Seite, und ich habe nicht mal zugehört. Auf jedem meiner Alben geht es um den Kampf für das Gute, in einem selbst. Es geht nicht um die Industrie.

Worum geht es in deinem Song "Book Covers"?

In meinem Song "Book Covers" geht es darum, sich selbst ein Bild zu machen. Es geht darum, dass ich früher dachte, ich wüsste alles besser. Ich habe vieles oberflächlich betrachtet und es nicht genauer untersucht. Ich will, dass die Leute ihre Handlungen hinterfragen und nichts oberflächlich beurteilen. Seid sicher, dass ihr genau Bescheid wisst, bevor ihr eine Entscheidung trefft.

Wie sehr hat dich afrikanische Musik beeinflusst?

Musik aus Afrika hat mich stark beeinflusst. Musik aus dem Sudan beeinflusst vor allem die Art und Weise wie ich Drums programmiere und welche Taktformen ich benutze. Auf meinem Album "The Good Fight" gibt es zum Beispiel den Song "Counter Clockwise". Der basiert auf einem 5/4-Takt. Viele Jazzfans sprachen mich darauf an und sagten sie finden es toll, dass ich mit etwas experimentiere, das für viele neu klingt. Ich denke, für HipHop ist es wahrscheinlich auch neu. Ich hatte diese Idee aber nicht, weil ich Jazz gehört habe. Es ist inspiriert von der Musik aus dem Sudan. Da ist es ein sehr geläufiger Rhythmus.

Welche Platte hat dich zuletzt begeistert?

Mein Lieblingsalbum zur Zeit ist "Love Letters" von Metronomy. Ich bin ein großer Fan von Metronomy. Ich weiß, das klingt wie ein Klischee, aber meine Produktionen sind nicht besonders von anderem Rap beeinflusst. Ich suche eher nach Klangwelten, die meine Produktionen inspirieren. Ich liebe den Klang und die Dynamik von Metronomy. "Love Letters" ist ein super Album. Und die Single "Love Letters" ist einer meiner Lieblingssongs darauf. Die Platte hat mich umgehauen. Ich habe sie erst vor zwei Monaten bekommen, ich wusste gar nicht, dass die schon draußen ist. Seitdem höre ich sie in Dauerschleife.

Wie stehst du zu Mainstream-Rap?

Ich höre mehr Mainstream-Rap als Underground-Rap. Das letzte Rap-Album, das ich gekauft habe, war von Future. Und ich liebe es. Davor habe ich mir "If You're Reading This It's Too Late" von Drake gekauft. Die höre ich die ganze Zeit, ich bin ein Riesenfan von Drake. Das ist gerade mein Lieblingsrapper. Ich habe keine Probleme mit dem Mainstream.

Welche Platte lässt dich im Kopf woanders hinreisen?

Ein Lied, das mich in eine andere Welt reisen lässt, ist von Thundercat. Von seiner letzten EP. Das Stück "Them Changes". Das ist gerade mein Lieblingslied. Egal wo ich es mir anhöre, es führt mich an einen anderen Ort.

Zurzeit gibt es viele Proteste gegen Polizeigewalt in den USA. Wie stehst du dazu?

In Bezug auf die aktuellen politischen Ereignisse in den USA möchte ich sagen, dass man mehr als die Oberfläche betrachten sollte. Wir sollten uns weniger über die Ergebnisse aufregen und stattdessen versuchen, die Ursachen zu bekämpfen. Genauso wie ich will, dass die Polizei aufhört junge Schwarze zu erschießen, will ich, dass die Amerikaner sich für die Gründe dieser Tat interessieren. Was hat der Polizist für eine Vorgeschichte? Kommt er gerade von einem Militäreinsatz zurück und hat Probleme sich wieder einzuleben? Wurde er als Kind gehänselt? Gab es bei der Polizei keinen Kurs, der ihnen das Leben in afroamerikanischen Wohnsiedlungen näher bringt? Viele Polizisten arbeiten in einer Nachbarschaft, in der sie selbst nicht leben. Sie sind Fremde in diesem Umfeld und deswegen feindselig eingestellt. Also, was hat dazu geführt, dass sie jemanden erschossen haben? Was kann man tun, damit das nicht wieder passiert? Das interessiert niemand. Denn es ist einfacher den Polizisten zu hassen und zu beschuldigen. Anstatt Mitgefühl zu haben und zu fragen: Wie bist du zu so einem Menschen geworden? Der Prophet Mohammed sagte: 'Wenn du deinen Feind wirklich verstehen willst, dann musst du ihm mit nichts als Mitgefühl begegnen.'

Viele Politiker und politische Aktivisten äußern zu der sozialen Ungleichheit in den USA. Was denkst du, wie kann man die Situation verbessern?

Was Donald Trump oder Hillary Clinton machen, interessiert mich nicht. Mein Vater kam als Einwanderer nach Amerika. Wir verhalten uns unauffällig und verdienen Geld. Damit helfen wir unserer Nachbarschaft, damit sie wächst und gedeiht. Das thematisiere ich auf "The Good Fight" in Liedern wie "Want Something Done". Es geht darum eine Saat zu sähen, damit sie wächst. So kann man etwas ändern. Das ist besser als zu warten bis etwas Schreckliches passiert, und dann steht man vor dem Weißen Haus und hält Schilder hoch. So was interessiert mich nicht.

Du gehst ja auf Tour mit Juju Rogers. Wie findest du seine Musik?


Juju Rogers
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Juju Rogers

Ich bin ein Fan von Juju Rogers. Aber ich finde es cool erst ein Fan von der Person zu sein, und dann erst den Künstler gut zu finden. Ich hatte das große Glück, dass ich ihn erst persönlich kennengelernt habe. Das kam über Jannis von Jakarta Records, mit dem ich schon sehr lange befreundet bin. Ich kannte Juju schon lange bevor er mich gefragt hat, ob wir zusammen ein Lied machen sollen. Als er mich angefragt hat, sagte ich "Ja klar". Weil ich ihn als Menschen mag. Ich bin gespannt, was er der deutschen HipHop-Szene hinzufügen wird.


Stand: 17.09.2015, 11.46 Uhr