CD der Woche - Perpetual Gateways Der Koloss von Rio

Von Keno Mescher

Der Multiinstrumentalist und Sänger Ed Motta ist in vielerlei Hinsicht ein Schwergewicht und Global-Pop-Gourmet. Der Neffe von Brasiliens Funklegende Tim Maia verschmelzt gekonnt Jazz, Soul à la Stevie Wonder und die Musica Popular Brasileira.


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Ed Motta: “Perpetual Gateways”

Audio

Das Becken zischt, das Rhodes-Piano perlt. Bass und Drums spielen ein funkbasiertes Motiv. Ed Motta beginnt am Mikrofon ein Call and Response-Spiel mit der Bläsergruppe. Der Opener "Captain's Refusal" nimmt schon in den ersten Sekunden vorweg, was die Hörer von Ed Mottas "Perpetual Gateways" erwartet: mit Liebe konzipierter und virtuoser Akribie eingespielter, technisch aufpolierter Jazz-Pop.

Steely Dan als Paten

Ed Motta ist passionierter Plattensammler. Seine Kollektion reicht von Klassikern der brasilianischen Popmusik über japanischen Jazz bis zu Veröffentlichungen auf dem DDR-Label Amiga. Fragt man ihn nach seiner Lieblingsplatte, zögert er trotz immenser Auswahl keine Sekunde. "Aja" - Ende der 1970er veröffentlicht von der Jazz-Rock-Kapelle Steely Dan - ist seine musikalische Bibel. Seit seiner frühen Jugend höre er die Platte mindestens einmal pro Woche, sagt der sympathische Mittvierziger. Ed Motta nennt diesen Stil "AOR" - "Adult Orientated Rock". 2013 setzte er seinem favorisierten Soundideal mit seiner "AOR"-LP ein musikalisches Denkmal. Auf dem Nachfolger "Perpetual Gateways" gibt er Jazz mit leichten Funk- und Soul-Anleihen den Vorzug. Steely Dan stehen im Hintergrund und nicken grinsend im Takt.

Pasadena Sessions

Der US-amerikanische Produzent Kamau Kenyatta, für die technische Umsetzung auf "Perpetual Gateways" verantwortlich, hat sich bereits mit seiner Arbeit für Gregory Porter einen Namen gemacht. Er hält Ed Motta für "einen der größten Musiker dieses Planeten". Neben dem Star-Produzenten hat Ed Motta auch ein beeindruckendes Jazz-Ensemble von der Westküste der USA um sich geschart. Unter anderem Greg Phillingales am Keyboard, Hubert Laws an der Flöte und Marvin Smith an den Drums. Sie haben mit so ziemlich jedem zusammen gespielt, der in der Popwelt Rang und Namen hat: Michael Jackson, Stevie Wonder, Eric Clapton, Herbie Hancock. Ed Motta ist überglücklich, wenn er über die Aufnahmen im kalifornischen Pasadena erzählt. Niemals habe er die Produktion eines Albums dermaßen genossen wie bei "Perpetual Gateways".

Tim Maias Erbe

Neben Steely Dan sind es vor allem Stevie Wonder und Donny Hathaway, die Ed Motta als musikalische Vorbilder dienen. "Forgotten Nickname", in dem Hubert Laws mit einem wunderbaren Flöten-Solo auftrumpft, singt Motta wie eine Hommage an Hathaway. Am liebsten wäre es ihm, Hathaway hätte diesen Song höchstpersönlich eingesungen. Ed Motta lernte diese Musiker schon im Kindesalter kennen. Sein Onkel, der legendäre Funk- und Soul-Musiker Tim Maia, hinterließ seine Plattensammlung Ed Mottas Mutter, nachdem er sich aus dem weltlichen Leben verabschiedet und der Sekte "Cultura Racional" angeschlossen hatte.

Goldener Glanz

So wuchs Ed Motta als Kind der 1980er mit der Musik 1970er Jahre auf. Er habe die Musik seiner Zeit, geprägt von Digital-Synthesizern und Drumcomputern, immer gehasst, sagt er im Interview. Heute noch mehr als in seiner Jugend. Er schätze zwar HipHop-Produzenten für ihre intensive Auseinandersetzung mit den Sounds der goldenen Ära des Funk und Soul. Er arbeite auch gerne mit Rappern zusammen. Zu Hause käme er aber nicht im Traum darauf, mit Sampler und Drumcomputer produzierte Musik aufzulegen. Ed Motta ist musikalischer Feingeist, Perfektionist und Traditionalist. Ein Mann, der viel Wert auf musikalisches Handwerk im klassischen Sinn legt. Trotz aller Liebe zum Sound vergangener Tage ist "Perpetual Gateways" alles andere als eine Retro-Scheibe. Es ist Ed Mottas Verneigung vor der Musik des schwarzen Amerika.


Stand: 08.02.2016, 00.00 Uhr