CD der Woche - No No No: Frühling im Herbst
Hinter Beirut steckt Zach Condon. Wie beim Namen seiner Band betitelt er auch seine Songs nach Städten, die er bereist hat. Nach dem Balkan, Frankreich und den Südstaaten ist der New Yorker nun an einem utopischen Ort angelangt, an dem globale Einflüsse in seinem ganz eigenen Indie-Sound aufgehen.
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Beirut: No No No
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- Audio: CD der Woche - No No No (03:00 min.) Marc Mühlenbrock
Um einen Eindruck zu bekommen, welche Musik Zach Condon, den Mann hinter Beirut, gerade inspiriert, muss man sich eigentlich nur die Tracklist seiner Alben anschauen. Auf dem ersten gab es Stücke namens "Bratislava" und "Prenzlauerberg", das Album war demnach durchdrungen von mittel- bis osteuropäischer Musik aus dem Balkan und sogar jüdischem Klezmer. Auf Album Nummer zwei reisten wir mit Beirut nach "Nantes" oder "Cherbourg", weil Zach sich in Chansons von Jacques Brel verliebt hatte. Dann kehrte er musikalisch zurück in seine Heimat "Santa Fé" mit Americana.
Musikalisches Reisetagebuch
Zach Condon ist einer der talentiertesten Musiker unserer Zeit, der es wie kein anderer versteht, die Musik, die ihm auf Reisen begegnet, in seine eigentliche Sozialisation der westlichen Musik einzubauen. Es ergibt Sinn, wie sich auf seinen Alben Indie-Musik mit verschiedenen globalen Stilen vermischt. Die Brücke schlug für den Musiknerd Zach einst die Trompete, er hatte sie als klassisches Instrument gelernt und mit Begeisterung auf einer seiner ersten Reisen nach Osteuropa entdeckt, wie sein Instrument in der Musik des Balkan völlig anders eingesetzt wird.
Das Ende in Perth
Für das neue Album konnte man eigentlich den Einfluss türkischer Musik erwarten. Zach hat sich nämlich verliebt, in eine Türkin, und verbrachte die vergangenen Sommer mit ihr in Istanbul. Das Stück "Fener" gibt einen Hinweis auf die äußerst glückliche Zeit im Leben des Zach Condon und seiner Verlobten. Doch stattdessen bietet "No No No", das erste Lebenszeichen Beiruts in vier Jahren, optimistischen Piano-Pop und erinnert somit eher an die Stadt, in der es eingespielt wurde: New York.
Absturz, Neustart
Bevor aber alles in Istanbul oder New York neu begann, hat für Zach Condon erst anderes zu Ende gehen müssen. Auf dem Album festgehalten in zwei Songs: "Gibraltar", das im Mittelalter für die europäische Bevölkerung als das Ende der Welt galt und das Zach ironischerweise als Eröffnungsstück einsetzt. Und in "Perth", sprichwörtlich der einsamsten Großstadt der Welt, in der Zach Condon 2013 sein Waterloo erlebte. Nervenzusammenbruch, mitten auf Tour. Nichts ging mehr, erst zum Arzt, dann noch ein paar Tage im Hotel verkrochen, dann abgereist. Der Druck war einfach zu groß geworden. Zach hatte mit 19 mit dem Tourleben angefangen und hat dieses ständige Auf und Ab zwischen Auftritt und Reisen nicht mehr verkraftet. Und dann gab es da auch noch die schmerzhafte Trennung von seiner ersten Frau.
Erholung in Istanbul
In den nächsten Jahren verfolgten Zach Selbstzweifel, ob er, der schmächtige Junge mit dem großen Talent, dem anstrengenden Musikgeschäft überhaupt noch gewachsen sei. Und ob er jemals wieder in der Lage sein wird, einen Song zu schreiben. An Rückschläge müsste sich der zurückhaltende Zach inzwischen gewöhnt haben. Er litt früher schon unter Panikattacken und in der Vorbereitung auf das Vorgängeralbum "The Rip Tide" erwischte ihn in Brasilien eine eben solche Rückströmung. Sein Innenohr wurde verletzt, auch da musste Zach sich fragen, ob er jemals wieder Musik machen wird. Damals, 2011, rettete er sich in seine Heimatstadt Santa Fé, diesmal eben nach Istanbul. Diesmal wollte er aber erstmal gar nichts machen. Nur die Stadt einsaugen und die Menschen kennenlernen.
Neubeginn in New York
Dass "No No No" dann nach frischem, positivem Piano-Pop klingt, liegt wiederum an der Stadt, in der es eingespielt wurde: New York, oder genauer noch: Brooklyn. Dort gab es während der Aufnahmen 2014 einen Rekordwinter mit einem Blizzard nach dem anderen. Beirut waren im Studio buchstäblich eingeschneit und konnte nicht wie sonst viele Instrumente verwenden. So wird das Album dominieret von Zachs angenehm gequälter Stimme, von Bass und Drums und vor allem vom Piano. Selbst seine heißgeliebte Trompete kommt wie auch andere Blasinstrumente nur selten zum Einsatz. Der kalte Winter in New York, aber natürlich auch die Sommer der Erholung in Istanbul haben "No No No" zu einem angenehm optimistischen Werk geformt. Zach sagt selbst, es sei seine Frühlingsplatte.
Stand: 28.09.2015, 00.00 Uhr
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