Der Soundtrack von... - Hindi Zahra : Die Nomadin
Hindi Zahras Wurzeln liegen in Marokko und Frankreich. In ihrem Soundtrack spricht die musikalische Nomadin darüber wie ihr Heimatland und die französische Kultur ihre Musik beeinflussen, über starke Frauen – Ikonen der Musikgeschichte -, die sie inspiriert haben und über ihr aktuelles Album "Homeland".
Hindi Zahra in eine Genre-Schublade zu stecken gelingt nicht. Sie vermischt gekonnt Soul, französischen Chanson der 30er, 40er und 50er Jahre, indische Volksmusik und traditionell marokkanische Sounds zu einem hochspannenden Global-Pop-Meisterwerk.
In Khouribiga, im Norden von Marokko, kam sie als Zahra Hindi zur Welt. Mutter Marokkanerin, Vater Franzose, wuchs sie mit der Kultur und Sprache der Berber auf. Ihr Debütalbum "Handmade", 2010 released auf dem renommierten Jazzlabel Blue Note, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet u.a. dem "Prix Constantin".
2012 ging sie für eine Auszeit nach Marrakesch und ließ sich ganz vom hektischen Stadtleben und von der umliegenden berberischen Natur beeinflussen. Gestärkt und mit einem neuen Inspirations-Boost begab sie sich an ihr aktuelles Album "Homeland", mit Unterstützung des berühmten Perkussionisten Rhani Krija aus Essaouira. Herausgekommen sind unterschiedlichste Rhythmen aus Afrika, Europa, Südamerika. Wüstensounds und Sufi-Rhythmen treffen auf sinnlich-spirituelle Weltgewandtheit.
Im "Soundtrack von… - Hindi Zahra" geht es außerdem auch um ihre Zusammenarbeit mit dem US-Jazzsänger José James, weshalb sie gerade den Song "Just Say I Love Him" für den Tribute-Sampler "Round Nina" gecovert hat und warum die Platte "Niafunké" von Ali Farka Touré ihr Leben verändert hat.
Wer bist du?
Ich bin Hindi Zahra. Ich bin eine Musikerin und Sängerin aus Marokko. Aber Aufgewachsen bin ich in Paris. Musik ist für mich wie der Herzschlag. Eine Schwingung.
Deine erste schöne Erinnerung an Musik?
Mein erste Erinnerung an Musik. Die verbinde ich mit meiner Mutter, und damit wie sie zusammen mit meinen Tanten im Wohnzimmer tanzt. Sie hörten Chaabi, also Tanzmusik aus Marokko. Und dabei sind sie sogar auf die Tische gestiegen. Es war eine Riesenparty!
Wie wurdest du in die Musik eingeführt?
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James Brown ist "Mr Dynamite"
Meine Onkel waren Musiker. Und haben immer Schallplatten zu uns nach Hause gebracht. Von James Brown und Michael Jackson. Viel Funk. Sie hatten ein eigenes Zimmer, rauchten dort und spielten Gitarre. Ich fand das richtig toll. Und habe immer vorsichtig gefragt: "Darf ich auch reinkommen?" Eine Scheibe von James Brown war etwas ganz Besonderes. Das war so als würde ein Flugzeug vor unserem Haus landen. Eine ganz große Sache. Zu dieser Zeit war es in Marokko sehr schwer an Platten und Kassetten ranzukommen.
Wie stehst du zu französischem Chanson?
Meine Art Musik zu machen ist stark von Frankreich geprägt, insbesondere vom Chanson. Also poetische Texte und dazu eine klassische Struktur mit Refrain, Strophe und Bridge. Serge Gainsbourg, Claude Nougaro, Edith Piaf und insbesondere Charles Aznavour haben mich inspiriert. Ich mag Aznavours Musikalität, seinen Jazz Sound, seinen Groove. Das sind alles keine jungen Chanson-Künstler, denn ich liebe vor allem Chansons aus den 40er, 50er und 60er Jahren.
Wie würdest du die Musikkultur in Paris beschreiben?
Paris ist sehr kosmopolitisch. Die Menschen kommen aus unterschiedlichen Ländern wie Indien oder den USA. Ich lernte hier die asiatische Kultur kennen, oder afrikanische Länder, die ich vorher nicht kannte. Zum Beispiel lernte ich viele Musiker aus Burkina Faso kennen. Oder aus dem Senegal. Ich habe da Abdoulaye Traoré und sein Projekt Dembademba kennengelernt. Oder Fatoumata Diawara aus Mali, sie ist so etwas wie die Nachfolgerin von Oumou Sangaré. Und dann habe ich versucht Brücken zu bauen zwischen der Kultur dieser Musiker und meiner eigenen.
Wenn du eine Zeitmaschine hättest, die dich zu einem historischen Musikereignis bringen könnte, wohin würdest du reisen?
Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, und zu einem Konzert reisen könnte, dann wäre das ein Auftritt von Ike und Tina Turner. Tina Turner brachte etwas Revolutionäres in die Rockmusik. "Nutbush City Limits" ist irre. Ich mag auch wie Tina Turner tanzt. Sowas hatte man damals noch nicht gesehen. Eine Frau im Minirock die etwas Animalisches hat. Sie war sexy, doch nicht sexy im klassischen Sinne. Und ihre Bewegungen waren sehr organisch. Das hätte ich gerne gesehen.
Wie sieht es mit Miriam Makeba aus?
Warum ich gern Miriam Makeba gesehen hätte? Weil Sie eine Weltenbummlerin war. Sie nahm ihre Musik aus Südafrika und reiste damit herum. Dabei erweiterte sie ihren Sound und hat mit allen möglichen Leuten zusammen gespielt.
Und Cheikha Rimitti?
Cheikha Rimitti ist eine zentrale Figur für den Rai. Man sagt sie hätte diese Popmusik aus Algerien erfunden, außerdem hat sie ein großes Rai-Repertoire erschaffen. Die Rai-Sängerinnen nennt man Cheikhates. Sie beginnen als junge Mädchen zu singen, doch ihr Ansehen steigt mit ihrer Erfahrung, je Älter sie werden, desto anerkannter werden sie. Cheikha Rimitti hat eine Stimme wie ein Mann: Das ist sehr ungewöhnlich, außerdem hat sie Percussions gespielt. Sie hat mich sehr inspiriert, denn sie ist eine wunderbare Volkssängerin, Musikerin und Poetin. Ihr Lied "Nta Goddami wana morak" zählt zu ihren besten Stücken. "Du stehst vorne und ich stärke dir den Rücken" heißt es da. So beschreibt sie die Rolle der Frau. Ein sehr schönes Lied.
Du hast auch schon mal Mahmoud Guinia getroffen. Wie kam es dazu?
Ich habe Mahmoud Guinia vor ungefähr sieben Jahren getroffen. Ich war sogar bei ihm zu Hause. Und das kam so: Ich war in Essaouira spazieren und habe unterwegs verschiedene Musiker getroffen. Dabei hab ich erwähnt, dass ich Mahmoud Guinia verehre. Dann sagte man mir: "Er ist da um die Ecke und macht Musik. Komm mit uns." Als ich ankam saß er da und spielte Guembri. Er fragte mich: "Was machst du mein Mädchen?" Ich sagte: "Ich bin Sängerin". Also sagte er: "Komm, sing mit mir!" - Doch ich war ganz ehrfürchtig: "Nein, ich kann nicht mit dir singen. Sing du erstmal selbst". Er war supernett und hat dann ein Lied in der Sprache der Berber gesungen. Ein Lied in meiner Muttersprache! Ich habe mich total gefreut. Später habe ich Mahmoud Guinia bei einem Festival noch einmal getroffen und da hat er mich wiedererkannt. Ich war überglücklich, dass er sich an mich erinnert hat. Dann blieb ich bei ihm, nur um etwas Zeit mit ihm zu verbringen. An Mahmoud Guinia gefällt mir wie er das Repertoire der Gnawa-Musik interpretiert. Er ist einer der letzten, die diese Tradition am Leben erhalten.
Welche Platte hat dein Leben verändert?
Das Album "Niafunké" von Ali Farka Touré hat mein Leben verändert. Ich kenne die ganzen Akkorde von der Platte auswendig. Da ist so schöne Musik. Aufgenommen wurde die Platte von einem britischen Toningenieur. In Mali, in der Wüste. Der Ort war außergewöhnlich, die Musik und Ali Farka Touré auch. Für mich war die Art wie es aufgenommen wurde sehr wichtig. Das man Ali Farka Touré so in der Wüste aufnehmen kann, zeigte mir: Alles ist möglich! Ich muss nicht zwangsläufig in einem Studio aufnehmen. Und mir wurde auch klar, dass traditionelle Musik total modern klingen kann. Das hat meinen Blick auf Musik verändert.
Wie hat Marokko dein neues Album "Homeland" beeinflusst?
Marrakesch ist ein wichtiges Handelszentrum. Seit Jahren zieht die Stadt unterschiedliche Menschen an. Denn Marrakesch ist einer der wichtigsten Märkte in Nordafrika. Hier begegnen sich viele Völker. Und deswegen kommt dort viel, ganz viel Wissen zusammen. Und viel Handwerkskunst. Ich bin nach Marrakesch gegangen, weil es eine Stadt der Handwerker ist. Denn ein Musiker ist auch ein Handwerker. Ich sah wie die Leute dort arbeiten und lernte dabei viel über meinen Beruf. Es fordert Geduld und Ruhe, um einen Teppich zu knüpfen oder zu Töpfern. Dieses Verständnis von Arbeit habe ich da gelernt. Und bin deshalb dahin gegangen.
Wie ist der Song "To the Forces" entstanden?
Ich habe viel Zeit in den Bergen und in Höhlen verbracht. Dort wo Berber-Stämme zu Hause sind. In den Bergdörfern haben sie nicht den Luxus, den wir kennen. Wie zum Beispiel Fernsehen und Heizung. Luxus ist für sie oben in den Bergen zu sein und von dort aus den Blick auf den Ozean, und auf die Gebirge zu haben. Das ist Luxus für sie. Sie sind auch näher an den Sternen dran. Deswegen singe ich in "To the Forces": "Wir sind die Stämme aus den Bergen, wir leben nahe an den Sternen und der Sonne." Das ist für gewisse Menschen Luxus. Wir denken vielleicht: "Was soll ich in den Bergen? Da muss man Wasser am Brunnen holen, und die Ziegen stinken." Doch ich spreche von diesen organischen Menschen. Ihre Kraft bekommen sie aus der Natur.
Für den Sampler "Round Nina" hast du "Just Say I Love Him" von Nina Simone gecovert. Weshalb dieses Stück?
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Diverse: Round Nina - Tribute to Nina Simone
Ich habe Nina Simone gecovert, für den Sampler "Round Nina". Ich wollte nicht etwas Bekanntes von ihr singen wie: "Dont Let Me Be Misunderstood". Ich wollte ein Stück nehmen, das mich berührt und das nicht so bekannt ist. Ich entschied mich für "Just Say I Love Him". Denn ihre Art zu singen, ihr Vibrato ist da fast orientalisch. Für mich war es eine Herausforderung so zu singen wie Nina Simone.
Auch John Coltrane begeistert dich. Inwiefern?
Manchmal teile ich auch Facebook gerne Sachen, die mich begeistern. Und ich hatte diese Phase da hörte ich John Coltrane 24 Stunden am Tag. Also hab ich das Plattencover auf Facebook geteilt. "Seht her, dass erlebe ich gerade. Ich lebe "A Love Supreme" von Coltrane!" Auch der Titel ist sehr schön. Das ist auch als Botschaft zu verstehen.
Wie kam es zu dem Song "Sword and Gun" mit José James?
Ich habe José James 2010 kennegelernt. Der Fotograf Hassan Hajas hat uns bekannt gemacht. Denn er hat für uns beide die Albumcover gestaltet. Wir haben uns sofort gut verstanden uns sind in Kontakt geblieben. Bei einem Konzert in London habe ich ihn zu mir auf die Bühne geholt. Später meinte er, er will mit mir ein Lied für sein Album aufnehmen. Eines Tages bekam ich einen Anruf und er sagte: "Ich bin in Paris. Lass uns ins Studio gehen." Ich sagte: "Alles klar, bin schon unterwegs!" Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch gar nichts. Wir waren einfach den ganzen Tag im Studio und haben dabei das Stück "Sword and Gun" entwickelt. Ich spielte den Rhythmus ein, er etwas Gitarre. Am Ende des Tages war das Lied fertig.
Stand: 28.04.2015, 20.21 Uhr
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