Süpertunes - Terakaft | Hiatus Kaiyote Wüstenrock und Hippie-Funk

Von Johannes Paetzold

Den Wüstenrockern Terakaft ist mit Global Pop Gitarrist Justin Adams als Produzent ein kleines Meisterwerk gelungen | Hiatus Kaiyote haben nicht nur einen schrägen Namen: Auch ihre Musik ist eigenwillig und dabei ein verzaubernder Klangteppich aus Fusion und Neo Soul.


Terakaft: "Alone (Ténéré)"
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Terakaft: "Alone (Ténéré)"

Terakaft: Alone (Ténéré) (OutHere)

Terakaft, das sind im Zentrum zwei Musiker aus der Tuaregszene: Gitarrist Diara, der schon bei der ersten wichtigen Band aus dieser Szene spielte: Tinariwen. Und sein Neffe Sanou, der bei ihm Gitarre lernte. Ihre Sprache ist Tamaschek. Sie sind Nomaden, die bis vor kurzem in der Sahara in Zelten gelebt haben, heute im Exil in Algerien. Denn die Tuareg waren in ihrer jüngeren Geschichte immer wieder Spielball für Islamisten und den nationalen Interessen westafrikanischer Staaten wie Mali. Inzwischen sind Bands wie Tamikrest, Tinariwen, Terakaft über den Westen Afrikas hinaus bekannt. Ihr Sound begeistert seit Jahren Menschen weltweit - auch wenn die meisten Fans ihre Texte nicht verstehen dürften. Aber die Gefühle, die von Liebe handeln, Unterdrückung, Vertreibung und politischen Wirren, die vermitteln sich im Wüstenblues der Band Terakraft. Musiker westlicher Bands wie Walkabouts, TV On The Radio, Black Keys und viele weitere haben mit ihnen gespielt und Songs aufgenommen. Das Album "Alone (Ténéré)" ist ein weiterer wichtiger Schritt, mit seinem geradlinigem Rock und klarer musikalischen Verständlichkeit, westliche Ohren für diese Musik zu öffnen.

Westafrikanisch-französisches Treffen

"Alone (Ténéré)" - neun Songs, die von der Einsamkeit handeln, die Trostlosigkeit beschwören und Hoffnung wecken für ein vergessenes getriebenes Nomadenvolk. "Ténéré" heißt es schon im Titel, also "allein". Sanou schafft einen Soundtrack für seine Gefühlswelt als Wüstensohn. Musikalisch präsentiert "Alone (Ténéré)" einmal mehr gitarrenbetonten Wüstenrock. Gemischt mit westafrikanischen Harmonien, die Drums hämmern und grooven sich in unsere Ohren, die Songs oft eingeleitet oft mit Handclaps. Aber was dieses Album auszeichnet und heraushebt, ist die Nähe zu westlichen Rockgitarren und zum klassischen Blues-Arrangement. Man kann die Terakaft Songs hören im Wechsel mit den Black Keys und anderen Größen des US-Bluesrock und spürt sofort die Zusammengehörigkeit. Diese Qualität von "Alone (Ténéré)" speist sich neben dem engen Zusammenspiel und Verständnis von Diara und Sanou aus der neuen Besetzung der Band. Das Quartett Terakaft ist nach mehreren Wechseln zur Hälfte französisch besetzt. Mit Nicolas Grupp an den Drums und Andrew Sudhibhaslip am Bass. Zwei studierte Jazzer, die sich intensiv mit der Musik der Tuareg vor Ort beschäftigt haben. Und bei allem kulturellen Verständnis natürlich auch ihren eigenen europäischen Background mit in die Musik tragen.

Produzent Justin Adams

Noch wesentlich wichtiger für das Soundbild ist aber das Mitwirken von Justin Adams, der das Album produziert hat. Adams, ein kleiner schmächtiger Engländer, genießt großes Ansehen im Global Pop. Er spielte bei Jah Wobbles Invaders of the Heart Band und ist heute Gitarrist in der Band von Led Zeppelins Sänger Robert Plant. Adams kennt die westliche Welt und versteht andere Kulturen, seit Jahren arbeitet er an den Schnittkanten, die Tuaregmusiker von Terakaft vertrauen ihm. Sein erklärtes Ziel war es, mit "Alone (Ténéré)" ein Album zu produzieren, zu dem die Leute tanzen können, ein Album, das auch neue Fans dieser Musik im Westen hinzugewinnen kann - und das Wagnis gelingt. Bevor der Gesang bei manchen der Lieder einsetzt, könnte man denken, dies seien die Talking Heads, Black Keys oder The Ruptures. Frühere Alben von Terakaft, andere Tuaregbands hatten ihre Basis in einem schmutzigen, rohen Swamp-Sound, im psychedelischen Beat. Justin Adams hat das durch einen druckvollen Rocksound ersetzt. Experiment gelungen: Mit "Alone (Ténéré)" machen Terakaft einen Riesenschritt auf westliche Hörgewohnheiten zu und bleiben dabei ihren Wurzeln treu.

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Hiatus Kaiyote: "Choose Your Weapon"
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Hiatus Kaiyote: "Choose Your Weapon"

Hiatus Kaiyote: Choose Your Weapon (Flying Buddha)

Vor drei Jahren erschien ihr Debüt - "Tawk Tomahawk" - und schnell waren Hiatus Kaiyote in aller Munde. "Gott - das macht süchtig!", sagte Questlove von The Roots. "Es hat mich erwischt, ich bin verliebt!", lautet Erykah Badus Statement über die australische Band. Soviel Lobpreisung aus berufensten Mündern: Prince, Pharrell, Q-Tip zollen Hiatus Kaiyote Respekt. Worldwide DJ Gilles Peterson gehört zu ihren Fans und frühen Entdeckern. Und Bobby McFerrins musizierender Sohn Taylor besuchte sie extra auf seiner Tour in Australien um mit ihnen Songs aufzunehmen. Nun erscheint das zweite Album des Quartetts aus Melbourne, die Erwartungen sind natürlich in die Höhe geschnellt.

Hippie Funk

Wo fängt man an, das zweite Album des Quartetts aus Melbourne zu beschreiben? So vielschichtig. So vollgepackt, 70 Minuten Länge, 18 Songs (auch wenn sich da einige kurze Zwischenspiele, Skits, zwischenmischen). Die Stilistik reicht einmal mehr von Fusion Jazz, Progrock über Future Soul bis zu Hippie-Funk. Für letzteres steht vor allem Sängerin Nai Palm, Gründungsmitglied mit einer coolen Soul- und Jazzstimme. Dabei ist Palm eine weiße Australierin, extrovertiert, mit bunten Haaren und Pop-Eleganz. Genau die richtige Frontfrau für eine Band zwischen Hippie-Beats und Neo Soul.

Überladen mit Ideen und dabei spielerisch leicht

In "Choose Your Weapon" haben die vier Kaiyotes im Studio alle Ideen zusammengepackt, derer sie aus ihrem Repertoire habhaft werden konnten. Das Album ist brechend voll mit Ideen, Grooves, Richtungswechseln und Überraschungen hinter jeder Ecke. Songs beginnen, brechen auf, lassen sich an neuen Ideen weiterleiten, so entstehen teilweise sogar neue Songs in den Songs.

Dabei ist das Album nicht anstrengend überladen, sondern steckt voller spielerischer Leichtigkeit. Die einzelnen Songs sind eher Klangteppiche, die verschiedene Rhythmen, musikalische Ideen und Stile nacheinander ausprobieren. Hiatus Kaiyote haben das Sammelsurium der US-schwarzen Groovemusik integriert. Manchmal ist es Progrock, oft einfach dessen schwarzes Äquivalent aus den späten 70ern, der Fusion Sound. Und wenn man Songs wie "Jekyll" auf dem Album hört, darf man sicher sein, dass auch der nudelnd synkopierte Jazz eines Frank Zappa hier Pate stand.

Hippies im Herzen

Man kann die Begeisterung von Questlove verstehen, denn man hat wirklich nicht oft Alben vorliegen, die mutig mit ganz verrückten Ideen experimentieren, und das sichere Terrain hinter sich lassen. Das schafft große Hörfreude, auch wenn nicht immer alles klappt. Der Song "Swamp Thing", auf halber Strecke des Albums, versucht eine Brücke zwischen Zappa, Progrock und dem Stevie Wonder der späten 70er zu schaffen - und verfehlt den Spagat. Aber das tut "Choose Your Weapon" keinen Abbruch, im Gegenteil: Im zweiten Teil warten noch besonders glänzende Perlen auf die Hörer wie "Atari", "The Lung", der wunderbare Lovesong "Molasses". Mit dem zweiten Album "Choose Your Weapon" haben Hiatus Kaiyote die Erwartungshaltungen vielleicht nicht erfüllt, aber trotzdem und genau deswegen einen Riesensprung nach vorne gemacht - vom Geheimtipp zu Visionären eines experimentellen freien Soulentwurfs. Hiatus Kaiyote sind Hippies im Herzen, Songtitel wie "Borderline With My Atoms", "Shaolin Monk Motherfunk" und "Breathing Underwater" sprechen da Bände. So viel Hippie-Funk und freies Ausleben, dürfte auch für die Bühne spannend werden. Vielleicht trifft da der Geist von Frank Zappa dann auf den Soul von Stevie Wonder.


Stand: 08.05.2015, 09.30 Uhr



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