Süpertunes - Mo Kolours | The Edge Of Daybreak : Sample-Wizard und Knastband
Mo Kolours sampelt sich durch die afro-diasporische Musikgeschichte und ihre Brüche | Im Soul von The Edge Of Daybreak klingt die Hoffnungslosigkeit des amerikanischen Gefängnissystem nach.
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Mo Kolours: Texture Like Sun
Mo Kolours: "Texture Like Sun" (One-Handed Music)
Irgendwie ist es ja ein Klischee, London als die multikulturelle Pop-Metropole zu beschreiben. Aber, zum Glück bewahrheitet es sich immer wieder auf die beste aller möglichen Arten. "Texture of Sun", das neue Album von Mo Kolours ist so ein Fall. Mo Kolours, bürgerlich heißt er Joseph Deenmamode, ist ein Sample-Wizard aus London. Er kommt aus dem Umfeld der Süd-Londoner Digger-Crew 22a, Giles Peterson ist ein Fan. Und wie man es erwartet, ist "Texture Like Sun" ein Kaleisdoskop afrodiasporischer Musikstile geworden.
Von Post-Punk bis Sega
Mo Kolours verbindet Neo-Soul mit Offbeats, zwischendurch hat er klassische HipHop-Kits und immer wieder fällt er in einen stolpernden, vertrackten Groove. Mo Kolours sampelt sich durch die Musik, die ihn in London umgibt. Das fängt bei Post-Punk-Klassikern an - der Album-Titel ist ein Zitat von den Stranglers - und endet bei Sega-Musik aus Mauritius. Dort ist es die Musik der Sklaven, die sich dann von Mauritius über die Inseln des indischen Ozeans verbreitet hat.
Deenmamondes Vater kommt aus Mauritius und hat ihn als Kind in seine Heimat mitgenommen. Als er älter wurde, hat er sich über Sega dann über diese Musik die Geschichte seiner afro-britischen Familie erschlossen. In seinen eigenen Stücken hat er nicht nur Sega-Drums gesampelt, er übernimmt auch dessen Call & Response-Gesang.
Geschichte mit gebrochenem Groove
Klar, auch in London ist es gerade hip, seine Kenntnisse über afrikanische Musik auszustellen. Interessant an Mo Kolours ist aber, dass er diese Einflüsse nicht streberhaft runterbetet, sondern bewusst skizzenhaft präsentiert. Die Musikgeschichte, die er auf diesem Album zitiert, ist ja auch keine kontinuierliche Geschichte, sondern eine Geschichte von Widrigkeiten, von Trennungen, von Verschleppung. Mo Kolours betont diese Brüche und verliert trotzdem nie den Groove.
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The Edge Of Daybreak
Edge of Daybreak - "s/t" (Numero Group)
Die Wahrscheinlichkeit, diese Platte einmal in den Händen halten zu können, ist äußerst gering. Von "Edge Of Daybreak", dem einzigen, 1979 erschienenen Album der gleichnamigen Soulband existieren nämlich nur 300 Exemplare. Der Rest ist bei der Überflutung eines Lagers verloren gegangen. Bis zu 1000 Euro wurden dafür auf ebay gezahlt. Denn bei Edge Of Daybreak handelt es sich nicht um irgendeine Soulband: Die Mitglieder saßen allesamt in Virginia im Gefängnis, wo sie Strafen zwischen sechs und sechzig Jahren absitzen mussten.
Soul hinter Gittern
James Carrington, wegen bewaffneten Raubüberfall verurteilt, kaufte sich während der Haft eine Gitarre. Er hatte Kontakte zu einer Plattenfirma und stellte dann eine typische Soulband zusammen: Schlagzeug, Gitarre, Bass und natürlich das Fender Rhodes. Ihre Musik war auf der Höhe des Jahres 1979 - Soul mit Einflüssen aus Disco und Funk, aber aufgenommen unter widrigen Bedingungen. Die Wärter drängten die Insassen immer wieder, die Aufnahmen zu beenden und das Studioequipment war nicht sonderlich gut. Das gibt "Edge of Daybreak" einen rauen, fast schon bluesigen Charme. Es ist Musik, der man das Gefängnis anhört, obwohl sie sich alle Mühe gibt, wie eine der slicken Soulproduktionen aus dem Hause Motown zu klingen.
Reissue für Fans
Irgendwann fiel diese Platte dann dem Chicagoer Label Numero Group in die Finger. Das Label hat sich auf Reissues spezialisiert, doch anstatt teurer Boxen und 180g-Vinyl sind ihre Reissues von Fans für Fans: faire Preise und hohe Auflage. Labelchef Jon Kirby war von der Rauheit der Platte angetan. Er war Stammkunde in einem der Plattenläden, die Carrington nach seiner Entlassung aus dem Knast eröffnet hatte. Carlington selbst war von der Idee angetan, denn "Edge of Daybreak" ist letztlich eine sehr persönliche Platte: "Am Anbruch des Tages" meint den Tag, an dem er aus dem Gefängnis entlassen wird.
Stand: 20.11.2015, 10.00 Uhr
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