Süpertunes - Fadoul | Erykah Badu: Arabischer Funk und Neo-Telefon-Soul
Eine Entdeckung für Plattendigger: Der marokkanische Musiker Fadoul übersetzte in den 70ern die Songs von James Brown und anderen westlichen Musikern ins arabische. Jetzt wurden die Raritäten des arabischen Funks wiederentdeckt. Und die First Lady des Neo Soul, Erykah Badu, meldet sich nach fünf Jahren Plattenpause mit einem Mixtape zurück, bei dem das Telephon im Zentrum klingelt und tutet.
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Fadoul: Al Zman Saib (Habibi Funk, Jakarta)
Fadoul: Al Zman Saib (Habibi Funk, Jakarta)
Fadoul war Musiker, in Casablanca in den 70er-Jahren. Er lebte in Marokko und Paris, starb 1991 im Alter von 50 Jahren. Außerhalb seiner Heimatstadt hatte bislang kaum jemand von seiner Musik gehört, die sich nach US-amerikanischen Vorbildern im psychedelischen Rock und im Soul und Funk richtete. 14 Jahre nach seinem Tod wird Fadouls Musik nun das erste Mal außerhalb Marokkos auf Tonträger veröffentlicht, die Veröffentlichung ist einem Plattendiggermärchen aus 1001 Nacht zu verdanken.
Funk-Stücke im marokkanischen Elektronikgeschäft
Jannis Stürtz vom Label Jakarta Records war vor drei Jahren bei einem Festival in Casablanca mit dem US-ghanaischen HipHop-Musiker Blitz the Ambassador. In einer Seitenstraße findet er beim Schlendern durch die Altstadt ein Geschäft mit elektronischen Haushaltsgeräten. Dazwischen ein Stapel 7Inch-Vinylplatten. Unter dem Stapel wiederum eine Single betitelt: "Fadoul et les Privileges". In den Songcredits dieser Single liest er: James Brown. Und wirklich, es handelte sich um "Papas Got A Brand New Bag". Der Verkäufer im Geschäft war früher der Manager von Fadoul, aber über dessen Verbleib wusste er auch nichts zu berichten. Die Suche begann. Es dauerte zwei Jahre, bis Stürtz Gewissheit hatte, dass Fadoul wie vermutet tot war. Und noch einmal geraume Zeit, bis er die Familie von Fadoul fand, die immer noch in Casablanca lebt. Von Fadouls Schwester erfuhr Jannis Stürtz, dass Fadoul nicht nur Musik gemacht hatte, sondern auch Theater spielte, malte, bis er sich dann ganz der Rockmusik widmete.
Arabischer Funk
Fadoul coverte mit den drei Musikern seiner Band Les Privileges bekannte Songs von James Brown, aber auch psychedelische Rocksongs und Klassiker wie "It's Alright" von der Londoner Band Free aus dem Jahr 1970. Aber Fadoul war weit mehr als ein Künstler, der berühmte Hits coverte. Zum einen hat er die englischsprachigen Songs ins Arabische übersetzt. Und mit seinen Musikern aus Marokko hat er diesen Funk- und Rocksongs zudem auch einen maghrebinischen Groove unterlegt. Dies ist arabischer Funk, wie man ihn zuvor noch nie gehört hat. Die Stücke sind roh, klingen rotzig und punkig, hier wurde nichts poliert. Die Aufnahmequalität ist nicht die Beste, wahrscheinlich wurden viele Stücke in einem Take eingespielt, so wie in Jamaika in den 60ern, mit den Instrumenten im Raum verteilt vor offenen Mikrophonen. Darin liegt natürlich aber auch der Reiz des Authentischen.
Glücksfund
Fadoul und Al Zman Saib ist eine echte Rarität und ein Glücksfund in einem. Die acht Songs auf dem Album, zusammengetragen aus den Vinyl Singles, die man von Fadoul und seiner Musik fand, haben hohen musikalischen wie geschichtlichen Wert. Hier wird Funk der James Brown Ära auf Arabisch mit einer nordafrikanischen Tonalität gespielt. Und damit ist Al Zman Saib ein Verbindungsstück zwischen westlicher Beat-Ära und dem Norden Afrikas, aber diesmal von der arabischen Seite her. Brian Jones von den Rolling Stones spielte mit den Gnawa Musikern aus Marokko, Jimi Hendrix war hier, die Dissidenten aus Deutschland nahmen Musik auf, Orson Welles filmte hier seinen Othello. Bislang hatten wir aber noch nie den Gegenbesuch von marokkanischer Seite im Reich der Beatgeneration. Genaugenommen wussten wir noch nicht mal, dass es solche psychedelische Rockmusik in Marokko gab. Das ändert sich mit Fadoul und Al Zman Saib. Es lohnt sich anscheinend, abseits der eigenen Trampelpfade mal in den Seitengassen nach unbekannten Schätzen zu forschen.
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Erykah Badu: But You Caint Use My Phone
Erykah Badu: But You Caint Use My Phone (Motown)
Nach fünf Jahren Albumpause meldet sich die Königin des Neo Soul zurück, Erykah Badu. Und zwar meldet sie sich am Telefonhörer zurück, mit einem Mixtape, ausschließlich dem Thema Telefon gewidmet. 11 Stücke über 37 Minuten hängt die First Lady des Neo Soul an der Strippe – oder besser heute: am Smartphone.
Pop Telefon
Das Telefon scheint im Pop ja gerade beliebtes Thema zu sein, von Adeles "Hello" bis zu Drakes "Hotline Bling". Erykah Badu thematisiert das Telefonieren mit Klingeln, Coverversionen und hörspielartigen Szenen. Mit Tuten und Besetztzeichen beginnt auch der Song "Dial Afreaq", in dem die Musikerin aus Dallas ganz lässig den 83er New Wave Hit "I Need A Freak" mit Kling-Klang-Pieps und Melodien aus dem Taschenrechner von Kraftwerk mischt. Dazwischen Stimmenschnipsel, Hörstücke, in denen das Zentrum des Baduizm Sinn und Unsinn von Smartphones diskutiert und was sie in wenigen Jahren aus uns gemacht haben. Das Mixtape ist voller Ironie, gemischt mit ernsteren Anliegen. Auch Drake mit seinem aktuellem "Hotline Bling" wird auf die Schippe genommen. "Cel U Lar Device" heißt der Drake-Song, übersetzt Handygerät. Ein Kick von Badu vor das Schienbein des mit ihr befreundeten Drake. Denn wo im Drake-Song die Frau reumütig zu ihrem Mann zurückgeht, gibt es bei Badu den emanzipierten Mittelfinger in Richtung der Männerwelt.
Toronto und Südstaatenmix
Früher hat Erykah Badu handgemachten Soul gespielt. Sie selbst hat vor einiger Zeit gesagt, sie wollte jetzt einen neuen Sound machen und hat sich dabei anscheined am HipHop-Sound aus Toronto orientiert, also an Drake und der OVO Crew. Das sind minimalistische Beats mit Synthesizerflächen, die eher in Zeitlupe daherkommen. Für Erykah Badus hohe Ansprüche an Sounds und Arrangements ist das vorliegende Mixtape dadurch erstaunlich einfach und direkt geworden, aber das gibt dem Gesamtwerk einen luftigen Flow, der immer wieder zum Hören und Wiederhören animiert. In nur elf Tagen hat Badu But You Caint Use My Phone aufgenommen. Ein Mixtapealbum voller Leichtigkeit und Humor. Ihre Südstaaten-Roots vergisst sie aber doch nicht: Für den Track "Hello" hat sich die Badu Unterstützung von ihrem Ex-Freund Andre 3000 von Outkast geholt.
Mixkonzeptalbumtape
Wieso Erykah Badu, nach fünf Jahren Pause, mit einem Mixtape aufwartet und nicht mit einem ganzen Album, bleibt das Geheimnis der eigenwilligen Diva. Mixtape ist vielleicht auch nicht der passendste Ausdruck. Dies ist eher ein Konzeptalbum, das sich rund um das Telefon dreht. Badu diskutiert die Vor- und Nachteile unseres Kommunikationszeitalters mit Telefongebimmel, Warteschleifen, ironischen Zitaten. Daraus könnte eine kleine Hörstückfingerübung werden. Im Fall der Badu und ihren mannigfaltigen Talenten aber gelingt ein herausragendes Werk, bei dem der Begriff "Freizeichen" beim Telefonieren neue Bedeutung gewinnt.
Stand: 10.12.2015, 10.00 Uhr
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