Straight Outta The Man's World NWAs Gangstarap und die Genderrollen

Von Christian Werthschulte

Im Gangstarap werden Frauen meist nur in zwei Rollen porträtiert: Entweder als Mama oder als "Bitch". Der Mann ist dagegen der hypermaskuline Ernährer. Unser Autor Christian Werthschulte über die typischen Geschlechterrollen im Gangstarap.


Bild von der amerikanischen Hip Hop-Gruppe N.W.A.
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Es war keine wirkliche Überraschung, dass die Frauen seiner Vergangenheit Dr. Dre in den letzten Wochen ein wenig ungewolltes Interesse verschafften. Denn "Straight Outta Compton", das Biopic über NWA, blendet nicht nur die Geschichte von Dre's gewalttätigem Übergriff auf die Hip Hop-Journalistin Dee Barnes aus, sondern lässt auch die Frauen im Umfeld von NWA, etwa die Sängerin und Dr. Dre's Ex-Freundin Michel'le, außen vor. Im Film selbst werden Frauen nur in zwei Rollen porträtiert: Entweder stören sie als Mama die Künstler in ihrer freien Entfaltung, zum Beispiel, wenn die Mutter von Dre darauf besteht, dass er Geld verdient oder die Mutter seines Sohnes ihn verlässt, weil er zuviel im Studio ist. Die andere Rolle ist die der "Bitch", die bereitwillig die Beine für die Rapper breit macht.

Ernährer und ihre besten Freunde

Dieses Frauenbild kommt direkt aus dem Selbstverständnis der Reality-Rapper NWA: "So wie wir die Welt beschreiben, so ist sie nun mal auch." Ice Cube ist vor ein paar Wochen bei einer Diskussion gefragt worden, warum er Frauen ständig als "Bitches" und "Hoe" bezeichnen würde. Und er hat geantwortet, die anderen Frauen bräuchten sich davon ja nicht angesprochen zu fühlen. Ice Cube hinterfragt solche Bewertungen von Frauen nicht, sondern verstärkt sie. Das ist selbst auf einem Track wie "It's a man's world" von seinem Soloalbum "Amerikkkas Most Wanted" von 1991 hörbar. Er duelliert sich da mit der Rapperin Yo-Yo und erklärt ihr, dass er, der Mann, halt der Familienernährer sei, der zu Hause eine Frau hat, aber trotzdem etwas Spaß braucht. Nur die Frauen, mit denen er diesen Spaß hat, die wirft er nach "Benutzung" weg. Yo-Yo wirft ihm daraufhin ein paar Reime entgegen, die damit enden, dass ohne Frauen der beste Freund des Mannes vermutlich seine Hand wäre.

Hypermaskulinität Marke Compton

Schwarze Soziologen und Historiker haben dieses "hypermaskuline" Bild des sexuell daueraktiven, afro-amerikanischen Mannes häufig auf die Sklaverei zurückgeführt. Der Sklave wird vom Meister in seiner Männlichkeit unterdrückt und gibt diese Unterdrückung dann nach unten, zu den Frauen, weiter. Bei NWA muss man vielleicht nicht so weit in die Geschichte zurückgehen, um eine ähnliche Parallele zu finden. Im Laufe der 1980er erlebten die Mitglieder von NWA den ökonomischen Niedergang ihrer Heimat Compton: Ihre Eltern sind dort mit relativ stabilen Geschlechterrollen aufgewachsen: Die Männer haben etwa in einer Fabrik gearbeitet, die Frauen waren zu Hause. Den NWA-Mitgliedern stand dieser Weg nun nicht mehr offen. Dr. Dre war teilweise so arm, dass er wegen Schulden in den Knast gewandert ist. Also hat er in seiner Musik diese Fantasiewelt erschaffen, in der er und die anderen NWA-Mitglieder total potente Typen sind - sowohl finanziell als auch sexuell.

"Bitch" sagen als Geschäftsmodell

Problematisch wurde dies, weil NWA mit ihrer Musik einen neuen Markt mit weißen Hörern erschlossen haben, den Dr. Dre auch dann noch mit seinen Gangster-Fantasien bedient hat, als er schon längst in der Villa gewohnt hat. Genau dies hat man ihm dann auch in der afro-amerikanischen Community immer vorgeworfen, weil das Macho-Männerbild seines Gangsta-Raps, weiße, konservative Vorstellungen von schwarzen Menschen als "wild", "zornig" und "sexgesteuert" bedient. Und genau diese Kritik wird auch heute wieder laut, da "Straight Outta Compton" an der Spitze der amerikanischen Kinocharts steht. Dabei hat sich die Einstellung vieler junger Rapper und Rapperinnen wie etwa Lil’B oder auch Nicki Minaj längst geändert. Sie gehen ironischer mit diesen Geschlechterklischees um. Wenn sie ein "Bitch" in ihren Reimen droppen, dann ist das in der Regel so bescheuert, dass sie sich selbst darüber kaputtlachen könnten.


Stand: 29.08.2015, 18.00 Uhr