CD der Woche - Akö: Alle Wege führen zum Blues
Blick Bassy hat eine magische Stimme und magische Finger. Auf "Akö" verbeugt sich der kamerunische Musiker vor Blueslegende Skip James. Herausgekommen ist ein traumhaftes Album, das Bassy nun beim Funkhaus Europa Radiokonzert live präsentiert.
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Blick Bassy: Akö
Gesungen hat Blick Bassy schon mit drei Jahren, zusammen mit seinen 20 Geschwistern war er im Kirchenchor im Dorf. Das hatte sein Vater auf einem 300 Hektar großen Stück Land im Zentrum Kameruns gegründet und dort alles aufgebaut: einen Markt, eine Schule, eine Kirche. Und immer, wenn der Pfarrer einen Gottesdienst abhalten wollte, mussten die 21 Kinder singen, damit die Dorfbewohner kamen. Die Engelsstimme hat Bassy heute noch, auch wenn er inzwischen nicht mehr von Gott singt, sondern von der Landflucht in seiner Heimat, von der Suche nach der eigenen afrikanischen Geschichte, von der Kindheit und der Liebe.
Der böse Onkel
Damit der kleine Blick Bassy lernt, wie man einen Acker bestellt, hatte der Vater ihn zu Verwandten aufs Land geschickt. Es gab dort Arbeit von morgens bis abends, keine Elektrizität und einen Onkel, der sehr streng war. Der Neffe sah ihn nur einmal im Jahr lächeln: wenn Mout Iloun vorbeikam, ein Musiker und Sänger, der für die Dorfbewohner Musik machte. Da plötzlich entspannte sich der Onkel. Das hinterließ bleibenden Eindruck auf Bassy, er wollte unbedingt dasselbe machen, die Menschen vergessen lassen, dass das Leben hart ist. Wollte Gitarre spielen und singen, damit die Menschen lächeln und glücklich sind.
Nach dem Abitur sollte er jedoch zum Studium nach Frankreich oder in die USA und nicht Musiker werden. Weil er das verweigerte, ließ sein Vater einen Priester kommen, der ihm die bösen Geister austreiben sollte. Bassy floh und gründete seine Band Macase, mit der er zehn Jahre extrem erfolgreich war und sogar auf großen Festivals in Europa auftrat. Doch dann frustrierten ihn die Produktionsbedingungen und das Musikbusiness in Kamerun so sehr, dass er nach Frankreich ging. Deshalb hat er übrigens auch einen Blog, auf dem sich afrikanische Künstler über alles informieren können, was man so im Musikbusiness wissen muss. "Akö" ist schon das dritte Album, das der 41-Jährige außerhalb seiner Heimat gemacht hat. Aber obwohl er geografisch entfernt lebt, nähert er sich musikalisch immer mehr der Heimat an.
Die Kälte und der Zufall
Vor zehn Jahren kam Blick Bassy nach Frankreich, lebte zuerst in Paris, zog dann zurück in den Mikrokosmos, in ein kleines Dorf im Nord-Pas-De-Calais. Doch da im Norden ist es kalt, und als 2012 die Heizung ausfiel, fand er das wenig prickelnd. Frierend zog er in sein Wohnzimmer, wo in einer Ecke etwas Studioequipment herumsteht und an der Wand dahinter seine Helden prangen: Fotos von Mama, Charlie Chaplin, Marvin Gaye, vom panafrikanischen Aktivisten und Politiker Thomas Sankara, vom legendären kamerunischen Musiker und Sänger Bikoko Aladin und von Skip James.
Am Bild des schon lange verstorbenen Bluesmannes aus dem Mississippi-Delta blieb er hängen und dachte sich: Was hat dieser Mann - von Rassentrennung bis Armut - alles aushalten müssen? Dagegen bin ich doch gut dran. Plötzlich war die Kälte nicht mehr so schlimm, und Bassy fing fast automatisch an, kleine Melodien auf seiner Gitarre zu spielen. Lächelnd erzählt er: "Und während ich darauf gewartet habe, dass meine Heizung repariert wird, das hat zwei Wochen gedauert, habe ich etwa zehn Songs komponiert."
New Orleans, Yaoundé und zurück
Skip James ist ein Ausnahme-Bluestalent mit einer Falsettstimme und einer ganz eigenen Art, Gitarre zu spielen. Als Bassy ihn das erste Mal hörte, dachte er, dem Dorf-Troubadour aus seiner Kindheit wieder zu begegnen. "Ich fand, dass es nicht nach Englisch klang, wenn er sang, das hörte sich an wie eine der Sprachen bei uns. Sein Spiel, seine Stimme, mit dieser Sanftheit, ich hatte das Gefühl, das ist kein Amerikaner, das ist Musik aus meiner Heimat." Das Album "Akö" ist unter diesem Einfluss entstanden, und es gibt sogar eine 40 Sekunden lange Hommage an Skip James, den Song "SJ", auf dem Bassy seine ohnehin hohe Stimme noch etwas höher schraubt, um dem Original zu gleichen.
Musikalisch hat er einen Hybrid geschaffen, eine völlig homogene Mischung aus Mississippi-Blues und Bassa-Blues. Und damit wirft er auch unsere Vorstellung über den Haufen, dass Blues aus Afrika nach Ali Farka Tourés klingen muss oder wie andere Musik aus Mali. Blick Bassys Blues ist poetischer, zarter, verträumter, souliger, intimer, manchmal fast nackt, so wenig braucht er außer seiner Stimme und seiner Akustik-Gitarre.
Meilenstein des Global Pop
"Akö" ist pure Magie. Blick Bassy singt - bis auf wenige Worte Englisch - auf Bassa, einer Bantusprache, mit der er aufgewachsen ist, und die er vor dem Aussterben retten will. Obwohl man kein Wort versteht, kommen die Gefühle auch bei europäischen Zuhörern an. Es ist, als ob sich seine kamerunischen Wurzeln unterirdisch mit denen des Mississippi-Blues verschlungen hätten und nun aus ihnen eine neue Pflanze, sprich ein neuer Blues entsteht.
Bassys Stimme säuselt, singt, murmelt, summt und klingt manchmal wie ein Echo, das aus der Ferne kommt. Kongeniale musikalische Unterstützung bekommt er von Clément Petit am Cello, Olivier Ker Ourio an der Mundharmonika. Elektronikproduzent und Blueskenner Nicolas Repac schiebt dem ganzen immer wieder kleine Samples unter. Eine Hauptrolle - nicht nur musikalisch sondern auch emotional - spielt die Posaune von Fidel Fourneyron. Sie erinnert Blick Bassy an den Zug, der im Dorf vorbeifuhr und dessen Pfeifen man schon von Ferne hören konnte.
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Stand: 01.06.2015, 00.00 Uhr
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