Der Soundtrack von... - Didier Awadi Positive Black Soul

Er ist Rapper, Politaktivist, in Afrika eine Kultfigur. 2014 feierte er mit seinem HipHop-Duo Positive Black Soul – kurz PBS – 25. Band-Jubiläum. Im "Soundtrack von… - Didier Awadi" erzählt uns der Senegalese von seinen musikalischen Einflüssen, seinem täglichen Kampf für ein besseres Afrika und was Politik und Musik gemeinsam haben.


Didier Awadi
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Didier Awadi ist 1969 in Dakar/Senegal geboren. Vater kommt aus Benin, Mutter aus Cabo Verde. Schon als Jugendlicher begeisterte er sich für HipHop und gründete 1989 gemeinsam mit dem Rapper Douggy E. Tee die HipHop-Band Positive Black Soul (PBS), die heute als Emblem der afrikanischen HipHop Geschichte gilt. Markenzeichen: kritische Texte über soziale Ungerechtigkeiten und Missstände.

Im "Soundtrack von… - Didier Awadi" spricht er über die Beziehung zwischen Musik und Politik, über seine besondere Freundschaft zu Ade Bantu und über seine musikalischen Inspirationsquellen Doudou N’Diaye Rose, I.A.M. und James Brown. Außerdem äußert er sich mutig zu der ausbauenden Macht afrikanischer Terrorgruppen und wo genau er die Pflicht der Musiker im Kampf gegen diesen Terror sieht.

Wer bist du?

Ich heiße Didier Awadi. Ich bin ein musikalischer Aktivist aus Afrika, mit einem senegalesischen Pass.

Was ist deine erste Erinnerung an Musik?

Eine meiner ersten musikalischen Erinnerungen verbinde ich mit einem Raptext den ich geschrieben habe. Da ging es um Selbstbeweihräucherung. "Ich heiße Didier, ich bin DJ, alle kennen mich". Es hat keine Aussage gehabt. Ich rappte das immer aus Spaß auf verschiedenen HipHop-Instrumentals. Denn ich hatte ein paar Vinylmaxis und Singles, und da war auf der B-Seite oft das Instrumental drauf. So hat es bei mir angefangen.

Und deiner erste schöne Erinnerung an Musik als Kind?

Bei uns zu Hause hat mein Vater immer Orgel gespielt und es standen viele Instrumente herum. Er spielte auch Orgel in der Kirche und hat gesungen. Das ist eine meiner ersten musikalischen Erinnerungen.

Was genau verstehst du unter dem Begiff "Tropikalisieren"?

Ich benutz gerne den Begriff "Tropikalisieren". Das heißt ich nehme etwas aus Amerika, aber ich entferne all das was nicht zu uns Afrikanern passt. Ich würde zum Beispiel keinen Gangster-Rap machen. Denn dafür braucht man eine Waffe. Ich habe ja nicht mal Geld um mir eine Waffe zu kaufen. In Amerika bezeichnen sie Frauen als "Bitches" und "Hoes" - also als Schlampen. Doch meine Kultur verbietet es mir so über Frauen zu sprechen. Stattdessen respektieren wir sie, und preisen sie in unseren Liedern. Das nenne ich tropikalisieren. In den USA benutzen sie Keyboardsounds, ich benutze unsere Trommeln. Manchmal mische ich auch traditionelle afrikanische Gesänge mit HipHop. Ich baue Elemente ein, die für uns Afrikaner vertraut klingen.

Was sind deine musikalischen Einflüsse?


Alpha Blondy: Best of
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Alpha Blondy: Best of

Obwohl ich Rap mache ist Bob Marley ein wichtiger Einfluss für mich. Und von den afrikanischen Musikern auf jeden Fall Alpha Blondy. Das klingt komisch aber es ist so. Was Rap betrifft mag ich gerne MC Solaar und I Am aus Frankreich. Von den Amerikanern gefällt mir Rakim ziemlich gut.

Wie sehr beeinflusst dich Doudou N'Diaye Rose?

Ein wichtiger Einfluss für mich ist der Perkussionist Doudou N’Diaye Rose. Er ist der Mozart der Perkussion und kann dir mit verschiedenen Trommeln eine Symphonie spielen. Mittlerweile ist er 85 Jahre alt - auf der Bühne aber hat er die Energie von einem 13-Jährigen. Als wäre er in einem Topf mit Red Bull geboren. Es ist aber nichts Aggressives in seiner Musik. Sie ist einfach wunderschön und kraftvoll.

Wie steht es um James Brown?

Stücke wie James Browns "Funky Drummer" sind die Grundlage für HipHop. Daneben gibt es natürlich auch andere. Zum Beispiel die Musik von Miles Davis. Aber diese besondere Energie, die fühlt man vor allem bei James Brown.

Was ist dein Lieblingslied von der Rapgruppe I Am?

Mein Lieblingslied von I Am ist "Les Tam Tam De L’afrique". Es handelt von Sklaverei. Das war wirklich ein magischer Moment als ich diesen Text gehört habe. Denn ich beschäftige mich viel mit Sklaverei, und schaue mir an was die Sklaven trotz ihrer Leiden hervorgebracht haben. Die meiste Musik heutzutage ist letztendlich daraus entstanden. I Ams "Les Tam Tam De L’afrique " ist ein Song der dich umhaut. Der Text ist toll, die Musik basiert auf einem coolen Sample. Das Stück hat mich sehr bewegt und ich war etwas neidisch, dass ich nicht selbst diesen Text geschrieben habe.

Wie genau hat es damals mit PBS angefangen?

PBS wurde 1989 gegründet. Das war kurz nach dem "verlorenen Jahr" 1988. Das war eine harte Zeit im Senegal und als wir die Gruppe gegründet haben, hatten wir diese Wahnsinnswut im Bauch. Für uns war klar: wir verlieren ein Schuljahr, und die Söhne der Reichen studieren währenddessen im Ausland. Und dann haben sie einen Vorteil. 1992 machten wir unser erstes Lied auf Wolof. Vorher haben wir in einem seltsamen Englisch gerappt. In den Texten sagten wir: "Wir sind nicht die PS", also die sozialistische Partei. Und auch nicht die PDS, die demokratische Partei Senegals. Wir sind PBS, die neue Partei! Als die Leute unsere Texte auf Wolof hörten dachten sie: "Wow, die sprechen über unsere Probleme." Von da an haben uns alle mit anderen Augen wahrgenommen. Wir waren nicht mehr die Typen mit den komischen Klamotten. Wir waren Botschafter. Der Jugend hat das sofort gefallen. Und dann hörten uns auch die Eltern und stellten fest: Diese Jungs sind gar nicht mal so dumm.

Euer Lied "Boul Falé" sorgte für Veränderung. Warum?


Positv Black Soul (PBS) - Album Cover

Positive Black Soul

Wir hörten viele Reden von Cheikh Anta Diop, von Malcolm X, Martin Luther King und von Thomas Sankara. Das hat unsere Musik geprägt. 1994 haben wir das Stück "Boul Falé" rausgebracht. Das heißt soviel, wie "Pfeif drauf": Kümmer dich nicht um die Politiker, nimm dein Leben selbst in die Hand, du kannst es auch alleine schaffen. Glaub an dich selbst! Das sorgte für Veränderung. Während dieser Zeit sagten wir immer:" Dieses Regime ist schon zu lange an der Macht, das geht so nicht, diese Politiker müssen weg! Sie sind schon an der Macht seit dem wir Kinder sind. Immer dieselbe Partei." Wir haben damals zusammen mit den anderen HipHoppern die Leute stark motiviert, sie aufgefordert wählen zu gehen. Und im Jahr 2000 ist dieses Regime gefallen, das schon seit 40 Jahren an der Macht war. Da merkten die Leute, das Rap gefährlich sein kann. Dass er Kraft hat, dass man diese Bewegung nicht ignorieren kann. Zu dieser Zeit gab es bei uns um die 3000 Rapgruppen.

Ihr seid Vorreiter für viele Künstler gewesen. In welcher Hinsicht?

Als wir mit PBS angefangen haben, da gab es nur das Staatsfernsehen. Unser Anliegen war es eine neue Botschaften zu verbreiten. Wir haben das System kritisiert. Aber diese Kritik war eigentlich eine Liebeserklärung an unser Land, doch die Politiker haben das nicht verstanden. Das Volk dagegen schon. Im Laufe der Jahre sind wir zum Vorbild für Musiker in anderen Ländern in Afrika geworden. Es macht uns stolz zu sehen, dass unsere kleinen Brüder heute überall sind, und sogar zu Regimewechseln beitragen. In Kenia gibt es die Gruppe Gidi Gidi Maji Maji. Ihr Lied "Unbowgable" war die Hymne für den großen politischen Wechsel 2002.

Wie stehst du zu dem boomenden Party-Rap in Südafrika?

Ich verfolge den Rap aus Südafrika schon seit seinen Anfangstagen. Mit Black Noise und Prophets Of Da City. Das ist meine Generation. Ich habe auch Siphos Arbeit verfolgt. Er hat einmal das "Global HipHop Summit" in Johannesburg organisiert. Es stimmt, viele Schwarze dort verleugnen ihre Vergangenheit und konsumieren nichts anderes als Partymusik. Aber das kann ich verstehen, denn jahrelang wurden sie unterdrückt, und jetzt wollen sie sich austoben. Sie wollen alles ausdrücken, nicht nur ihren Schmerz. Das Leid ist so allgegenwärtig, dass sie vielleicht auch mal über andere Sachen sprechen wollen. Das kann ich nachvollziehen, auch wenn ich mir wünschen würde, dass auch etwas mehr Kampfgeist in der Musik steckt. Als Produzent und Denker kämpft Sipho sehr für ein politisches Bewusstsein. Er hat mich deswegen zu Diskussionsrunden mit Jugendlichen in Südafrika eingeladen. Aber es gibt immer noch Rapper wie Zuluboy, die dieses politische Bewusstsein haben.

Wie sieht es mit Musik in anderen afrikanischen Ländern aus?

Urbane Musik aus Nigeria und aus Ghana ist zur Zeit sehr angesagt. Es gab vorher eine Zeit, da waren wir im Senegal fast die Einzigen. Heutzutage explodiert die Musikszene in Nigeria. Man muss das anerkennen, denn sie machen schöne Musik, auch wenn sie nicht sehr politisch ist. Dafür ist sie gut gemacht und läuft überall. Naija-Pop ist der Sound unserer Zeit! Es ist ihnen gelungen ihren Sound zu exportieren, denn das Land hat viele Einwohner und außerdem sind viele Nigerianer auf der ganzen Welt verstreut. So verbreitet sich dieser Sound. Der ist sehr cool und gut gemacht.

Wie hast du Ade Bantu kennengelernt?


Der Musiker Ade Bantu

Ade Bantu

Ade Bantu habe ich in Köln kennengelernt. Denn da bin ich früher oft aufgetreten. Bei Ade haben wir uns oft nachts Filme über Fela Kuti angeschaut. Und dann haben wir davon geträumt einmal so wie Fela zu sein. Er war ein wahrer Revolutionär! Wir sind dagegen nichts, wir machen nur etwas Krach. Ade lebte damals in Deutschland, doch er sagte mir er will zurück in seine Heimat Nigeria ziehen und was Neues ausprobieren. Dann besuchte ich ihn in Lagos und sah seine Show Afropolitan Vibes. Alle Schichten Nigerias waren vertreten. Weiße, Schwarze, Arm und Reich. Und er spielte eine für alle völlig neue Musik mit Elementen aus Afrobeat und Highlife. Das hatte nichts mit HipHop zu tun, den die da sonst hören. Er erfindet etwas Neues. Ich bewundere ihn dafür, denn er macht genau das, worüber wir vor 15 Jahren in seiner Wohnung in Deutschland gesprochen haben. Er hätte es sich auch in Köln bequem machen können, doch stattdessen hat er gesagt: "Ich gehe in meine Heimat und tue was für meine Landsleuten."

Du bist ein politisch engagierter Musiker. Wie sieht es mit dem Kampf gegen Extremismus aus?

Wenn einem etwas nicht gefällt, dann muss man das Wort ergreifen. Wir sind Künstler, drücken uns durch unsere Musik aus. Und es ist auch unsere Aufgabe den Menschen Hoffnung zu geben, die wegen Extremismus leiden. Außerdem geben wir denen Mut, die sich dagegen engagieren. Extremismus macht uns Angst. Wenn ich manchen Künstlern sage, komm wir singen gegen die Extremisten, dann lehnen sie dies oft ab. Sie wollen keine Probleme bekommen. Doch wir dürfen die Angst nicht in unsere Herzen lassen. Es kann sein, dass man in Afrika nicht alles bei Namen nennen kann, aber man sollte auf jeden Fall das sagen, was man sagen möchte. Wir müssen aktiv werden, und zwar jetzt.

Du hast den Begriff "Charlismus" geäußert. Was genau verbirgt sich dahinter?

Ich bin gegen den Charlismus. Das ist ein Begriff den ich mir ausgedacht habe. Charlismus, praktiziert zum Beispiel der Präsident von Benin. Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo ist er nach Paris gegangen und hat dort beim Trauermarsch geweint. Und dann hat er eine dreitätige Staatstrauer in Benin ausgerufen! Doch wenn bei ihm um die Ecke in Nigeria Menschen umgebracht werden, dann fällt ihm nichts dazu ein. Das heißt, nur wenn die alten Kolonialherren trauern, dann holt er alle seinen Tränen raus. Das finde ich scheinheilig. Wenn wir Musiker dagegen ansingen, dann wird es weniger Charlismus geben.

Wie siehst du die Zukunft der Musik?

Die Zukunft der Musik liegt in der Livemusik und in originellen Bühnenshows. Jene die sich gute Konzepte für ihre Auftritte ausdenken, werden überleben. Denn wir verkaufen immer weniger CDs und alles wird virtuell. In der virtuellen Welt kann man Musik ganz leicht teilen, da hilft auch kein Kopierschutz. Wenn die Leute es wollen, findet man deine Musik umsonst im Netz. Deswegen braucht man gute Bühnenshows. Gute Livemusik wird nie sterben.


Stand: 17.04.2015, 13.50 Uhr