Süpertunes - Seu Jorge | Jill Scott: Senhor Big Voice & Lady Big Voice
Auf seinem sechsten Album grillt der brasilianische Crooner Seu Jorge wieder seine Landsleute und die us-amerikanische Neo-Soul-Diva Jill Scott zeigt in den 15 Songs ihres fünften Albums, dass sie eine der ganz großen und wichtigen Stimmen der Gegenwart ist.
-
Bild 1 vergrößern
+
Seu Jorge: Musicas Para Churrasco II
Seu Jorge: Musicas Para Churrascor II (Emarcy)
Seu Jorge, der Samba-Innovator mit der Superstimme, hat vier Jahre nach seinem Album "Musica para Churrascos Vol. 1" - übersetzt: "Musik für Grillpartys" - Vol. 2 auf den Rost gelegt. Zehn Songs, die perfekt zum Sommer passen und sich, wie es der Albumtitel ankündigt, als Soundtrack für Garten- und Grillpartys eignen. Hauptsache, man lässt die Mischung aus Mörderstimme, dicken Bass-Grooves, Samba, Funk und Soul laut aus den Boxen dröhnen.
Motoboy & bipolare Freundin
Seu Jorge liebt die Menschen und er beobachtet sie. Auf "Musicas para churrascos Vol.1" hat er damit angefangen, die Menschen in seiner Umgebung zu porträtieren: Neugierige Nachbarn, unsichere Teenager, einsame Männer, sexy Frauen, bingosüchtige Alte ... und im Sequel macht er damit weiter. Er hat den Radius allerdings erweitert auf die Brasilianer insgesamt. "Motoboy" zum Beispiel der erste Radio-Hit des Albums in Brasilien, ist eine Hommage an die Jungs, die in den Favelas alles mit Mopeds oder kleinen Motorrädern transportieren und liefern. In "Na verdade nao ta" singt der Samba-Funk-Brother "Keiner will mehr mit keinem direkt kommunizieren, alle stürzen sich kopfüber in ihren Bildschirm ... " Das ist Seu Jorges Kritik an der Selfie-und Smartphone-Manie. Und immer wieder geht es um eines seiner Lieblingsthemen, um Frauen, die haben allerdings Affektstörungen ("Ela é bipolar") oder sind aus Plastik ("Babydoll").
Um, dois, três
Seu Jorge steht auf die Siebzigerjahre, auf Bands wie Parliament, auf Blaxplotation-Soundtracks, auf exzessive Orgel- und Keyboard-Passagen, das kommt immer wieder durch, auch auf dem neuen Album. Man hört Wah-Wah-Gitarren-Effekte, Disco-Bässe, Bläsersätze oder Vocoder, ein bisschen Cuica und Cavaquinho. War Vol. 1 Samba-lastiger, ist Vol. 2 mehr Richtung Soul und R'n'B unterwegs, in die brasilianische Black Music der 70er. Mal sehen, was in Teil 3 passiert, den hat Seu Jorge schließlich angekündigt, das Ganze soll eine Trilogie über das Alltagsleben in Brasilien werden.
Superstar aus der Favela
Seu Jorge, der selbst aus einer Favela kommt, ist in Brasilien ein Superstar, so bekannt, dass er vor einiger Zeit nach L.A. gezogen ist, weil er nicht will, dass seine Familie immer im Rampenlicht steht. Auf den Straßen in seiner Heimat bleiben die Menschen nicht nur stehen, wenn sie ihn sehen, sondern auch, wenn er den Mund aufmacht und sie seine Stimme hören. Die rau und extrem männlich sein kann, aber auch hell, fröhlich und verspielt. Er kann den grölenden Carioca ebenso geben, wie einen Latin-Barry White oder wie im Song "Papo Reto" einen brasilianischen Curtis Mayfield.
_______________________________________________________________
-
Bild 2 vergrößern
+
Jill Scott: Woman
Jill Scott: Woman (Atlantic)
Ihre Stimme geht einem ganz tief unter die Haut, sie hat ihr schon drei Grammys eingebracht und sie ist so stark und präsent wie immer. Jill Scott ist Jill Scott ist Jill Scott, die Soul-Diva aus Philadelphia bleibt sich auch auf ihrem fünften Album treu. In ihren Gesängen stecken Leidenschaft, Leiden, Lebensblues und ganz viel Soul und Gospel-Feeling.
Man nehme:
Jill Scott hat ihr Rezept für "Woman" selbst verraten: "Klassischer Philly-Sound trifft Country-Rhythmus mit fesselndem Story-Telling". Das klingt griffig, sagt aber zu wenig über alles andere, was noch drin steckt, die großartigen Arrangements, der Retro-Soul, die Raps und und und. Es ist nach wie vor Neo-Soul, die Haupteinflüsse sind 60er und 70er Soul und Funk, man kriegt Gospel, Blues, Spoken Word Parts, sie ist schließlich Poetin und hat als junge Frau gedichtet und im Dunstkreis der HipHop-Band The Roots gerappt. Und sie singt ein paar wunderschöne Mid-Tempo-Balladen.
Wer ist Jill Scott?
Das Frausein war schon immer Jill Scotts Thema, und alles rund um ihr eigenes Frausein: Männer, Beziehungen, Essen, Kochen. Die 43-Jährige ist da ganz ehrlich und persönlich. In "Closure" geht es um eine Frau, die nie mehr für ihren Typen kochen und backen will, "Wild Cookie" ist eine Ode an die Vagina und "Fool's Gold" dreht sich um eine enttäuschte Liebe. Aber der Albumtitel "Woman" hat mit ihrem ersten Hammer-Album zu tun, das im Jahr 2000 erschienen ist und "Who is Jill Scott?" hieß. Die Sängerin hat erzählt, dass sie lange selbst nach einer Antwort gesucht hat und 15 Jahre später hat sie endlich eine gefunden: A Woman. Sie liebt zwar auch immer noch die Reste an Girlie in sich, aber inzwischen ist sie Mutter geworden und hat ein Song des Albums ihrem sechs Jahre alten Sohn Jet gewidmet.
Die Nummer 1
Das letzte Album von Jill Scott "The Light of the Sun" eroberte in den USA Platz 1 der Charts und mit "Woman" setzt sie das Gesetz der Erfolgsserie fort. Jill Scott kann es selbst nicht glauben, aber kaum war ihr fünftes Album erschienen, da saß es auch schon auf Platz 1 der Charts. Über 1,5 Millionen Streams in der ersten Woche, Downloads ohne Ende und das, obwohl sie keine "Mikrowellenmusik" macht, wie Jill Scott das nennt, was sich so im Mainstream eben auch tut. Die Menschen können dieser Stimme einfach nicht wiederstehen, weil sie spüren, dass da eine Frau über echte Gefühl und das echte Leben singt.
Stand: 13.08.2015, 21.00 Uhr
Seite teilen
Über Social Media