Interview mit UNO-Sonderberichterstatter Marzuki Darusman Nordkoreanische Zwangsarbeiter in Polen

50.000 Nordkoreaner verrichten im Ausland Zwangsarbeit. So lautet ein am Donnerstag (29.10.2015) vorgestellter Bericht des UNO-Sonderberichterstatter Marzuki Darusman. Der Bericht erwähnt einige afrikanische Länder, China und Russland, aber auch das EU-Land Polen. Im Interview mit Funkhaus-Europa-Moderatorin Evren Zahirovic erläutert Darusman seine Erkenntnisse.


 Marzuki Darusman, UNO Sonderberichterstatter
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UNO-Sonderberichterstatter Marzuki Darusman


Funkhaus Europa: In ihrem Bericht erwähnen sie nordkoreanische Zwangsarbeiter, die sich auch in Polen befinden, in einem EU Land. Wie ist das möglich?

Marzuki Darusman: Die Informationen stammen aus einem Bericht der internationalen Datenbank für Menschenrechte in Nordkorea, einer Nichtregierungsorganisation. Diesen Bericht haben wir analysiert und halten ihn für korrekt. Polen wird dort eindeutig als Ziel für die Arbeiter genannt – neben mindestens zehn anderen Ländern, darunter China und Russland. Diese Zustände sind erst innerhalb der letzten zwei Jahre ans Licht gekommen, obwohl sie wohl schon deutlich länger bestehen. Dieser Skandal ist der internationalen Gemeinschaft bislang entgangen. Aber dank der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen haben wir nun ein echtes Dossier über das Problem. Endlich konzentriert sich die UN also auf dieses Problem – und es wird in den nächsten Jahren ein bedeutendes Thema sein.

Funkhaus Europa: Haben sie konkrete Beispiele - in welchen Regionen und in welchen Unternehmen in Polen diese Menschen arbeiten müssen?

Marzuki Darusman: Die genauen Orte, wo die Arbeiter eingesetzt werden, sind noch nicht verfügbar. Aber die Daten wurden in Interviews mit Verantwortlichen erhoben und was wir sagen können ist, dass die Arbeiter in Gruppen über das Land verteilt wurden und für Arbeit auf Baustellen, im Bergbau, in der Textilherstellung und einigen anderen Bereichen eingesetzt wurden.

Funkhaus Europa: Wie kann diese Art von Sklaverei im 21. Jahrhundert abgeschafft werden? Was fordern Sie?

Marzuki Darusman: Wir haben hier eine ähnliche Situation wie beim Menschenhandel. Deshalb muss die internationale Gemeinschaft starkes Engagement zeigen. Zunächst mal muss die Problematik ans Licht gebracht werden, so wie es auch beim Handel mit Frauen und Kindern geschieht. Hier muss Aufmerksamkeit erregt werden. Und dann muss die Problematik auf diplomatischer Ebene mit den betroffenen Ländern geklärt werden. Am besten wäre es, wenn die nordkoreanische Regierung sich in der Sache so äußert, dass zum Beispiel die polnische Regierung anfängt, die Sache aufzuklären.

Funkhaus Europa: Gab es irgendwelche Reaktionen aus Nordkorea auf ihren Bericht?

Marzuki Darusman: Die Nordkoreaner haben unseren Bericht ignoriert. Denn wenn sie auf Details der Analyse eingehen, würde es bedeuten, dass sie dem Bericht einen Wahrheitsgehalt einräumen. Deshalb reagieren sie nicht. Man muss aber bedenken, dass dieses Thema noch recht neu ist. Es könnte also noch etwas dauern, bis das Thema auch in der UN-Generalversammlung und dem Menschenrechtsrat Wellen schlägt.



Stand: 30.10.2015, 10.00 Uhr



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