Süpertunes - Owiny Sigoma Band | The Weeknd Kenia-Jam-Session und der Thronfolger

Von Johannes Paetzold

Musiker aus Damon Albarns Afrika Express Umfeld nehmen ein experimentelles Album im Westen Kenias auf. Und der kanadische R'n'B-Musiker The Weeknd meldet seinen Anspruch auf den Thron des King of Pop an.


Owiny Sigoma Band: Nyanza
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Owiny Sigoma Band: Nyanza

Owiny Sigoma Band: Nyanza (Brownswood)

Die Owiny Sigoma Band ist das Zusammentreffen von drei Musikern aus London mit zwei kenianischen Musikerkollegen, "Nyanza" ihr drittes gemeinsames Album. Die Londoner Jesse und Louis Hackett, zwei Brüder und Tom Skinner kennen sich mit afrikanischer Musik bestens aus, insbesondere ersterer tourte mit den Gorillaz und gehört zum festen Kern von Damon Albarns Afrika Express. Die Owiny Sigoma Band ist aber ihr eigenständiges Projekt, bei dem sie mit den Kenianern Joseph Nyamungu und Charles Owoko die Musik aus deren Heimat im Studio mit elektronischen Effekten und Beats zusammenbringen.

Alt trifft auf Jung, kenianischer Folk auf urbanen global Pop

Der besondere Reiz der Owiny Sigoma Band liegt auch darin, das die beiden Kenianer erheblich älter sind als ihre Londoner Musikerkollegen, hier treffen also unterschiedliche Generationen aufeinander. Charles Owoko und Joseph Nyamungu gehören der Ethnie der Luo im Westen Kenias an und in dieser Folk-Tradition singen sie auch. Der bekannteste Luo ist übrigens Barack Obama Senior, der Vater des US Präsidenten. Was auf den beiden ersten Alben vor allem im Londoner Studio entstand, ist diesmal vor Ort im Westen Kenias aufgenommen worden, in der Provinz Nyanza, nach der das Album benannt wurde. Wenn man aufmerksam zuhört, dann spürt man auf diesem Album auch immer Straßengeräusche auf, Hühnergackern und Regen.

Zwei Seiten kommen zu Gehör

Traditionelle afrikanischer Folk mischt sich auf Nyanza mit treibenden Beats und Sounds aus dem Computer. Das gab es in jüngerer Zeit ja immer wieder – westliche Musiker, die mit afrikanischen Künstlern zusammen jammen und Platten aufnehmen – aber "Nyanza" spürt keinem Trend hinterher. Jeder Song hier ist eine Überraschung für sich. Owiny Sigoma Band haben ein Gespür für Melodie, einige Songs sind richtig catchy und gehen ins Ohr. Neben solche Upbeatsongs gesellen sich langsame Folk-Songs, gesungen von Joseph Nyamungu und Charles Owoko, die dann zum Beispiel die achtsaitige Nyatiti-Harfe spielen. Gemischt dann wieder mit sehr experimentellen Stücken. Und dann wechseln sich auch die Sänger ab, und die Londoner Seite des Projekts kommt zu Gehör wie im Song "Nyanza Night".

Spaß am Jammen auf dem Lande

Die beiden Hackett Brüder und Tom Skinner zeigten sich begeistert von den Sessions auf dem kenianischen Land, hypnotisch und intensiv beschreiben sie die Aufnahmen vor Ort. Diese Lust, das Neue zu erfahren, sich auf Augenhöhe zu begegnen, merkt man dem Album durchweg an. Vielleicht schwächelt die Produktion etwas, etwa zu oft begegnet uns die Echo-Gitarre und der wiederkehrende Delay auf den Stimmen, das klingt dadurch ein bisschen datiert und alt in der musikalischen Anmutung. Das hängt aber sicher auch damit zusammen, dass man unter relativ einfachen Studiobedingungen aufnahm. Man merkt, die Owiny Sigoma Band schielt auf keinen Markt, weder Ethno noch Club, hier hatten fünf Musiker einfach viel Spaß beim experimentieren und zu jammen.

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The Weeknd: Beauty Behind The Madness
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The Weeknd: Beauty Behind The Madness

The Weeknd: Beauty Behind The Madness (Universal)

Hören wir hier mit "Beauty Behind The Madness" das Album des nächsten King of Pop? Daran wird Abel Tesfaye, so heißt The Weeknd bürgerlich, gemessen. Er selbst hat einiges dafür getan, die Erwartungen hochzuschrauben. Aber The Weeknd ist jetzt auch kein weißes Blatt. Es gibt bereits ein Album, das zwei Jahre zurückliegt, und davor drei Mixtapes, damit hat er sich seinen Undergroundstatus verdient. Das war damals so um 2010 alles noch sehr experimentell und verspult. Heute schreibt The Weeknd richtig tighte Hits, wie “Can't Feel My Face”, was dem Album als Single vorher geschickt wurde.

Der Sommerhit - ein Kokssong

"Can't Feel My Face" - ein Drogen-Song. Denn im Song erzählt The Weeknd, dass er sein Gesicht nicht fühlen kann, wenn er mit "ihr" ist, weil er zugekokst ist. Der Mann hat auch in seinen Jugendjahren wirklich kräftig gefeiert. Heute hingegen sieht er gepflegt aus mit hochgesteckten Hipster Dreadlocks, als wäre er der jüngere Bruder von Jean-Michel Basquiat, dem Pop-Art-Künstler. Abel Tesfaye hat Roots in Äthiopien, geboren wurde er in Ontario, Kanada, wuchs ohne Vater auf, die Mutter berufstätig. Also verbrachte er viel Zeit bei der äthiopischen Großmutter und spricht daher fließend amharisch. So führt er selbst seinen Falsetto-Gesang auf seine ostafrikanischen Wurzeln zurück.

Internationale Pop-Topliga

The Weeknd ist inzwischen in der ersten Liga des internationalen Pobusiness angekommen. Dafür sprich auch die Auswahl seiner Gäste. Mit Kanye West singt er "Tell Your Friends", den Einfluss von R'n'B-Sänger R.Kelly als Ikone von The Weeknd hört man hier deutlich heraus. Mit Lana del Rey singt er eine düstere Future-Soul-Ballade, auf Hochglanz produziert. Und Ed Sheeran verleiht als Gast noch weiteren Aufwertung und Absegnung.

Der neue Jackson?

Ist das nun der neue Michael Jackson? Wird die Krone des King of Pop neu vergeben? So las man es jedenfalls im Vorfeld. Das Management und der 25-jährige Künstler haben einiges dafür getan, diese Erwartungen weiter zu schüren. Und es stimmt, die Melodien sind an Michael Jackson angelehnt. Auch in den Stimmlagen ähnelt sich einiges. Aber ein Michael Jackson hatte ganz andere Überzeugungskraft in der Performance. Der King of Pop hatte eine Rhythmik bereits in der Stimme, die keine Vergleiche kennt. Bei allem Wohlwollen – in der Liga singt The Weeknd nicht. Und ja, es ist ein tolles Popalbum. Produziert phantastisch vom schwedischen Produzenten Max Martin, der Britney Spears und Katy Perry zu ihren Karrieren verhalf. Es ist Pop mit Hit-Songs und die internationalen Hit-Radiostationen werden ihn weiter lieben, dieses Album wird seine Kariere noch einmal einen richtigen Schub geben. Aber es fehlt an Eigenständigkeit. Ein Michael Jackson wird er nie werden, und auch an das andere große Vorbild, R. Kelly, und dessen manisch geniale Strahlkraft kommt er nicht heran. Aber aktuell ist The Weeknd das Beste, was es im R'n'B gibt.



Stand: 27.08.2015, 21.00 Uhr