Global Pop Classics - M.I.A.: "Arular"
Pop, Provokation und Politik, wie passt das zusammen. M.I.A. findet 2005 auf ihrem Debütalbum "Arular" eine ganz eigene Perspektive, eine eigene Ästhetik, einen eigenen Sound. Es ist ein Sound, der von der ersten Sekunde an überwältigt.
Audio
M.I.A. arrangiert die reinste Fülle: Grime aus London, brasilianischen Baile Funk, Reggaeton, Dancehall aus der Karibik und HipHop. Die Sounds der Zeit. M.I.A. sammelt Global Pop und trägt ihn gebündelt in die Charts. Verharrt nur kurz, um zum nächsten Sound weiterzuhetzen.
M.I.A., eigentlich Maya Arulpragasam, wächst in London auf. Dann zieht ihre Familie nach Jaffna, Sri Lanka, die Heimat ihrer Eltern. Ihr Vater engagiert sich politisch, er gründet eine Studentengruppe, die sich für die Rechte der Minderheit der Tamilen einsetzt. Er nennt sich jetzt "Arular". Im Land herrscht Bürgerkrieg, Mayas Mutter zieht mit ihren Kindern zurück nach London. Zu diesem Zeitpunkt ist Maya elf Jahre alt. Und diese Perspektive ist es, die sie gut zehn Jahre später auf ihrem Debütalbum ausdrücken wird. Die Perspektive eines Flüchtlingskindes, das den Krieg erlebt hat. Wie auf "Galang", das könnte eine Karnevalshymne sein – oder der Soundtrack zum kommenden Aufstand. Der Beat als Bombeneinschlag.
Die Konsequenzen politischen Pops
Gekonnt balanciert Maya zwischen Pop, Provokation und Politik. Sie setzt sich explizit für die Gruppierung ihres Vaters ein – die in den USA als Terrororganisation gilt. Und verbindet diese Positionen mit tiefen Einblicken in den Rassismus, den sie selber im britischen Asyl erlebt hat. Nur wenig später wird ihr Antrag auf ein Visum in die USA prompt abgelehnt. Politischer Pop und seine bedenklichen Konsequenzen. M.I.A. produziert sehr persönliche Musik, wie ein Schwamm saugt sie Erfahrungen auf, spielt mit biographischem Erleben. Das drückt sich genauso aus in ihrem Kleidungsstil, in ihren Videos, auf dem "Arular"-Cover mit unzähligen kosmopolitischen Einflüssen.
Roh statt glattgebügelt
M.I.A. ist ausgebildete Künstlerin, Fotografin, Graphik-Designerin. Den musikalischen Ausdruck aber eignet sie sich selber an: Auf einer geliehenen Drummachine, einer Roland 505, baut sie rohe Beats. Und trifft dann auf Diplo, damals ein unbekannter DJ und Produzent, heute ein Global Dance Star. Eine schwierige Beziehung, privat und künstlerisch, die beide bis heute in Interviews verarbeiten. Ihr Album profitiert ungemein: auf "Arular" ist nichts glattgebügelt, man hört die Versatzstücke, das Rohe. Es gibt keinerlei Konzessionen an vermeintliche Pop-Hörgewohnheiten. Auf "Bucky Done Gun" zum Beispiel spielt sie mit dem Bedrohungsszenario der Einwanderung aus Sicht des Westens.
M.I.A. wird im Jahr 2005 aus dem Stand zur Stimme der "Third World Democracy", wie sie es später selbst ausdrücken wird. Eine Frau, ein ehemaliges Flüchtlingskind, ein globales Rrriot Girl, Maya ist eine Projektionsfläche, perfekt. Weil widersprüchlich, inkonsequent, irritierend. Ein Popstar. Mit dem Album zur Stunde im Rücken. Das für kommende Generationen zur Wasserscheide wird.
Stand: 07.08.2015, 21.00 Uhr
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