Süpertunes - Tricky & Deluxe French Pop'n'Groove & Trip Hop made in Berlin

Von Anna-Bianca Krause

Die südfranzösische Band Deluxe hat sich für "Stachelight", ihr zweites Album, nicht nur Nneka ans Mikrofon geholt, sondern auch die Hip-Hop- und Rock-Helden ihrer Jugend. Währenddessen hat Tricky durch seinen Umzug nach Berlin zu alter Trip-Hop-Größe zurückgefunden.


Tricky: Skilled Mechanics
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Tricky: Skilled Mechanics

Tricky: Skilled Mechanics (False Idols)

Er ist eine Legende, doch das klingt zu tot: Tricky lebt und wird nächste Woche erst 48. Er spielte eine Hauptrolle im Bristol-Sound, hat mit Massive Attack gearbeitet und sein Album "Maxinquaye" von 1995 ist eines der wichtigsten Trip-Hop-Werke aller Zeiten. Doch die Rolle will er eigentlich gar nicht, deshalb sägt Adrian Nicholas Matthews Thaws immer wieder am Sockel, den ihm die Musikgeschichte untergeschoben hat. Doch "Skilled Mechanics" erinnert nicht selten an seine großen Trip Hop-Zeiten. Klar spielt er auch hier mit den Stilen von New Wave bis R'n'B, manchmal ist es fast Pop, dann wieder Old School HipHop oder wie ein Hörstück. Jedenfalls sehr kurzweilig.

Trauma Kindheit

Das Album geht unter die Haut und ist nicht nur melancholisch, sondern stellenweise auch sehr düster. Das hat einen Grund. Tricky, der ja in Songtexten immer wieder von seinem Leben erzählt hat, tut es zum Beispiel im Song "Boy" jetzt so drastisch wie noch nie. Er spricht von seiner Kindheit in einer Sozialwohnungssiedlung in Bristol, davon, dass sich seine Mutter umgebracht hat, als er vier war und er sich nur an den Sarg erinnert, in dem sie lag. Er spricht von seinem Vater, den er nicht kannte und erst mit zwölf Jahren nur zufällig im Telefonbuch entdeckte. Tricky sagt, dass er bis heute Asthmaanfälle bekommt, wenn er an diese Orte zurückkehrt, aber er sagt auch, dass er froh ist, das alles durchgemacht zu haben.

Berlin und die CIA

"Skilled Mechanics", übersetzt: geschulte Mechaniker - den Albumtitel hat sich Tricky von der CIA geliehen. Der Musiker hat einen Dokumentarfilm gesehen über vom US-amerikanischen Geheimdienst gedungene Killer, die in andere Länder geschickt wurden, um Revolutionen anzuzetteln und Regierungen zu stürzen. Das Dunkle daran hat ihm gefallen und passt auch sehr gut zu den Stimmungen auf dem Album. Aber man spürt auch eine Menge neuerwachte Kreativität und daran ist Trickys Umzug nach Berlin im Januar 2015 schuld. Die Stadt gibt ihm eine Freiheit, die er in London oder New York nicht hat - und er behauptet, er könne in Berlin sogar im Schlafanzug auf die Straße gehen und es würde keinen stören. Dadurch hat auch sein Sound wieder Tricky-Klasse: Die Beats rumpeln zwar wie gewohnt, aber einige der Songs bleiben im Ohr und im Herzen hängen.

Nicht allein - oder doch?

Tricky singt oder spricht viel mehr als zuvor, aber er ist nicht allein. "Skilled Mechanics", so heißt zwar das Album, so nennt er aber auch das Projekt, das so eine Art lose Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern ist und mit weiteren Alben fortgesetzt werden soll. Mit dabei ist sein alter Freund und Mitbegründer des legendären DJ-Kollektivs Wild Bunch, DJ Milo, die Londoner Sängerin Renata Platon, die dänische Sängerin/Songwriterin Oh Land, die irisch-italienische Sängerin Francesca Belmonte, welche seit einiger Zeit seine Lead-Sängerin ist. Die ungewöhnlichste Vokalistin auf dem Album ist aber die chinesische Rapperin Ivy. Ihr Stimmeinsatz ist krass und Tricky kann bislang nicht sagen, in welcher Sprache sie rappt, denn Chinesisch ist es nicht.

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Deluxe: Stachelight
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Deluxe: Stachelight

Deluxe: Stachelight (Chinese Man)

In Frankreich sind sie wegen ihrer energetischen Auftritte in superkitschigen Kostümen bekannt wie bunte Hunde und einer der angesagtesten Live-Acts des Landes. Deshalb haben Deluxe das zweite Album auch in einer Art Live-Situations-Simulation aufgenommen, zwar nicht vor Publikum im Saal, aber eben auch nicht Spur für Spur, wie das eigentlich gemacht wird. Alles wurde gemeinsam zeitgleich eingespielt, in einem sehr großen Studio, denn da mussten auch die Bläser und Streicher reinpassen. Auf die anschließende Postproduktion wurde natürlich trotzdem nicht verzichtet. Der Sound, die Atmosphäre, die Stimmung - alles ist perfekt.

Fünf Männer und eine Frau

Die fünf Jungs, alle um die 25, Kayo, Kilo, Pépé, Pietre und Soubri, kennen sich aus der Schule und haben früh angefangen mit Straßenmusik in ihrer Heimatstadt Aix-En-Provence in Südfrankreich. Mit den Polizisten, die sie in schöner Regelmäßigkeit verjagen mussten, sind sie seitdem befreundet. Vor vier Jahren dann die erste EP "Polishing Peanuts" – übersetzt: "Erdnüsse polieren" - ein ironischer Kommentar, weil die Fünferbande bis dahin noch überhaupt kein Geld verdient hatte mit ihrer Musik. Per Zufall trafen sie auf Bandmitglied Nummer 6, auf die Chanteuse Liliboy. Zu sechst waren sie gut und hatten Glück: Die Produzenten Chinese Man aus Marseille nahmen sie unter ihre Fittiche. Seitdem treten Deluxe weltweit auf, auf großen Festivals und in Clubs von Japan bis Deutschland.

Gäste und Helden

Das Sextett setzt auf Groove und kreuzt einfach alles: Funk, Swing, Pop, Elektro, Hip Hop, Jazz, anything goes. Und so bunt wie die Musik, sind auch die großartigen Gäste, die sie auf dem Album haben: IAM sind dabei - die Platten und DVDs der Helden und Superstars des französischen Hip Hop aus Marseille bekamen die Musiker als Teenager von ihren Eltern geschenkt. Den exzentrischen Mathieu Chedid aka M - er spielt E-Gitarre und singt mit Liliboy seine Songs - coverten Deluxe schon als Zwölfjährige. Inzwischen ist er zum Fan der Band geworden. Und Nneka trafen sie im letzten Jahr beim Festival Printemps de Bourges und verliebten sich in die samtig-raue Stimme der nigerianischen Sängerin.

Die Stimme & der Schnurrbart

Deluxe haben zwei Markenzeichen: Das eine ist die ungewöhnliche Stimme von Liliboy. Manche denken an Selah Sue, andere fühlen sich an MIA erinnert. In einem Interview hat die Chanteuse erzählt, dass ein Journalist gesagt habe, sie klinge wie eine Mischung aus Amy Winehouse und Duffy Duck - das fand Liliboy nicht so prickelnd. Sie kann ganz sanft sein, aber auch hochpampig und tatsächlich manchmal wie aus einem Cartoon entsprungen. Das andere Erkennungszeichen ist der Schnurrbart, die Musiker tragen auch alle Moustaches. Die Story dazu kann man glauben oder nicht: Sie erzählen, dass sie nie Freundinnen gekriegt haben und als sie Liliboy trafen, sagte die, ihr seid nicht männlich genug! Und ab da ließen sie sich alle Schnurrbärte wachsen! Das ist inzwischen das Logo von Deluxe und prangt auch auf jedem Albumcover.


Stand: 21.01.2016, 21.00 Uhr