CD der Woche - Neo-Reconquista El Canexican

Von Daniel Fernando Wahl

Boogat widmet sich auf "Neo-Reconquista" zentralen Fragen nach Identität, Migration und Gentrifizierung. Auch musikalisch setzt der kanadisch-mexikanische Musiker auf Vielfalt mit einem Mix aus Rumba, Reggae und Elektronik.


Boogat - Neo-Reconquista
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Boogat - Neo-Reconquista


Boogat alias Daniel Garrido Russo ist 36 Jahre alt und als Kind mexikanischer und paraguayischer Einwanderer in Quebec, Kanada, aufgewachsen. Erst mit dem Umzug nach Montreal ging es aufwärts in Sachen Musik. Zunächst mit frankophonem Rap und verschiedenen Bandprojekten. Schließlich fühlte er sich berufen in seiner Muttersprache Spanisch zu rappen und entwickelte sich dabei zu einer eigenen Stimme im Global Pop. Mit "El Dorado Sunset" gelang Boogat 2013 der internationale Durchbruch. Kollaborationen mit Produzenten wie Ghislain Poirier, Schlachthofbronx oder Uproot Andy verliehen seinen Songs einen Clubsound, von dem er sich auf seiner neuen LP etwas freimacht.

Sounds of Neo-Reconquista

Die zehn Songs auf "Neo-Reconquista" stammen von Boogat selbst. Für die finale Produktion hat sich Boogat die Hilfe von Jean Massicote geholt. Dieser kollaborierte bereits mit der 2010 verstorbenen Sängerin Lhasa de Sela. Urbane Sounds, Funk und Latin verschmelzen auf "Neo-Reconquista" zu einem harmonischen Musik-Geflecht mit globalem Charme. "Me Muero Por Ti" ("Ich sterbe für dich") ist eine Reggae-Hymne auf die wahre Liebe. Im Song "Londres" ("London") geht es um Post-Kolonialismus. Hier vermischen sich Rumba, Pop und Elektronik. Es ist ein Duett mit dem kongolesischen Sänger Pierre Kwenders der auf Lingala singt. In "La Cita" ("Der Termin") hat Boogat ein Date mit der argentinischen Sängerin La Yegros, die zu seinen Lieblingskünstlerinnen in Lateinamerika zählt.

Geflüchtet und gekämpft

Boogat beschäftigt sich intensiv mit Fragen der Identität, Migration und des Widerstands. Im letzten Song des Albums "Los Amigos de mis padres" ("Die Freunde meiner Eltern") geht es um Boogats eigene Geschichte: "Ich bin Sohn von Migranten, die Eltern aller meiner Freunde sind geflüchtete Menschen und Einwanderer. Diese Menschen haben alle in ihren Ursprungsländern für eine bessere Gesellschaft gekämpft. Sie alle mussten fliehen, um ihre Leben zu retten. Sie kamen in einem Land an dass ihre Diplome nicht anerkannt hat und mussten nochmal bei Null anfangen. Ich finde es unendlich traurig, dass diese Menschen umsonst gekämpft haben, denn in Lateinamerika hat sich politisch nichts verändert."

Heimat und Macht

Beeinflusst vom politischen Denken seiner Eltern und dem Wissen aus seinem Geschichtsstudium hinterfragt Boogat in seinen Songs auch die sozialen Machtgefüge auf dem amerikanischen Kontinent. In "Los Presidentes" schildert er die immer wiederkehrenden Verhaltensweisen der Präsidenten: Nach anfänglicher Euphorie fallen sie in Ohnmacht. "Se van" ("Sie gehen") handelt von der Gentrifizierung der Metropolen dieser Welt. Das Album "Neo-Reconquista" ist ein starkes Statement für Vielfalt, die Boogat selbst verkörpert. Er beschreibt alltäglichen Erfahrungen auf der Suche nach Identität und Heimat.


Stand: 10.01.2016, 00.00 Uhr