Süpertunes - Bachar Mar Khalifé | Nicole Willis & The Soul Investigators Elektro-Balladen aus dem Libanon & Soul aus Finnland

Von Johannes Paetzold

Bachar Mar-Khalifé aus dem Libanon ist Multiinstrumentalist, klassisch ausgebildeter Pianist und hat mit seinem Album "Ya Balad" eine sehnsüchtige Eloge an seine Heimat komponiert. Nicole Willis aus Brooklyn lebt in Finnland und zeigt, dass Soul gerade in kalten dunklen Wintergefilden Herz und Gemüt wärmt.


 Bachar Mar Khalifé: Ya Balad
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Bachar Mar Khalifé: Ya Balad

Bachar Mar Khalifé: Ya Balad (InFiné)

Er ist Sohn des libanesischen Oud-Spielers Marcel Khalifé. Wie der Vater ist auch Bachar Mar-Khalifé in Frankreich bekannt, sein neues Album "Ya Balad" wird von Le Monde bis Liberation rezensiert. Bachar Mar Khalifé, 32-jährig, spielt gleich mehrere Instrumente, hat klassische Musik am Konservatorium in Paris studiert, "Ya Balad" ist bereits sein drittes Album.

Heimat im Geruch einer Kaffeetasse

"Ya Balad" übersetzt: Oh Heimat. Khalifés, der mit sechs Jahren mit seinen Eltern nach Frankreich emigrierte, erzählt von den Schmerzen im Exil aufzuwachsen, abgeschnitten vom Heimatland, gezeichnet vom Bürgerkrieg. Das Album ist dunkel, aber nicht düster. Typisch der ruhige Song, eine minimalistische Ballade im Duett mit der iranischen Schauspielerin Golshifteh Farahani. Die Film-Verbindung bei Khalifé ist groß, er hat mit Regisseuren gearbeitet, als Soundtrack-Komponist. Khalifé singt von nostalgischen Erinnerungen, Kondensmilch, Kaffeeschwaden, dem Geschmack von Thymian und dem Geruch von Seife. Diese Tiefe, diese Innigkeit vermittelt sich auch ohne Verständnis der arabischen Sprache, Khalifé orchestriert seine Erinnerungen sehr eindringlich, von Wort bis zu Musik. Das muss auch nicht immer als melancholische Ballade sein, Songs wie "Lemon" oder "Wolf Pack" springen auf treibenden elektronischen Klängen an uns vorbei.

Barock Cembalo & Avantgarde

Khalifé bietet uns eine große musikalische Breitseite. Manchmal klingen seine repetitiven Klavierläufe wie in der Minimal Music eines Philipp Glass, aber Khalifé hat auch mit Techno-DJ Carl Craig gearbeitet. Bei ihm wird der Sequencer genauso eingearbeitet wie die arabische Nay Flöte. Und immer wieder klingt auf "Ya Balad" das Cembalo. Ein Barock Cembalo, einen Viertelton nach unten gestimmt. Der Libanese experimentiert, dreht und schraubt. Seine Rhythmen sind komplex, filigran. Der Gesang von Khalifé, mal arabesk, dann wieder geradlinig, aber und immer mit einer dunklen Erzählstimme, die uns jedes Mal aufhorchen lässt.

Erinnerungen – so nah

"Ya Balad" ist ein Album über das Heimatland, das so nah in der Erinnerung und doch so fern ist. Und trotzdem kein entlegenes schwieriges Werk ist. Die Verbindung von libanesischer und französischer Kultur hat der Welt immer wieder tolle Künstler geschenkt. Yasmin Hamdad, um ein Beispiel zu nennen, die Indie-Rock, Folk, Elektronik und Ballade miteinander verbindet. Oder Bar Machar Khalifé, mit einem wunderbaren Album, das uns klanglich den Libanon näherbringt, in seiner Tonalität, seiner Kultur und seinen Emotionen.

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Nicole Willis & The Soul Investigators: Happiness In Every Style
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Nicole Willis & The Soul Investigators: Happiness In Every Style

Nicole Willis & The Soul Investigators: Happiness In Every Style (Timmion Records)

Riesig ist das derzeitige Reservoir und Repertoire von Künstlern des Soul Revivals Palette. Nicole Willis und ihre Soul Investigators sind in der Liga keine Unbekannten. Die Musikerin aus Brooklyn ist auch schon in ihren 50ern, hat schon bei The The als Background-Sängerin gearbeitet und mit Curtis Mayfield im Duett gesungen. "Happiness In Every Style" ist ihr neues Album mit ihrer Band den Soul Investigators.

Soul in a finnish style

Nicole Willis ist US-Amerikanerin, hat in London gelebt, seit vielen Jahren aber in Helsinki. Sie ist die Lebensgefährtin des finnischen Musikers Jimi Tenor, die beiden haben zwei Kinder zusammen. Funk und Soul geben zu Hause also den guten Ton an. Jimi Tenor, Saxophonist, Afrofunkster, ist auf diesem Album mit seinem Tenorsaxophon neben den Soul Investigators zu hören. Der populäre Musiker ist aber nicht Lebensgefährte und musikalischer Strippenzieher in Einem. Tenor hat jüngst mit kruden Freejazzalben von sich reden gemacht, die Tonalität von "Happiness In Every Style" spricht eine andere musikalische Sprache, ist viel melodiöser, weicher.

Happiness in every style

Der Albumtitel klingt nach der Dosis Fröhlichkeit die wir für den kommenden Winter gebrauchen könnten. Wenn Glückseligkeit in den Songs hier zu finden ist, dann aber kein ausgelassener sommerlicher Übermut, sondern eher die innere Zufriedenheit, die Gewissheit den richtigen endlich gefunden zu haben, wie im Opener "One In A Million". Die Soul Investigators blasen die Melancholie des R'n'B in ihren Bläsersätzen. Die Akkordsequenzen der Beatles, der Northern Soul Großbritanniens kommt dazu. Und auch alte psychedelische Beatnikzeiten werden zitiert, wenn Jimi Tenor die Querflöte wieder rausholt. Happiness überzeugt vor allem in den Balladen wie in "Where Are You now?" Und wenn man eine Ballade so gefühlvoll spielen und singen will im Soul, dann muss man über lange Zeit zusammen gewachsen sein. Die Soul Investigators sind seit über 20 Jahren dabei, noch vor dem Soul Revival haben die ins Horn geblasen. Zwei Instrumentalstücke auf dem Album lassen keine Zweifel an ihren Qualitäten.

Soul in every beat

Diese tighte Soulband ist der perfekte Begleiter zu Nicole Willis und ihrer großen Soulstimme. Von groovenden Bläsersatz und einer innigen Ballade von Nicole Willis bis hin zum funky Gitarrensolo, wo die Soul-Lady dann ihre Stimme aufpeitschen lässt. Das Zusammenspiel von Bläsersatz und Stimme ist eines der herausragenden Merkmale dieses Albums. Texte, mit Tiefe, mit Lebenserfahrung: "Ich will jetzt eine Familie, Du bist ein Familienmann, wir sind füreinander geschaffen, sollen wir ein Team sein, über den Ozean segeln bei allen Stürmen?!" So ein Soul-Album kann man nur herausbringen, wenn man lange an seiner Kunst gefeilt hat. So wie Nicole Willis und ihre Soul Investigators eben.


Stand: 15.10.2015, 21.00 Uhr