Süpertunes - Ballaké Sissoko & Vincent Ségal | Prince Winternacht in Bamako & Gemischtwarenladen aus Minneapolis

Von Christian Werthschulte

Ballaké Sissoko und Vincent Ségal präsentieren minimalistische Spielfreude aus den Winternächten in Bamako. Prince schwankt auf "HITNRUN Phase One" zwischen präziser Großartigkeit und ausufernder Beliebigkeit.


Ballaké Sissoko & Vincent Ségal: Musique de Nuit
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Ballaké Sissoko & Vincent Ségal: Musique de Nuit

Ballaké Sissoko & Vincent Ségal: Musique de Nuit (No Format)

Eine laue Winternacht in Bamako, im Hintergrund die Geräusche der Stadt, manchmal blökt eine Ziege. So ist "Musique de Nuit", das zweite Album von Ballaké Sissoko und Vincent Ségal, entstanden. Sissoko, geboren in Bamako, spielt die Kora, ein westafrikanisches Harfeninstrument. Schon mit 13 hat er mit dem Kora-Großmeister Toumani Diabaté zusammen musiziert. Vincent Ségal aus Paris hat Cello studiert, aber nach dem Studium hat er quer durch die Genres Musik gemacht: Pop, HipHop, Reggae und elektronische Musik. Die beiden spielen seit langem zusammen und ihre Musik ist aufreibend und selbstversunken zugleich.

Musikalische Formwandlung

"Musique de Nuit" ist eine musikalische Formwandlung. Vincent Ségal entlockt seinem Cello die unterschiedlichsten Töne. Mal streicht er mit dem Bogen über die Saiten und schafft so einen Kontrast zu dem perlenden, schwingenden Klang der Kora. Ein anderes Mal zupft er sein Instrument und begleitet das virtuose Koraspiel von Ballaké Sissoko wie mit einem Percussioninstrument.

Improvisation mit Sounds

"Musique de Nuit" ist eine virtuose Improvisation - aber nicht nur mit Tönen, sondern mit Klangfarben. Anders als in der Jazz-Improvisation, wo die Reaktion auf musikalische Motive im Vordergrund steht, geht es bei Sissoko und Ségal vor allem um den Klangeindruck. Ihre Musik ist dicht texturiert und vielfältig, aber die beiden Musiker bewegen sich mit großer Sensibilität aufeinander zu. Obwohl sie immer wieder neue Elemente, etwa vom Samba, in ihre Musik integrieren, wird ihr Zusammenspiel nie überbordernd. "Musique de Nuit" ist ein Album voll minimalistischer Spielfreude.

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Prince: Hitnrun - Phase One
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Prince: Hitnrun - Phase One

Prince: HITNRUN Phase One (NPG Records)

Prince ist wirklich zu beneiden. Seitdem er sich von seiner Plattenfirma unabhängig gemacht hat, kann der Instrumenten-Wizard aus Minneapolis tun und lassen, was er will. Auch "HITNRUN Phase One" wurde ohne große Promophase veröffentlicht - zuerst war es für ein paar Wochen auf Jay-Zs Streamingdienst Tidal erhältlich, dann wurde es als Boutique-CD zum Preis von 25 Dollar veröffentlicht. Nur ob sich Prince damit einen Gefallen getan hat, das steht auf einem anderen Blatt.

Neue Beliebigkeit

In den besten Momenten, etwa auf "1000 X's and O's" klingt die Musik auf "HITNRUN Phase One" nach dem Funk der Zukunft: präzise, sexy und unglaublich gut produziert. Auf dem letzten Album hatte Prince ja mit einer Frauenrockband zusammengearbeitet. Diesmal lässt er die Gitarren im Schrank und tauscht sie gegen Synthesizer. In den schlechten Momenten, etwa dem Duett mit seiner neuen Flamme Lianne La Havas, rutscht Pirnce jedoch in die Beliebigkeit ab, indem er Stil auf Stil schichtet: EDM, R&B, Dubstep.

Mal zum Davonlaufen, mal ein Treffer

Prince wollte immer schon zeitgenössisch klingen, auch auf seinen großen Hits aus den 80ern. Aber auf diesem Album ist der Spieltrieb mit ihm durchgegangen. Was nicht heißt, dass "HITNRUN Phase One" ein schlechtes Album ist, im Gegenteil. Immer wenn Prince sich seinem Signature Sound aus reduzierten, uhrwerkartig präzisen, funky Bassläufen und Drums annähert, gelingt es ihm, auch die cheesy EDM-Synthesizer in seine Songs einzubetten. Von daher ist "HITNRUN Phase One" fast schon prophetisch betitelt. Ein paar Songs zum Davonlaufen, aber beim Rest ist jeder Takt ein Treffer.


Stand: 25.09.2015, 10.28 Uhr