Süpertunes - Buena Vista Social Club | Grandbrothers Geheimtipp aus NRW & Oldtimer aus Kuba

Von Anna-Bianca Krause

Die Grandbrothers machen auf ihrem Debütalbum "Dilatation" Musik einen Konzertflügel und ein Laptop zu gleichberechtigten Partnern. Und die Überlebenden des Buena Vista Social Club haben für "Lost and Found" bislang unveröffentlichtes Material hervor geholt.


Grandbrothers: Dilation
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Grandbrothers: Dilation

Grandbrothers: Dilation (FILM Recordings)

Manchmal meint man, ein ganzes Orchester zu hören - aber nein: Die Grandbrothers sind nur zu zweit. Erol Sarp, der Mann am Konzertflügel und sein Komplize Lukas Vogel, ein Erforscher, Erfinder und Elektroniker. Seit 2011 betreiben sie gemeinsam Klangforschung und nahmen sich einen Namen, der zeigt, wer im Mittelpunkt steht: das Grand Piano, der Flügel. Die beiden lernten sich während ihres Studiums am Institut für Musik und Medien in Düsseldorf kennen und entwickelten dort im Zuge ihrer Diplomarbeiten eine ganz eigene Technik. Sarp spielt - so ähnlich hingebungsvoll wie Schröder von den Peanuts - Klavier, aber weil er vom Jazz kommt, hat er schon einen Grundbeat. Und die schönen Melodien spielen zwar eine Hauptrolle, aber der Laptop von Vogel ist ein gleichberechtigter Partner. Das geniale Rezept der Grandbrothers: Man nehme ein echt olles Instrument und gebe moderne Produktionsmittel dazu.

Wie funktioniert das?

Man sollte es einmal sehen, dann versteht man besser, was passiert, während man Musik hört, die einen von der Arktis ins All transportiert und von einem romantischen Rendezvous zu einem Spukschloss. Erol Sarp ist also auf den Tasten des Flügels unterwegs und Lukas Vogel sorgt für den Rest. Er befestigt überall am Flügel kleine elektromechanische Hämmerchen, die auf die Saiten klopfen, auf den Holzkorpus des Klaviers, an die Stangen, die den Deckel halten. Die dabei entstehenden Töne nimmt er ab, zieht sie in seinen Laptop und hinten kommen sie verändert u.a. durch Trigger oder Loops wieder heraus. Ein Beispiel: Die Kolben am Fußpedal des Klaviers klingen, nach dem er sie bearbeitet, wie eine aufgeregte Bass-Drum. Und obwohl man "nur" einen Flügel sieht, meint man Cembalo, Schreibmaschinengeklapper, Perkussionsinstrumente, Bass, die Besen eines Schlagzeugs oder auch Stöckelschuhe zu hören.

Was ist das?

Ambient? House? Jazz? Klassik? Audio-Kunst? Intelligente Dancemusik? Minimal Music? Chillout? Der Soundtrack zu einem Film, der noch gedreht werden muss? Alle diese Musikgenres kann man in den Tracks der Grandbrothers ausmachen, aber kein Begriff trifft zu. Bei den Adjektiven wirds nicht besser! Die Musik ist hypnotisch aber auch romantisch, sie ist aufregend aber auch wunderbar verschlurft. Jeder kann sich seinen eigenen Film zu Stücken wie "Wuppertal" (die Heimatstadt von Sarp), "Neon" oder "dem großartigen "Newton's Cradle" machen. Die Grandbrothers machen ganz großes Kino!

Buena Vista Social Club: Lost and Found (World Circuit)


Buena Vista Social Club: Lost and Found
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Buena Vista Social Club: Lost and Found

Es dauert keine zehn Sekunden und man ist wieder glücklich, angesteckt vom typischen BVSC-Charme, von dieser Mischung aus sehnsüchtigen Son-Melodien, gut gelaunten Rhythmen und Musikern, denen man ihre Liebe zur Musik ansah. "Lost and Found" ist kein neues Album des legendären Ensembles, wie könnte es das sein? Die meisten der ursprünglichen Mitglieder sind tot, darunter Honigstimme Ibrahim Ferrer, Compay Segundo, der Star mit dem Panamahut und der Gitarre oder Pianist Ruben Gonzales, und wurden durch jüngere Nachrücker ersetzt. "Lost and Found" ist auch nicht, wie der Albumtitel vermuten lässt, Material, von dem man dachte, dass es verloren gegangen sei.

Schatzkiste Studioarchiv

Nick Gold, Produzent und Label-Chef von World Curcuit hat das erste Album des BVSC 1996 aufgenommen. Dieses Album, das zum Millionenseller wurde, das das erfolgreichste kubanische Album aller Zeiten ist. Und das für ein heftiges Revival der kubanischen Musik gesorgt hat und dafür, dass die Menschen rund um den Globus wissen, wie Son klingt. Gold wurde unentwegt gefragt, ob er nicht noch unveröffentlichte Aufnahmen in der Schublade habe. Ja, er hatte, aber er war so beschäftigt mit anderen Produktionen, dass er erst vor kurzem dazu kam, nachzuschauen. Verblüfft stellte er fest, dass wahre Schätze des Buena Vista Social Club in seinem Archiv lagen. Und so feiern jetzt auch die bereits verstorbenen Mitglieder Auferstehung.

Nachts alleine oder live in Paris

13 Songs, fast alle zwischen 1996 und Anfang 2000 aufgenommen, enthält das Album. Eine gefühlvolle Version von "Lagrimas negras", die Omara Portuondo bei den Sessions für das erste Album des BVSC gesungen hat und die dann nicht veröffentlicht wurde. Portuondo hatte es damals eilig, sie war auf dem Weg zum Flughafen und das Taxi wartetet vor den Egrem-Studios in Havanna. Dass sie trotzdem so völlig los gelöst singt, verblüfft. Man hört Ibrahim Ferrer vor dem ausverkauften Zenith in Paris singen oder Eliades Ochoa, der, nachdem alle weg waren, spätnachts im Studio noch Gitarre gespielt und gesungen hat. Und Cachaito Lopez und Miguel "Anga" Diaz (der Vater der Zwillingsschwestern Ibeyi) liefern sich ein Bass-Konga-Duell.

Never say Adios

2015 ist der BVSC auf großer "Adios-Tour" durch die ganze Welt. Passend dazu wurden die alten Aufnahmen veröffentlicht. Doch wie sagte die 84 Jahre alte Omara Portuondo in ihrer unnachahmlichen Art: "It's Adios, then here we are again!" Die Überlebenden und Nachrücker des Buena Vista Social Club werden so schnell nicht verschwinden von den Bühnen dieser Welt.


Stand: 19.03.2015, 21.00 Uhr