Der Soundtrack von... - Adrian Sherwood : Pressure Sounds
Er ist der King des Dub. Im "Soundtrack von… - Adrian Sherwood" spricht der Labelboss, Musikproduzent und DJ über das unvergessliche Album "Miracle" von Bim Sherman, über die Zukunft der Musik und wie stark das Radio seinen musikalischen Werdegang beeinflusst hat.
Er ist ein alter Hase im Musikgeschäft und belieferte bereits die Crème de la Crème der Szene mit wummernden Beats.
Der Londoner Adrian Maxwell Sherwood ist Inhaber zahlreicher Labels, doch sein Aushängeschild ist das 1979 ins Leben gerufene On-U Sound Records. Das Dub-Reggae-Electronica-Label ist die Heimat von Größen wie Dub Syndicate, Singers & Players, Bim Sherman und Asian Dub Foundation.
1986 produzierte er das legändere Album "Time Boom X De Devil Dead" von Altmeister Lee "Scratch" Perry. Kurz darauf, war er in aller Munde, remixte und produzierte für Depeche Mode, Sinéad O’Connor, Simply Red und Nine Inch Nails.
Sein erstes Soloalbum "Never Trust A Hippy" erschien 2003 auf Peter Gabriels Label Realworld Records.
Außerdem verrät er im "Soundtrack von… - Adrian Sherwood", wie die Zusammenarbeit für sein aktuelles Album "Late Night Endless" gemeinsam mit dem Wunderkind des Londoner Nachtlebens, Dubstep-Produzent Pinch, aussah.
Wer bist du und was bedeutet dir Musik?
Mein Name ist Adrian Sherwood und Musik hat den Großteil meines Lebens beeinflusst. Ich glaube jeder liebt Musik. Viele Leute verbinden Musik mit bestimmten Momenten in ihrem Leben. Für mich und auch für viele meiner Weggefährten ist Musik ein sehr bestimmender Teil ihres Lebens. Musik hat mich definitiv befreit.
Was ist deine erste schöne Erinnerung an Musik?
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Fats Dominos
Meine erste schöne Erinnerung an Musik ist als ich mit sechs Jahre auf dem Schulweg war. Aus irgendeinem Grund, hatte ich einen Ohrwurm von Fats Dominos "Walking to New Orleans". Ich weiß nicht einmal warum, aber ich erinnere mich wie ich als kleiner Bursche zur Schule "Walking to New Orleans" singe. Es gab keinen besonderen Grund dafür. Das war meine erste fröhliche Erinnerung. Es gibt vielleicht frühere, aber das ist die die mir jetzt einfällt.
Wer hat dir zuerst Musik empfohlen?
Das sind doch meistens die Eltern. Mein Vater ist verstorben als ich fünf Jahre alt war. Er war mit Karl Denver befreundet, einem englischen Sänger. Ich kann mich daran erinnern wie Karl bei Top Of The Pops sein Lied "Wimoweh" gesungen hat. Und es gab auch andere Musiker in meiner Umgebung. Meine Mutter wäre eine Professionelle Sängerin geworden, wenn sie mich nicht bekommen hätte. Sie ist beinahe Teil der Gruppe "George-Mitchell-Singers" geworden. Ich war also immer von Musik umgeben. Während meiner frühen Kindheit gab es immer Parties auf denen Ray Charles lief. Qualitätsmusik - und natürlich die damaligen Hits.
Welches Album hast du dir zuerst gekauft?
Ich glaube das erste Album, das ich mir gekauft habe, war eins aus der Reihe Motown-Chartbusters. Und dann Reggae-Charts-Compilations. Und das erste richtige Album, muss eines von T-Rex gewesen sein, um 1970. Wahrscheinlich erwarten die Leute von mir, dass ich jetzt ein Reggae-Album nenne, aber ich habe anders angefangen. Wir haben alle den Motown-Kram gehört als ich zehn, elf war. Und dann kam Reggae um die Ecke. Danach war ich zunehmend besessen von dem Kram der aus Jamaica und aus London kam.
Welche Platte hat dein Leben verändert?
Ich glaube jeder hat Platten die ihn an wichtige Ereignisse im Leben erinnern. Zum Beispiel wenn man mit seiner ersten Freundin oder dem ersten Freund zusammenkommt. Ich kann mich daran erinnern, wie ich zum ersten Mal ein komplettes Dub-Album gehört habe. "Ital-Dub" von Augustus Pablo. Und zur selben Zeit die Lieder von Bob Marleys "Natty Dread"- Album. Wir saßen zu Hause und haben zum ersten Mal diese Texte gehört: Kalter Boden war mein Bett und ein Stein mein Kissen. "Cold ground was my bed last night and rock stone was my pillow". Sie waren so poetisch und so visuell, sie haben Bilder in unseren Köpfen gezeichnet. Von da an habe ich angefangen auf die Texte zu hören. Das kam raus als ich 15 oder 16 Jahre alt war. Vorher habe ich nur verrückten Noise-Kram gehört. Doch von da an habe ich mich wirklich mit diesen sozialkritischen Texten auseinandergesetzt. Mit den Lehren von Marcus Garvey und den sozialen Bewegungen aus Jamaika. All die Texte in denen es darum geht Kirchen zu sprengen und Verlogenheit zu bekämpfen. Damals fing ich an Gras zu rauchen und mich mit diesen sehr ernsten Texten zu befassen.
Was hat dich so an der jamaikanischen Musik fasziniert?
Der Grund warum ich so besessen war von dem Kram aus Jamaika, war dieser radikale Sound. Der Bass, die Höhen und diese radikalen Textzeilen waren revolutionär für mich. Es hat angefangen mit Bob Marleys "Natty Dread"-lbum, dann ging es weiter. Ich ging in den Texten richtig auf, zum Beispiel als ich Bob Andys "Life"entdeckte. Ich glaube das war der Song der mich am meisten beeinflusst hat. Von da an habe ich wirklich die Texte analysiert und war besessen von den Sounds - von Hall und Echo.
Welche Platte hörst du, um im Kopf woanders hin zu reisen?
Ich habe mal ein Album mit Bim Sherman gemacht "Miracle". Ich könnte dieses Album die ganze Zeit hören. Ich bin einfach ein großer Fan von Bim. Leider ist er schon verstorben. Dieses Album bringt mich wirklich woanders hin.
Wenn du eine Zeitmaschine hättest, die dich zu einem historischen Musikereignis bringen könnte, wohin würdest du reisen?
Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, die mich zu bestimmten Musikereignissen bringen könnte, dann würde ich mir ein Konzert von unserem Prince Far I-Projekt anschauen. Einfach weil das meine Anfänge waren. Ich vermisse es, diese Auftritte haben so viel Spaß gebracht. Sie waren so kraftstrotzend und verrückt. Damals habe ich bei Prince Far I live gemixt. Ich glaube wir hatten ein bestimmtes Konzert im Club von Richard Branson. Er hatte damals einen Laden der "The Venue" hieß in Victoria in London. Wir hatten dort einen Auftritt, der wahrscheinlich mein allerliebster Auftritt überhaupt war. Einfach großartig.
Wie sieht die Zukunft der Musik aus?
Die Zukunft der Musik sieht großartig aus. Als Musiker musst du heute zwar doppelt so hart kämpfen, aber dafür gibt es mehr Möglichkeiten überall auf der Welt zu spielen. Das war nicht so einfach als ich angefangen habe. Damals hast du entweder im Pub oder im Stadion gespielt. Es war die Zeit der Rock-Dinosaurier. Jetzt reisen wir mit Ryanair und Easyjet an die verrücktesten Orte: Kroatien, Serbien - wir geben überall Konzerte. Wenn du Musik liebst, dann musst du heute einfach nur die richtige Einstellung haben. Ich glaube, dass die Zukunft für Musik und Musiker großartig ist, weil Musik die Menschen immer inspirieren wird.
Wie hat das Radio deinen musikalischen Werdegang beeinflusst?
Der Einfluss des Radios auf meine musikalische Entwicklung war sehr groß. John Peel hat die erste Platte, die ich produziert habe in seiner Sendung vorgestellt. "Dub From Creation" von Creation Rebel. Er hat drei Stücke hintereinander weg gespielt. Gleich am Anfang der Sendung. Steve Barker, von der BBC Radio Lancashire und viele andere haben meine Musik überall auf der Welt verbreitet. Das Radio hat ist sehr wichtig für mich.
Was sammelst du noch außer Musik?
Ich habe viel Kunst und Bilder von Cartoon-Zeichnern die ich mag. Ich habe ein paar echt gute Bilder von Lee Perry. Ein Bild, das er mit dem Künstler Peter Harris gemacht hat. Es kommt in einem neuen Film vor "Vision Of Paradise". Das Bild wurde vor ein paar Jahren gemacht und der Film ist in den vergangenen 12-13 Jahren entstanden. Regie führt Volker Schaner. Auf dem Bild sind die Queen und George Washington als Vampire drauf, über ihnen ein Kreuz. Ich mag das.
Was ist dein Peak Time Track?
Zur Zeit lege ich viel in meinem eigenen Club in Ramsgate in Kent auf. Der heißt Shantytown. Ich spiele dort und überall auf der Welt. Wenn ich spiele dann versuche ich Dubplates von Pinch oder Congo Natty aufzulegen. Ich habe Congo Nattys letztes Album gemixt, also habe ich Dubplates von ihm. Ich habe auch Dubplates von Mungos Hifi. Meiner Meinung nach momentan die besten Produzenten der Reggae-Szene. In meinem Set spiele ich also einen Mix aus eigenen Sachen und Dubplates von Produzenten die ich respektiere und mag.
Du hast ein neues Album "Late Night Endless" in Zusammenarbeit mit dem jungen Produzenten Pinch. Was fasziniert euch so sehr an der späten Stunde?
Genau wie bei Pinch sind viele meiner Aufnahmen Nachts entstanden. Niemand stört dich. Alle sind wie ausgeschaltet und es ist eine Zeit der Ruhe. Du weißt, dass das Telefon nicht klingeln wird. Es ist eine Stunde der Meditation.
Euer Album ist ein Generationentreffen britischer Club-Produzenten. Denn rein rechnerisch könntest du Pinch's Vater sein. Ich nehme an er ist dementsprechend für digitale Drummachines, und Sound-Bibliotheken verantwortlich und du bist der Mann für analoge Synthesizer. Ergänzt ihr euch gut im Studio?
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Sherwood & Pinch "Late Night Endless"
Ich glaube, dass sie die Dinge wahnsinnig verändert haben. Viele Leute benutzen ganz neue Sounds durch digitale Produktionsweisen. Es ist unheimlich spannend. Du kannst gar nicht mehr sagen es soll jetzt nur analog klingen. Es geht darum wie kann es besser klingen. Ich habe ohnehin in den vergangenen 30 Jahren mit digitalen Signalen gearbeitet. Aber die digitale Welt ist jetzt wirklich unglaublich. Gleichzeitig denke ich nicht: Entweder oder. Ich denke zielorientiert. Welche Waffe haben wir, um es besser klingen zu lassen oder um dies bestimmte Bild zu kreieren. Vieles was Rob austüftelt, hätte ich niemals für möglich gehalten. Er sagt dann: "Hier check das mal aus" und ich denke mir: "Wow, das ist unglaublich!" Vieles von dem was er macht, kann man gar nicht mehr analog herstellen. Du brauchst dafür modernes Werkzeug.
Was zeichnet eure Zusammenarbeit aus?
Ich glaube wir beide haben einfach vieles gemeinsam. Ich habe ein eigenes Label betrieben. Obwohl ich alles darauf produziert oder co-produziert habe. Rob arbeitet in Kollaborationen mit vielen Leuten zusammen. Und ich bin auch nicht blöd. Ich habe schon immer mit guten jungen Leuten zusammengearbeitet. Und Rob ist einfach ein Meister seines Fachs, er ist echt gut. Wir haben uns einfach gut verstanden und dann nach einem gemeinsamen Sound gesucht. Wir haben dort gesucht wo die Einzigartigkeit von jedem war. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt haben wir eine sehr gute gemeinsame Basis gefunden und etwas wirklich Gutes zusammen geschaffen.
Stand: 10.07.2015, 11.34 Uhr
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