Der Soundtrack von... - Adrian Younge Something about Adrian

Produzent und Filmkomponist Adrian Younge gelingt es immer wieder, den Psychedelic Soul der späten 60er und 70er Jahre neu aufleben zu lassen und ihm einen individuellen Charme einzuhauchen. Im "Soundtrack von… - Adrian Younge" erzählt er u.a. von seiner Zusammenarbeit mit Ghostface Killah und warum ausgerechnet Ennio Morricone ihn zu dem Produzenten machte, der er heute ist.


Adrian Younge

Adrian Younge ist wohl einer der gefragtesten HipHop-Produzenten unserer Zeit. Doch anders als seine meisten Kollegen bevorzugt er analoge Klänge und spielt für seine Aufnahmen alle Instrumente selbst ein. Ohne Samples, ohne Computer.

Für den Film "Black Dynamite" komponierte Younge 2009 den Soundtrack. 2011 erschien sein Album "Venice Dawn: Something About April", das in Italien entstand - Ein psychedelisches Werk mit cineastischen Instrumentals und HipHop-Charakter. Der Nachfolger "Something About April II" kommt nun im Januar.

Im Juli 2015 veröffentlichte er auch den zweite Teil seiner 2013 erschienenen Platte "Twelve Reasons To Die" - ein düsteres Mafia-Konzeptalbum, für das er mit dem New Yorker Wu-Tang Clan zusammenarbeitete, allen voran mit Ghostface Killah.

Wer bist du und was bedeutet dir Musik?


Vinyl
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Ich bin ein moderner Komponist, der zurückblickt um voran zu kommen. Ich liebe die Vinyl-Kultur, ich liebe analoge Aufnahmen und ich liebe die Musik von damals. Ich schaue gerne zurück und lasse mich von den Produzenten, den Musikern und Toningenieuren von damals inspirieren, um Musik für die heutige Zeit zu machen.

Was ist deine erste schöne Erinnerung an Musik?

Meine erste schöne Erinnerung an Musik sind die alten Platten von der PBS Show "Sesamstraße". Das ist eine Kindersendung hier in den USA.

Wer hat dir zuerst Musik empfohlen?

Meine Eltern waren die ersten, die mich mit Musik in Berührung brachten. Sie kommen aus Guyana in Südamerika, ich bin also in der karibischen Kultur groß geworden. Durch sie habe ich viel Soulmusik kennengelernt, viel Soca und Reggae. Aber auch HipHop.

Welches Album hast du dir zuerst gekauft?

Das erste Album, das ich mir selbst mit meinem eigenen Geld gekauft habe, war "Thriller" von Michael Jackson. Ich weiß noch, ich habe es jeden Tag von morgens bis abends gehört.

Welche Platte hat dein Leben verändert?

Es gibt viele Platten, die mein Leben verändert haben. Aber die erste Platte, die mich wirklich beeinflusst hat, war "The Low End Theory" von A Tribe Called Quest. Der Grund ist, dass dieser HipHop-Klassiker mich zum Jazz gebracht hat. Vorher kannte ich Jazz nicht. Und die Art wie A Tribe Called Quest aus seltenen Soul, Jazz und Funk Platten neue Töne erzeugten, haute mich um. Ich kann mich noch erinnern, wie glücklich ich damals war, als ich die Kassette in meinen Händen hielt. Wenn ich jetzt Musik mache, versuche ich, die Erwartungen der Leute zu erfüllen. Diese Erwartungen hatte ich als Kind auch, wenn ich etwas Neues gekauft hatte. Auf dieses Album schaue ich immer zurück, als Inspiration für die Musik, die ich heute mache.

Ein Konzert, das du nie vergessen wirst?


Michael Jackson
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Ein Konzert, das ich nie vergessen werde - ich meine, ich habe viele Konzerte gesehen, aber wenn ich an meine Jugend zurückdenke, dann fällt mir das Konzert von Micheal Jackson auf der Jackson Five Reunion Tour ein. Das war faszinierend. Als Jugendlicher die Jackson Five zu erleben, in einer Zeit, zu der Micheal Jackson mit Thriller richtig populär war, das haute mich um. Ich erzähle den Leuten immer, dass es früher in den 80ern und auch davor etwas völlig anderes war, ein Superstar zu sein im Vergleich zu heute. Und ein Zeitzeuge davon zu sein, wenn du jung bist, ist einfach großartig.

Welche Platte oder welcher Künstler bringt dich zum Weinen und warum?

Bisher hat mich noch keine Platte zum Weinen gebracht. Aber ich versuche Musik zu kreieren, die die Leute zum Weinen bringt. Wenn ich bewegende Musik höre, dann halte ich erstmal inne, es stimuliert mich sehr, ich werde dann sehr nachdenklich. Künstler, die das können, sind für mich Leute wie Ennio Morricone oder auch Stevie Wonder. Das sind Komponisten, die berührende Musik kreieren, die noch nicht mal Text beinhalten, also rein instrumental. Und ich versuche dann dieses Gefühl beim Hören aufzugreifen, sodass die Leute, die meine Musik hören, auch davon berührt werden. Manchmal auch bis sie weinen müssen. Wenn wir auftreten, dann sehen wir, dass Leute manchmal Tränen in den Augen haben. Für uns als Band ist das sehr emotional. Weil es bedeutet, dass wir allein durch die Schwingungen in der Luft die Menschen berühren, und das bedeutet uns sehr viel.

Welche Platte hörst du um im Kopf woanders hinzureisen?

Eine Platte, die mich gedanklich weit wegreisen lässt - es gibt sehr viele, aber eine, die in den letzten 20 Jahren erschienen ist, ist "Moon Safari" von der französischen Band Air. Dieses Album hat einfach so viel Tiefgang. Es ist elektronisch, es ist organisch, es ist emotional und cineastisch. Das ist eines der Alben, die ich immer hören kann und niemals müde davon werde.

Wenn du eine Zeitmaschine hättest, die dich zu einem historischen Musikereignis bringen könnte, wohin würdest du reisen?

Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, die mich zu einem historischen Musikereignis bringen könnte, dann würde ich gerne Marvin Gaye live sehen. Er hat für sein "I want you" Album ein Release-Konzert in Amsterdam gegeben. Ich schaue mir das Konzert immer in Youtube an. Das ist total faszinierend. Ich würde das sehr gerne live sehen.

Welche Platte hat dich zuletzt begeistert?


Ray Brant
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Es gibt viele Platten, die mich vor kurzem begeistert haben, weil neue Musik für mich wie alte Musik ist, die ich nie gehört habe. Ich höre nicht viel moderne Musik, deswegen ist es eigentlich unfair von mir diese Frage zu beantworten. Aber ich habe neulich eine alte Platte entdeckt von Ray Bryant, die heißt "Up Above the Rock". Ich liebe das ganze Album. Das kam in den 60ern raus.

Wie sieht die Zukunft der Musik aus?

Die Zukunft der Musik sieht für mich düster aus. Aber das hängt damit zusammen, dass ich einfach ein Fan von alten Platten bin. Ich hoffe aber, dass dieser aktuelle Sound wieder die Kurve kriegt und wieder mehr organisch wird, das mag ich persönlich einfach lieber. Aber ich bezweifle, dass das passieren wird, wenn nicht mehr Produzenten wieder analog produzieren. Ich glaube, dass sich aktuelle Musik gerade verschlechtert, weil es einfach nicht besser wird. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Auf welche Platte würdest du nie verzichten?

Ein Album, das ich immer bei mir haben werde, ist das zweite Album von Portishead. Ich liebe, liebe, liebe dieses Album. Von Geoff Barrow bis Beth Gibbons, es ist einfach faszinierend. Die Komposition, die Sound-Struktur. Einfach alles. Sie sind damit damals gegen den Strom geschwommen und es hat sich als Klassiker erwiesen.

Welcher Song soll auf deiner Beerdigung laufen?

Ich mag es eigentlich nicht über Platten zu reden, die auf meiner Beerdigung laufen sollen. Aber hier mache ich mal eine Ausnahme. Auf meiner Beerdigung soll "Something about Arpil" gespielt werden.

Wie war die Arbeit mit Ghostface Killah?


Twelve Reasons to Die II
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Über die Arbeit mit Ghostface Killa kann ich sagen, dass ich zunächst alle Stücke in meinem völlig analogen Studio selbst geschrieben und aufgenommen habe. Viele Leute glauben, dass ich sample. Aber alles ist live eingespielt. Alles ist auf Band aufgenommen. Mein Studio könnte aus den Jahren zwischen 68 und 73 sein. Alles ist authentisch und organisch. Keine Plugins, keine Computer. Alle Instrumente sind tatsächlich live eingespielt. Ich habe die Handlung für den ersten Teil mit meinem Bandkollegen C.E. Garcia geschrieben und für den zweiten Teil ließ ich ihn die Geschichten dazu schreiben. Nachdem die Musik fertig war, habe ich diese Geschichten an die MCs geschickt. Ghostface Killah war dabei einer der Hauptakteure. Wir haben zusammen Texte geschrieben und entschieden, an welcher Stelle er was genau rappen soll. Wenn es also zum Beispiel in einer Szene um eine Autoverfolgungsjagd ging, dann habe ich ihm die Richtung dazu vorgegeben, was er dazu texten soll und wie er es aufnehmen soll. Und er hat meine Erwartungen noch übertroffen.

Warum spielt die Story deines zweiten Albums in New York?

Der Grund, weshalb ich für das zweite Album New York als Spielstätte ausgesucht habe, ist, dass das erste szenisch in Italien spielte. Das war eine italienische Krimi-Geschichte, die im Jahr 1968 spielt. Und weil Ghostface Killah und der Wu Tang Clan aus New York sind, war es für mich sonnenklar, dass die zweite Geschichte in New York handeln muss.

Woher kommt deine Faszination für die Mafia?

Meine Faszination für Mafia Geschichten beruht auf der kriminellen Perspektive, die der Wu Tang Clan schon früher in seinen Klassiker-Alben abgeliefert hat. Jetzt ein neues Album mit den Mitgliedern vom Wu Tang Clan aufzunehmen und dabei diese kriminelle Perspektive zu nutzen, für diese Mafia-Geschichte - davon konnte ich nur profitieren.

Wer ist dein Lieblings-Filmkomponist?

Mein Lieblings-Filmkomponist ist Ennio Morricone. Aus mehreren Gründen. Ein Grund ist seine Vielseitigkeit. Wenn du seine Werke der vergangenen Jahrzehnte studierst, merkst du, dass er auf fesselnde Art und Weise in der Lage war, sich anzupassen. Er verwendete elektronische Instrumente, währende viele andere Komponisten davor zurückgeschreckt sind. In vielen meiner Lieblingsfilme hat er die Spannung durch audiovisuelle Steigerungen auf die Spitze getrieben. Ganz ehrlich - wenn es Ennio Morricone nicht gegeben hätte, wäre ich nicht der Produzent, der ich heute bin.


Stand: 29.12.2015, 15.05 Uhr