Süpertunes - Romare | Songhoy Blues Collagierte Musikgeschichte & Blues-Update

Von Christian Werthschulte

Der Elektronik-Produzent Romare collagiert auf seinem Debütalbum afro-amerikanische Musikgeschichte. Die vier Musiker der malischen Band Songhoy Blues erweitern das Vokabular des Desert Blues.


Romare - Projections, Albumcover
Bild 1 vergrößern +

Cover des Albums "Projections" von Romare

Romare: Projections (Ninja Tune)

Als Kind war Romare von der Plattensammlung seines Vaters fasziniert: Blues, Jazz und Folk, alles säuberlich geordnet. An der Uni beschäftigte sich der Elektronik-Produzent aus Süd-London dann mit afro-amerikanischer Kulturgeschichte und schrieb eine Abschlussarbeit über Miles Davis. Heute nennt er sich nach Romare Bearden, einem Künstler, der das afro-amerikanische Leben im New York der Bürgerrechtsära in Collagen festgehalten hat. Und seine Musik? Die klingt, wie man es sich bei diesen Einflüssen vorstellt.

Bluesschnipsel aus dem Musikkontinuum

Auf seinem Debütalbum findet sich ein Stück, das Romare wie unter dem Mikroskop zeigt. Es heißt "Motherless Child", ein Zitat aus Richie Havens' Konzert in Woodstock, das über einem Grundgerüst aus Jazz- und Bluessamples liegt. Die Idee, afro-amerikanische Folk- und Popmusik in elektronische Musik zu übersetzen, ist aber nicht wirklich neu. Der deutsche Elektronikmusiker Ekkehard Ehlers hat schon um die Jahrtausendwende abstrakte Elektronikplatten aus Verweisen auf ein afro-amerikanisches Musikkontinuum programmiert. Aktuell beschäftigt sich der Produzent Labelle aus La Réunion auf ähnliche Weise wie Romare mit dem Maloya, der Sklavenmusik aus La Réunion.

Samplen für den Resonanzraum der Geschichte

Romares Sound macht jedoch das Zusammenspiel von Samples und Songarrangement aus. Auf "Work Song" beschäftigt er sich mit Liedern, die von Sklaven auf den Plantagen oder von Häftlingen bei der Strafarbeit a capella im Call-and-Response-Modus gesungen wurden. Romare nimmt diesen Modus auf, nutzt aber modulierte Samples dafür. Dadurch erzeugt er einen leicht maschinellen House-Rhythmus, über dem noch ein Gesangssample von Nina Simones "Work Song" liegt. Die Sängerin aus der Bürgerrechtszeit wiederholt "I'm working" und erinnert damit an die Sklaverei. Auf diese Weise öffnet Romare einen historischen Resonanzraum, in dem es aber - zum Glück - nicht belehrend zugeht. Man kann zu "Projectios" tanzen, zuhören, whatever. Ein vielschichtiges Debüt von einem Producertalent.

Songhoy Blues: Music in Exile (Pias Coop/Transgressive)


Songhoy Blues - Music in Exile, Albumcover
Bild 2 vergrößern +

"Blues aus Mali": Kaum eine Kurzbeschreibung im Global Pop ist so übersättigt mit Konnotationen: Bürgerkrieg, Tuareg-Kämpfer, lange Gitarrensoli. Auch Songhoy Blues aus Bamako bedienen diese Projektionen zum Teil - wie könnten sie auch anders? 2012 mussten die vier Musiker ihre Heimatstadt Timbuktu verlassen, weil die Islamisten dort die Macht übernommen hatten und das Musizieren verboten hatten. "Music in Exile" heißt ihr selbsternanntes Debütalbum.

Schafft, ein, zwei viele Desert Blues

Und damit enden die Parallelen zu den anderen Blues-Bands aus Mali wie Tinariwen auch schon. Denn Songhoy Blues geht über weite Teile sowohl die elegische Grundstimmung als auch das Bedürfnis nach Gitarrensoli ab, was viele Desert Blues-Stücke auszeichnet. Stattdessen bedienen sie sich bei vielen anderen Stilen. Auf "Ai Tchere Bele" hört man Anleihen aus dem Hi-Life, die kurz angeschlagenen Gitarren auf "Irganda" erinnern an die Talking Heads. Und "Nick" ist ein Blues-Rock-Song, der auf der Karohemden-Skala sehr weit oben anzusiedeln ist.

Vom Exil auf Welttournee

Sicher, das Rad der Rockmusik erfinden auch Songhoy Blues nicht neu. Aber "Music in Exile" wird so zu einem der abwechslungsreichsten Vertreter des malischen Blues. Das hat auch Damon Albarn erkannt. Der hatte die Vier für sein letztes Album von Africa Express verpflichtet und ist schon mit ihnen vor 5000 Menschen in London aufgetreten. Bereits im malischen Exil sind Songhoy Blues zu einer vielseitigen Band geworden. Das macht gespannt darauf, wie sie nach der ersten Welttournee klingen werden.


Stand: 19.02.2015, 17.00 Uhr



  • On Air
  • Playlist

    Playliste für europa
    Uhrzeit Interpret und Titel
    09.38 Mokoomba: Njoka
    09.31 Shaggy feat.Faydee, Costi Mohombi: I Need Your Love
    09.26 Hi Suhyun feat Bobby: I'm Different
    09.22 MoTrip feat. Lary: So wie du bist
    09.16 Nneka: Book Of Job
    09.12 Sarkodie feat. Pat Thomas: Bra
    09.06 iZem feat. Nina Miranda: Agua viva
    09.03 Talisco: Your Wish
    08.55 Banda Senderos feat. Minerva Diaz Pérez: Ay Nenita
    08.52 Ahmed Fakroun: Nisyan

    Playlist und Titelsuche

  • Livestream
  • Loop
  • Podcast