Süpertunes - Vinicius Cantuaria | Petite Noir Hommage an Bossa Nova und "Noir-Wave" mit Afrobeats

Von Steen Thorsson

Der brasilianische Sänger Vinicius Cantuaria veröffentlicht eine Hommage an den Urvater der Bossa Nova: eine liebevolle Erinnerung an den Altmeister Tom Jobim. Und das energiegeladene Debüt-Album des Newcomers "Petite Noir" aus Südafrika - ein Stilmix aus 80er Pop, Elektro und afrikanischen Sounds.


Vinicius Cantuaria - Vinicius Canta Antonio Carlos Jobim
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Vinicius Cantuaria - Vinicius Canta Antonio Carlos Jobim

Vinicius Cantuaria: Vinicius Canta Antonio Carlos Jobim (Sunnyside Records)

Der brasilianische Sänger und Gitarrist aus Rio bringt auf seiner neuen Platte ausschließlich Stücke des 1994 verstorbenen Antonio Carlos Jobim, auch bekannt als Tom Jobin. Er war einer der Erfinder des Bossa Nova - ein begnadeter Songwriter und der Komponist des Klassikers "Girl from Ipanema", von dem auf dem Album "Vinicius canta Antonio Carlos Jobim" natürlich eine Cover-Version zu hören ist. Einfach immer wieder wunderschön dieser Song, auch wenn Vinicius Tom Jobim singt. Ganz easy.

The Girl from Ipanema

Mit dem Titel "Girl from Ipanema" wurde Jobim zusammen mit dem US-Jazzpianisten Stan Getz weltbekannt. 1963 erhielten sie vier Grammys. Daraus ergibt sich eigentlich schon, was Cantuaria auf dem ganzen Album macht: keine große Innovation, sondern coole Neuinterpretationen der Songs von Altmeister Tom Jobim. Der war ein sehr großer Einfluss - man könnte sagen, Jobim war einer der musikalischen Ziehväter von Cantuaria. Cantuaria ist mit Bossa Nova in Rio aufgewachsen, lebt seit den 90ern in New York und ist jetzt 64 Jahre alt.

Ryuichi Sakomoto meets Bossa

Die Stärke des Albums liegt nicht in der Innovation, sondern vielmehr die Liebe und Eigeninterpretation, die in jedem der 13 Songs steckt. Cantuaria macht auf eine sehr respektvolle Weise seine ganz eigenen, feinen Arrangements. Dabei ist er sehr vorsichtig, man könnte sagen unaufgeregt - ganz im Sinne der Bossa Nova. Einige wirklich grandiose Gastmusiker hat Cantuaria für die Aufnahmen versammelt.

In dem Song "Insensatez" singt zum Beispiel die US-Jazzsängerin Melody Gardot ein sehr schönes Duett mit Cantuaria. Gardot streichelt quasi über die Musik. Das macht auch der japaner Ryuichi Sakomoto am Klavier. Sakamoto ist selbst großer Jobim-Fan und hat zu Lebzeiten auch mit ihm gespielt. Er begleitet Cantuaria in zwei Songs. Das kommt alles so locker rüber, dass man das Gefühl hat, sie jammen einfach bei einem Aperitif zusammen - irgendwo in einer Bar in Ipanema.

Vinicius Cantuaria trifft für eine Hommage an den Urvater dieses easy Brasil-Jazz-Styles wirklich den richtigen Ton. Es ist eine gelungene Liebeserklärung an beide: an den Bossa Nova und den großen Musiker Tom Jobim.

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 Petite Noir - La vie est belle / Life Is Beautiful
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Petite Noir - La vie est belle / Life Is Beautiful

Petite Noir: La vie est belle / Life Is Beautiful (Domino Records)

Hinter Petite Noir verbirgt sich Yannick Ilunga. Seine Biografie liest sich sehr kosmopolitisch. Er ist gerade mal 24, Sohn eines kongolesischen Vaters und einer angolanischen Mutter, geboren in Brüssel und aufgewachsen in Kapstadt, Südafrika. Er ist also viel rumgekommen auf dem afrikanischen Kontinent und auf der Welt, das hört man auch an seinem Sound auf dem neuen Album "La vie est belle / Life is beautiful".

"Noir-Wave" - 80er Synthiepop trifft auf Afrobeat

Südafrikanische, gebrochene Rhythmen treffen auf 80er Synthiepop und eine Stimme, die ein bisschen an Depeche Mode erinnert. Ilunga nennt seine Musik "Noir-Wave", also angelehnt an New Wave, Popmusik der 80er aus New York und London wie Talking Heads oder Joy Division. Dazu kommen afrikanische Elemente wie Shuffle-Grooves und Kwaitosounds, vermischt mit Marimba und Gitarrenriffs, die aus der Rumba Congolaise entliehen sind - zum Beispiel im Titeltrack "La Vie est Belle", zusammen mit dem belgisch-kongolesischen Sänger Baloji.

In Songs wie "La vie est belle" treffen Afro- auf Indiepop auf einen Dubstep Beat. Absolut Innovativ. Petite Noir will eine neue afrikanische Sound-Ästhetik entwickeln. Einen Sound, der nicht spezifisch afrikanisch ist, aber durchaus afrikanische Elemente trägt. Diese Brüche zwischen Tradition und Moderne sind auch in den sehr aufwändig gemachten Videos zu sehen.

Petite Noir kommt aus einer neuen Musiker-Generation und will mit seinem Sound Klischees sprengen. Dafür stehen Songs wie "Down", bei dem man das Gefühl hat, Fela Kuti trifft auf New Order. In dem Stück kommt auch Petite Noirs politische Message zum Ausdruck: "We're not going down". Eine Kampfansage gegen Rassismus, die aber auch optimistisch gemeint ist: Es kommen bessere Zeiten, oder wie Petite Noir sagt. "I am trying to get some change."

Innovativer Klangteppich

"La vie est belle" ist auf jeden Fall ein starkes, innovatives Album. Petite Noir schafft es, Retrosound mit afrikanischen Rhythmen, verstörenden Geräuschen und versteckten politischen Botschaften zu einem sehr eigenen Klangteppich zu verweben. Dabei bleibt er sich treu: keine Klischees und ein Album, das musikalische Grenzen sprengt.


Stand: 11.09.2015, 09.00 Uhr