Süpertunes - Benny Sings | Senegal 70: Amsterdamer Soul-Nerd und Raritäten aus dem Senegal
Benny Sings kombiniert warmen Soul-Pop mit digitaler Sound-Ästhetik. "Senegal 70" kompiliert Raritäten aus der senegalesischen Musik der 70er Jahre.
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Benny Sings: Studio
Benny Sings: Studio (Jakarta Records)
Mit den warmen, organischen und grundsympathischen Hip Hop- und Soul-Sounds seines Debüt-Albums "Champagne People" hat sich Benny Sings eine kleine, aber treue Fanschar erspielt. Der in Dordrecht aufgewachsene Musiker heißt mit bürgerlichem Namen Tim Berkestijn und ist in den Niederlanden in vielen Projekten aktiv. "Studio" ist sein fünftes Album als Solo-Musiker mit prominenten Feature-Gästen wie Mayer-Hawthorne und Goldlink.
A Musician's Musician
Warum manche Musiker erfolgreich sind und andere nicht, gehört zu den ewigen Mysterien des Musikgeschäfts. Gerade Benny Sings hätte alle Eigenschaften, die es für einen großen Pop-Musiker braucht. Er ist ein genialer Arrangeur. Seine Texte sind immer persönlich, lassen sich auf alles und jeden beziehen, ohne dabei belanglos zu wirken. Trotzdem ist Benny Sings nie der große Durchbruch gelungen. Auch aus diesem Grund hat er sich nach seinem in Blogs und Feuilletons gefeiertem Album "Art" lange Zeit als Solo-Musiker zurückgehalten. Er hat für andere Künstler komponiert und produziert, für die Werbung gearbeitet und sein Amsterdamer Studio aufgebaut. Ein Ort, an dem er sich wohler fühlt, als auf der Bühne, wie er sagt. Benny Sings ist kein Performer. Er ist ein Tüftler, der lieber zu Hause herumwerkelt, als durch die Welt zu touren. So schien "Studio" für ihn der einzig logische Albumtitel zu sein.
Digitale Wärme
"Studio" klingt digitaler, als man es von den Vorgänger-Alben des Amsterdamer Künstlers gewohnt ist. Die Gründe dafür sind vor allem in einem anderen Umgang mit Instrumenten zu suchen. War bisher die Klangästhetik und das Instrumentarium der 70er das bestimmende Element für die Musik von Benny Sings, so sind es jetzt eher die Preset-Schleudern der 80er und 90er Jahre. Ausgepowert habe er sich gefühlt, sagt Berkestijn. Durch die Zusammenarbeit mit der Sängerin BEA1991 habe er sich vor allem mit Keyboards aus den frühen 90ern auseinandergesetzt, die er vorher nicht mit der Kneifzange angefasst habe. Dabei gelingt ihm ein kleiner Geniestreich. Er quetscht den kokaingeschwängerten - als Yachtrock populär gewordenen Soft-Pop-Sound der frühen 80er in einen intimen Rahmen und verleiht ihm eine warme, nahbare Ausstrahlung. Am deutlichtesten wird das in "Shoebox Money", ein gemeinsamer Song mit dem US-amerikanischen Neo Soul Schwergewicht Mayer Hawthorne, der zu den erklärten Fans von Benny Sings gehört. Der heimliche Hit des Albums ist "You and Me", das Benny Sings mit dem gefeierten Future Bounce Rapper Goldlink aufgenommen hat. 90er-R'n'B-Synthesizer-Loops und Hip Hop Grooves mit Kopfnicker-Qualitäten von einem Sound-Nerd aus den Gassen Amsterdams.
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Senegal 70: Sonic Gems & Previously Unreleased Recordings from the 70s
Senegal 70: Sonic Gems & Peviously Unreleased Recordings from the 70s (Analog Africa)
Heute ist der Mbalax, vor allem durch den internationalen Siegeszug von Youssou N'Dour, der populärste Musikstil des Senegal. Die Compilation "Senegal 70 - Sonic Gems & Peviously Unreleased Recordings from the 70s" spürt einer Zeit nach, in der lateinamerikanische Stile wie Son und Salsa die Pop-Musik des westafrikanischen Landes bestimmt haben.
Reel to Hard Disk
"Senegal 70" ist eine Zusammenarbeit zweier Reissue-Spezialisten. Das Frankfurter Label Analog Africa hat sich der Wiederveröffentlichung afrikanischer Pop-Musik verschrieben, die außerhalb des Kontinents kaum oder gar nicht erhältlich ist. Eine ähnliche Herangehensweise zeigt sich auch beim in Dakar ansässigen Label Teranga Beat, welches vom griechischen Musikliebhaber und Sammler Adamantios Kafetzis betrieben wird. Dieser machte sich 2009 auf eine insgesamt vierjährige Reise durch die Metropolen des Senegal, um alte Tonbänder aufzuspüren und zu digitalisieren. In der west-senegalesischen Stadt spürte er eine Art Sound-Schatzkiste auf. Er traf auf Moussa Diallo, den Betreiber eines Clubs namens Sangomar. Jahrzehnte lang hatte er unzählige Konzerte in seinem Etablissement auf Tonbändern festgehalten. Die Aufnahmen Moussa Diallos sind das Fundament für "Senegal 70". Während heute Produzenten viel Zeit dafür verwenden, ihre Musik alt und analog klingen zu lassen, war es bei "Senegal 70" eher andersherum. Trotz aufwändiger Restauration hat die lange Lagerung der Magnet-Bänder ihre Spuren hinterlassen. Es rauscht und leiert an manchen Stellen, was Songs wie "Kiko Medina" von Le Tropical Jazz eine charismatische Patina verleiht.
Die Karibik in Westafrika
Die 70er Jahre waren im Senegal die Zeit der großen - oft staatlich geförderten - Pop-Orchester. Nach der Befreiung aus der französischen Kolonialherrschaft sollte das neue nationale Selbstbewusstsein auch in der Musik seinen Platz finden. Die Star Band de Dakar und das Orchestre Baobab kombinierten Son, Salsa, Pachanga, Funk und Soul mit lokalen Einflüssen und schufen - beeinflusst von Künstlern wie James Brown oder den Jackson Five - einen Stil, der auch auf internationaler Ebene bestens funktioniert. Leicht, schwebend, tanzbar, mit zahlreichen Call & Response-Elementen und einer Spielfreude, die sich unmittelbar auf die Hörer überträgt. Der ursprünglich aus Guinea-Conakry stammende Perkussionist und Sänger Amara Touré, der mit "El Carreto" auf "Senegal 70" vertreten ist, hat über die Musik Lateinamerikas gesagt, es fühle sich an, als gehöre sie zu seiner eigenen Kultur. Tatsächlich gibt die zwölf Songs starke Compilation mitunter das Gefühl, auf einer karibischen Insel zu verweilen. Und so manchen Musiker des Senegal hat es tatsächlich später in lateinamerikanische Gefilde verschlagen. King N'gom, mit der Salsa-inspirierten Nummer "Viva Marvillas" auf "Senegal 70" dabei, hat sich nach seiner Glanzzeit im Senegal als Salsero in mexikanischen Hotels verdingt. Nachzulesen sind Geschichten wie diese im 44-seitigen Booklet der Compilation. "Senegal 70" ist mit Liebe gemachtes Schatzgräbertum. Funky Sound-Archäologie, sozusagen.
Stand: 04.12.2015, 10.00 Uhr
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