CD der Woche - "Sobre Crianças, Quadris, Pesadelos e Lições de Casa": Auf der Suche nach Afrobrasilien
Emicida aus São Paulo ist nach Afrika gereist und zieht aus der Suche nach seinen Wurzeln Rückschlüsse auf aktuelle Verhältnisse in seiner Heimat. Damit eröffnet der mörderisch gute MC ein neues Kapitel im brasilianischen HipHop.
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Emicida: Sobre Crianças, Quadris, Pesadelos e Lições de Casa
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Emicida ist mit seinen konfrontativen Lyrics zum Sprachrohr der jungen Protestgeneration Brasiliens geworden. Und der Rapper ist bekannt dafür, seinen HipHop mit brasilianischen Musikkulturen kurzzuschließen. So treffen scharfzüngige Punchlines und Rhymes auf Samba, Forro, Maracatu und Latin-Jazz. Auf dem neuen Album holt der Musiker noch weiter aus. Die Aufnahmen entstanden in Brasilien, Los Angeles sowie in Angola und auf den Kap Verden. Emicida hat sich auf die Suche nach seinen afrikanischen Wurzeln gemacht.
Von Hüften und hausgemachten Lektionen
Emicida verwebt auf dem neuen Album Kizomba-Rhythmen aus Angola, setzt die verträumten Klänge der westafrikanischen Kora ein, wenn er über die Schönheit Madagaskars singt. Und er stellt Bezüge zur Yoruba-Tradition Nigerias her. Afrika ist eine wichtige Inspirationsquelle, von der aus Emicida Rückschlüsse auf die Gegenwart zieht. In den 14 neuen Songs thematisiert er aktuelle Konfliktlinien der brasilianischen Gesellschaft. Wie der Titel "Sobre Crianças, Quadris, Pesadelos e Lições de Casa" etwas kryptisch verrät, geht es um "Kinder, Hüften, Alpträume und hausgemachte Lektionen".
Das moderne Brasilien
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Emicida
Emicida wollte sich Afrika annähern und ist thematisch schließlich doch in seiner Heimat gelandet. Das Album spricht über Debatten, die Sprache und die Poesie des modernen Brasiliens. Emicida selbst ist in einer Favela in São Paulo aufgewachsen. Für ihn sind die Armenviertel Sammelbecken für Kreativität und Brutstätte der wichtigsten Musikertalente des Landes. Auf dem Album rückt er die Geschichte der Ausgegrenzten ins Rampenlicht. Im Song "Salve Black" treffen Samba, Jazz und Funk auf einander. Der Rapper ermutigt die Favela–Jugend an ihren Träumen festzuhalten, positiv zu bleiben und Gewalt abzulehnen. Er habe es schließlich auch geschafft gehört zu werden: "Raus aus der Marginalität und rauf auf die großen Bühnen der Welt" ist die Botschaft.
Authentizität und Perspektive
Persönlich wird Emicida gleich im ersten Song "Mae", wenn er aus Kindheitstagen erzählt, als seine alleinerziehende Mutter die Familie mit Putzjobs über Wasser halten musste. Im Abspann der sentimentalen Hiphop-Ballade ist sogar die Originalstimme von Mutter Dona Jacira zu hören. Es ist eine Ode an ihre Stärke, Weisheit und Geduld. Ein mehrstimmiger Samba-Chor, Bossa-Nova-Gitarren und Spoken Words. Das sind die Bausteine im Song "Chapa", in dem Emicida vom mysteriösen Verschwinden eines Freundes erzählt. In den Lyrics scheinen immer wieder authentische, scheinbar selbst erlebte Szenen durch. Doch der 29-Jährige kann auch ganz anders. Zum Beispiel wenn er sich zwei Stars als Gastvokalisten ins Boot holt: Mit dabei sind Brasil-Legende Caetano Veloso und Popsängerin Vanessa Da Mata. Mit letzterer entstand "Passarinhos", eine lupenrein- perlende Pop-Nummer. Emicida ist nicht nur der mörderisch gute MC, wie sein Künstlername nahelegt. Mit dem Wissen über seine afrikanischen Wurzeln eröffnet er eine neue Perspektive auf seine Heimat. Gegossen in formvollendetem HipHop aus Brasilien.
Stand: 29.11.2015, 00.01 Uhr
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