Bestsellercheck - Januar 2016: Familiengeschichte(n)
Ganz oben in den Büchercharts zwei sehr unterschiedliche Familiengeschichten: "Cop Town. Stadt der Angst", ein Polizeithriller von Karin Slaughter. Und "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke", eine Hommage von Joachim Meyerhoff an seine Großeltern.
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Karin Slaughter: Cop Town. Stadt der Angst
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- Audio: Bestsellercheck - Januar 2016 | FHE (13.01.2016) (04:18 min.) Ohne Sendungsnamen
Karin Slaughter, geboren 1971, ist eine der erfolgreichsten Thriller-Autorinnen, ihre auf Effekt gebürsteten Mitfühl-Metzel-Thriller verkaufen sich weltweit, die Auflagen gehen in die Millionen. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Um so erstaunlicher, wenn eine solche Autorin mal was ganz anderes versucht, einen klassischen Polizeiroman, ein Sub-Genre also, in dem Erfolg möglich, aber nicht garantiert ist.
"Cop Town. Stadt der Angst" (Blanvalet, 14,99 Euro) erzählt aus Atlanta, im Jahr 1974, aus der Sicht zweier Frauen, die Karriere bei der Polizei machen wollen, allen Widerständen zum Trotz. Und die Widerstände sind gewaltig, Frauen will bei der Polizei keiner haben, ebenso wenig wie Schwarze, Juden, Schwule. Und genau diese "Außenseiter" unter den Bullen sind es, die ein Cop-Killer im Visier hat, so viel zur Geschichte.
"Cop Town" ist ein knallharter, kalter, zugespitzter, atmosphärisch dichter, zeitgeschichtlich genauer und ungewöhnlicher Polizeithriller, der vieles richtig, leider aber auch zu viel falsch macht, um tatsächlich so sensationell zu sein, wie das gewollt ist: Man merkt der Geschichte von Beginn an ihre Überambitioniertheit, ihren Willen zur "Kunst" an, diesem Roman fehlt etwas, das essentiell ist für gute (Spannungs-)Literatur: Lockerheit. Karin Slaughter schafft es zudem (noch) nicht, sich genügend deutlich von ihren Wurzeln im Trash for Cash zu lösen, insbesondere in der Zeichnung von Figuren und Milieus bleibt sie letztlich viel zu simpel und geordnet. Insofern: "Trivialliteratur", das allerdings vom Feinsten.
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Joachim Meyerhoff: Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Eines der erstaunlichsten Phänomene in den Bestsellerlisten der letzten Jahre war - und ist - der Erfolg der Geschichten von Joachim Meyerhoff, geboren 1967. Meyerhoff? Kein Prominenter, kein "richtig" Prominenter zumindest. Meyerhoff ist (Theater-)Schauspieler, er hat ein paar Jahre in Hamburg gespielt, seit zehn Jahren ist er Ensemblemitglied beim Burgtheater in Wien. Keiner, bei dem man erwarten könnte, dass Hunderttausende zugreifen, wenn er seine Lebensgeschichte erzählt. Genau das geschah allerdings - zunächst in "Alle Toten fliegen hoch" (erschienen 2013) und "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?" (Anfang 2015).
Im dritten Teil seines Erinnerungszyklus - "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" (KiWi, 21,99 Euro) - erzählt Meyerhoff aus den 1980er Jahren, von seiner Zeit bei der Münchener Schauspielschule - und vor allem von seinen Großeltern, bei denen er seinerzeit lebte. Genau genommen spielt er, der Erzähler, eigentlich bloß eine Nebenrolle: Die Großeltern stehen im Zentrum, ein liebenswert schrulliges, großbürgerliches Gespann, er Philosophieprofessor um Ruhestand und sie ehemalige Schauspielerin.
Die großartigen, großherzigen - stets leicht angetrunkenen - Großeltern sind es einerseits, die einen für dieses Buch einnehmen, Meyerhoffs Hommage ist aller Ehren wert. Andererseits ist es auch die Art, wie Meyerhoff von ihnen und von sich erzählt: entspannt, spielerisch - und ebenfalls mit großem Herzen. Ob das den Erfolg erklärt, keine Ahnung. Verdient ist er allemal.
Stand: 12.01.2016, 21.00 Uhr
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